Zur Freundlichen Erinnerung | Page 5

Oscar Maria Graf
einem Nachmittag gegen drei Uhr warf Peter Windel die Feder weg, ri? sich fast soldatisch herum, ging an den Schreibtisch des Ingenieurs und sagte mit hohler, kalter Stimme: "Die Sache liegt vollkommen glatt. F��r den Verlust mache ich Sie keinesfalls haftbar."
Steif stand er einen Augenblick vor dem verbl��fften Herrn und drehte sich rasch um, rannte zur T��r und war weg.
Schon nach der Mittagspause hatte er sich den Hut unter den Schreibtisch gelegt. Und jetzt war er froh, da? kein ihm bekannter Stra?enbahner den Wagen f��hrte, in den er stieg.
Nach der f��nften Haltestelle stieg er aus. Er war mitten in der Stadt. "Das Urteil im Heinold-Proze?! Zw?lf Jahre Zuchthaus!" schrien die Zeitungsverk?ufer und flatterten mit den Extrabl?ttern herum.
Wichtige, gespr?chige Gesichter tauchten auf, gedr?ngte Gruppen stauten sich um die Anschlagss?ulen.
Peter bohrte seine Augen sp?hend in die staubige Luft. Nach einem regen Ausschreiten blieb er auf einmal stehen, murmelte etliche Worte heraus, drehte sich mechanisch herum und ging in den Blumenladen, vor dem er jetzt stand. Nach einer langen Weile kam er mit einem gro?en, auffallend sch?nen Rosenstrau? heraus, und ein kaltes L?cheln lag auf seinen st?rrischen Z��gen.
"Lebensl?nglich in einem Grab ... da schon lieber gleich weg," hatte er gestern beim Treppenhinaufgehen geh?rt, und dann sagte eine andere Frau superklug: "Beantragt erst. Es h?ngt noch vom Gericht ab."
Heute war niemand im Treppenhaus. Auch die Wohnung war leer. Die Logisfrau war wahrscheinlich zum Putzen gegangen und ihr Mann kam erst gegen sieben Uhr abends von der Arbeit.
Peter ?ffnete rasch und schritt behend in sein Zimmer, legte behutsam den Rosenstrau? auf den Tisch und holte sich in der K��che warmes Wasser zum Rasieren.--
Als er bereits im Gebrock vor dem Spiegel stand, ��berfiel ihn auf einmal ein ma?loses Zittern, und eine Totenbl?sse ��berzog sein Gesicht. Mit Gewalt straffte er seine F��?e. Dann nahm er endlich den Strau? und verlie? die Wohnung.
Es war schon dunkel, als er vor der T��r des Staatsanwalts Petersen stand und l?utete.
"Ich m?chte gern ... wenn es erlaubt ist ... dem Herrn Staatsanwalt diese Blumen bringen ... und--und gratulieren," stotterte er dem M?dchen ins Gesicht. Das lie? ihn ein und f��hrte ihn in ein Empfangszimmer. Nach ganz kurzer Zeit tat sich die Mittelt��r auf, und Peter stand vor dem Staatsanwalt. Einen Augenblick hatte der Mann eine steinern ernste Miene, dann flossen alle Falten in ein Wohlwollen und er l?chelte geschmeichelt.
Mit vielen unbeholfenen Verbeugungen reichte ihm Peter den Rosenstrau? und stotterte devot: "F��r ... f��r den au?erordentlichen Eindruck, den ich von Ihrer Anklagerede empfing ... nur eine kleine Erkenntlichkeit meiner Wenigkeit, Herr ... Herr Staatsanwalt, Herr....!"
Der Staatsanwalt nahm ihm mit aller Freundlichkeit der Herablassung den Strau? aus der Hand, f��hrte ihn an die Nase und sog in vollen Z��gen den Duft ein, hob den Kopf wieder, sagte: "Ah ...!" und drehte sich l?chelnd um, zur anderen T��r schreitend: "Das mu? ich gleich meiner Frau sagen...."
Jetzt, da er ihm den R��cken zugewendet hatte, rief Peter pl?tzlich mit schneidender Hast: "Eins, zwei, drei! ... einen Augenblick ..." und er l?chelte, wie um sich zu besinnen ... "sind drei ... aber nein, nein! Das stimmt nicht! ... Zehn und zw?lf, verstehn Sie ... sind?"
Der Staatsanwalt hatte sich erschreckt umgedreht, stand unschl��ssig. Peters Mund bewegte sich fieberhaft. Schaum stand auf seinen Lippen: "Verstehn Sie ... zehn und zw?lf Schritte! Den ganzen Tag! Den ganzen Monat--ein Jahr--zwei!--drei!--vier--zw?lf Jahre! Zw?lf Jahre!!"
Und noch ehe der Staatsanwalt auf ihn zust��rzen konnte, stie? ihm Peter mit aller Wucht sein feststehendes Messer in die Brust, da? er lautlos zusammenbrach und vorn��ber hinfiel. Dumpf hallte es. Der K?rper warf sich etliche Male zuckend und blieb dann steif liegen.
Peters Mund ging auf und zu: "Zehn und zw?lf Schritte--einen Tag, einen Monat--ein Jahr--zw?lf Jahre, zw?lf----"
Die T��r ging auf. Hoch stand ihr Dunkel. Etwas Buntes, Wei?es flimmerte dazwischen! Peter schrie in einem Schrei:
"F��r den Verlust mache ich Sie keinesfalls haftbar,--Zw?lf Jahre Grab! Verstehn Sie ... Das ausgestochene Aug'! Die W��rmer! Zw?lf Jahre ... Verstehn Sie! Zw?lf Jahre Nirgends! Nicht H?lle! Nicht Welt! Zehn und zw?lf Schritte ... die W��-��-��rmer!"....
Nach der irren Hast der ersten Worte spaltete sich die Stimme, ��berschlug sich und klang zuletzt wie ein keuchendes, ersticktes St?hnen. Jetzt hielt er inne.
Die hohen T��ren standen offen da. Schwarz und d��ster. Gegen ihn gerichtet wie drohende Rachen.
Die Gestalten und Gesichter waren fort. Es war still. Still!--Mit weit aufgerissenen Augen starrte Peter in diese Leere. Sein K?rper begann zu schlottern, aber er ri? sich zusammen. Er wich zur��ck. Sein Kopf stie? dumpf an den Fenstergriff. Erschrocken wandte er sich herum. Die Helle brach ��her ihn. Er ?ffnete rasch.
Jetzt befiel ihn wieder das Zittern. Sein Gesicht verzerrte sich. Er wollte umsehen und wagte es nicht. Seine Arme umklammerten das Fensterkreuz.
Furchtbar schrie er: "Hilfe! Hi-ilfe!"
Er schwang sich pl?tzlich mit einem wilden Satz aufs Fenster und sprang in die Tiefe.--

SINNLOSE BEGEBENHEIT
Um es ohne Umschweife zu sagen--: Michel Z?ll hatte heute einen guten
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