Zur Freundlichen Erinnerung | Page 4

Oscar Maria Graf
seinen stoppeligen Falten und blieb.--
Die Dienstmagd vom Vorderhaus sagte aus. Einfach klangen ihre Worte. Sie sprach nicht zu viel und nicht zu wenig.
Das Ger?usch der Worte war erst undeutlich, dann wurde es klarer und klang.--
Am fraglichen Sonntag nachmittags zwei Uhr vernahm diese Dienstmagd ein Wimmern aus dem offenen Fenster des Windelschen Zimmers. Dem folgte ein grobes, kurzes Schimpfen. Dann sah sie den Angeklagten auf der Treppe, wie er pl?tzlich innehielt und wieder umkehrte. Und wieder h?rte sie das Wimmern, noch deutlicher sogar und ein w��tenden Schimpfen, dann einen T��rzuschlag und Windel mit grimmigem Gesicht die Treppe hinunterrennen.
Wie ruhig sie das sagte: "Und dann, gleich darauf, habe ich einen dumpfen Knall und einen kurzen, nicht recht lauten Schrei, der eher ein St?hnen war, geh?rt und das Wimmern hat auf einmal aufgeh?rt. Ich wei? nicht mehr genau, war's gleich nach dem T��rzuschlagen oder ein wenig sp?ter. Ich bin dann zu meiner Schwester gegangen, weil ich Ausgang hatte.... Die Leute im Vorderhaus und im Hinterhaus? ... Ja ... soviel ich gesehen habe, die waren fast alle weggegangen ... schon mittags.... Es war ja auch so sch?nes Wetter."
Peter Windel sa? da und lauschte. Es klang!--
Er begann auf einmal langsam--dann aber sto?weise zu schluchzen. Eine Bewegung kam in den Saal. Eine Glocke l?utete. Lauter rief wer! Ja!--Ja! Das konnte der Vesperruf in der gro?en Halle sein! Das war dasselbe, d��nne, schrille L?uten.--
Dann klangen wieder Stimmen hin und her.
Der Chef, die Arbeiter und Angestellten und die fr��here Logisfrau sagten g��nstig ��ber den Angeklagten aus. Die letztere weinte sogar buchst?blich und sprach erregt, da? der Staatsanwalt sich verpflichtet f��hlte, sie zu fragen, wie lange Windel sie kenne, ob er sie zuletzt noch aufgesucht und ob sie zu ihm in n?herer Beziehung gestanden habe.
Die dicke Frau wurde darob sehr schrill, schrie und es l?utete abermals. Peter Windel war wieder ruhig geworden und l?chelte wieder.--
L?chelte, trotz der furchtbaren Anklagerede des Staatsanwalts, l?chelte starr in den Raum, als der Rechtsanwalt redete und redete.--
Man fand keine Absicht in dieser Tat. Die Beweise waren zu mangelhaft. Der Angeklagte war ein unbescholtener Mensch. Bis in die Schulzeit hatten die eifrigen Nachforschungen der Beh?rden zur��ckgegriffen, nichts lie? auf einen j?hzornigen, b?swilligen Menschen schlie?en, sondern eher auf einen sch��chternen, scheuen, dem das Leben stark mitgespielt hatte.--
"Alles, was die tote Frau Hullinger hinterlassen hat, fand man unber��hrt. Sie haben ein Zeugnis aus der weitaus ��berwiegenden Mehrzahl der Aussagenden, da? der Angeklagte nie zu einer solchen Tat f?hig sei. Wie kann man annehmen, da? ein solcher Mensch wegen einer geringf��gigen Unreinlichkeit einfach eine alte Frau derma?en an den Waschtisch wirft, da? sie augenblicklich tot ist!" rief der Verteidiger. Und viele nickten. Man h?rte deutlich ein Aufatmen, als der Freispruch bekanntgegeben wurde und sah aufgeheiterte, fast erl?ste Gesichter.--
Peter Windel war frei.
"Kommen Sie nur gleich wieder!" hatte sein Chef gesagt, als er ihm beim Weggehen die Hand dr��ckte. Und der Rechtsanwalt hatte einen Blick wie ungef?hr: "Na, das h?tten wir wieder durchgedr��ckt!"
Nach f��nfzehn Wochen sp��rten Peters z?gernde
Schritte wieder Stra?en, h?rten seine Ohren Trambahnrattern, sahen seine Augen Menschen, Farben, Fenster, und er wu?te selber nicht, wie und weshalb er pl?tzlich an einen Schalter herantrat und sagte: "Dritter Klasse! Ja!"
Er stieg auf den Zug und ging nicht in die Kupees. Eine Nacht lang stand er auf dem eisernen, ratternden Vorplatz eines Wagens und atmete.--
Der Wind pfiff. Der Zug sauste, ri? die Luft auseinander, zog vorbeifliegende Lichter in die L?nge, bohrte hemmungslos in eine dunkle, ungewisse Ferne.
Keine Wand mehr, keine zehn und zw?lf Schritte, kein Ende--das Toben und Brausen wieder! Nur diesmal wie ein Flug durch einen unerme?lichen Raum.--
V.
Aber--es ist nicht wahr! Man kann nichts wegtrinken, nichts vergessen machen, nichts ausl?schen! Man tr?gt es mit sich wie ein unsichtbares Schneckenhaus und zuletzt!?--
Es sind immer wieder die kahlen, glatten Mauern, die T��r mit dem ausgestochenen Aug' in der Mitte, die zehn und zw?lf Schritte....
Es klopft.--
Es kratzt in den W?nden. Die W��rmer nagen. Sie warten und fallen pl?tzlich in einer Nacht wie schwere Tropfen herab, bohren sich ins Fleisch, nagen--nagen.--
Peter Windel hatte eine wilde Flucht hinter sich. Durch St?dte und D?rfer war er gefahren, in Hotels und in Wirtschaften, in Animierkneipen oder am Leib eines Weibes hatte er die N?chte verbracht. Er trank, warf das Geld weg, a?, sa? in den Theatern und den Kinos, in den Bars und Vergn��gungslokalen jeder Klasse.
Es war immer wieder die Stille, das Stockdunkle, das Grab!--
Er floh und kehrte endlich wieder zur��ck zu Jank, nahm die Arbeit wieder auf und wurde ruhiger. Es trat die alte Regelm??igkeit in sein Leben. Ereignislos verliefen die Jahre. Er wurde alt. Geb��ckt ging er.
Der Chef nahm ihn in die Abteilung f��r technische Angelegenheiten ins Bureau. Da sa? er nun jeden Tag auf seinem Drehstuhl und rechnete, schlug das Buch zu, kam am ?ndern Tag wieder und rechnete.
Neben ihm sa? das Schreibmaschinenfr?ulein, weiter am Fenster vorne der Ingenieur und manchmal auch der Chef.
Jahre.--
Pl?tzlich an
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