Zum wilden Mann | Page 6

Wilhelm Raabe
rudelten. Bis Mitternacht bleiben wir ja doch wohl vergn��gt beisammen??
?Nat��rlich! Hurra!? rief der Apotheker, und der Pastor brachte nun wirklich in Erwartung Chinesiens, das hei?t der Punschbowle, fein, zierlich und schicklich seine Gratulation gleichfalls an.
Unterdessen hatte sich das ganze Haus mit eigent��mlichen, anmutigen D��ften, die den Apothekendunst ihrerseits sieghaft bek?mpften, gef��llt. In des Hauses K��che hatte ein merkw��rdig lebendiges Treiben begonnen; allerlei Ger?t rasselte und klirrte fr?hlich durcheinander. Punkt neun Uhr stand die erste dampfende Schale auf dem Tisch, und nicht sie allein, sondern, was dazu geh?rte, ebenfalls. F��r f��nf Minuten fand des Apothekers Schwester nun auch Mu?e, sich zu den M?nnern zu setzen und die ersten Belobungen derselben in Empfang zu nehmen.
Die Belobungen kamen zu rechter Zeit; aber dann trat f��r einige Augenblicke das Stillschweigen ein, welches immer entsteht, wenn ein des Nachdenkens w��rdiges Getr?nk auf den Tisch gesetzt wird. Da? dieses Stillschweigen schnell ��berwunden wird und ein jeder sich merkw��rdig rasch mit der Feierlichkeit des Momentes abzufinden wei?, ist bekannt.
?Also wirklich bereits ein volles Menschenalter!? rief der geistliche Herr. ?Ich hielt es im Anfang fast f��r unm?glich; aber nun, da ich im Stillen nachgerechnet habe, finde ich und gebe zu, da? es sich in der That also verh?lt. Ich hatte mich in jenem Jahre gerade mit meiner guten Friederike in den Stand der heiligen Ehe begeben, und mein ?ltester Sohn, der Inspektor, ist wahrlich seitdem bereits achtundzwanzig Jahre alt geworden.?
?Wahrhaftig, Pastore, und wenn ich daran denke, wie Ihr schlecht bei Leibe hier ankamt, und Euch ansehe, wie Ihr jetzo da sitzt, so brauche ich gar nicht an den Fingern abzuz?hlen, um an die drei?ig Jahre zu glauben. ��brigens empfing ich euch alle hier und machte euch die Honneurs des Ortes. Zuerst r��cktet Ihr ein, Pastore, und heiratetet Eures Vorg?ngers Tochter; und nachher kam der gleichfalls noch anwesende Jubilant, um die gesunde Gegend mit seinen Pillen und Mixturen noch gesunder zu machen. Den Doktor rechne ich gar nicht; denn ein Mensch, der erst ein Dutzend Jahre unter uns haust, ist eben gar nicht zu rechnen.?
?Der liebe Gott hat Euch wirklich in Eurem Einzuge gesegnet, lieber, alter Freund,? sagte der Pastor zum Hausherrn. ?Eure zwei Vorg?nger hatten mit gro?er Schnelligkeit in diesem Hause Bankerott gemacht; Ihr aber hattet Gl��ck --?
?Und Verstand,? fiel der F?rster Ulebeule ein, ?den richtigen Verstand von der Sache; denn in einer so gesunden Gegend, wie die hiesige zum Exempel, legt sich der richtige Apotheker eben auf etwas anderes, zum Beispiel auf einen neuen Magenbitter, wie der >Kristeller< einer ist, auf die Fruchts?fte im Gro?en, auf den Weinhandel und, nicht zu vergessen, auf den Kr?uterhandel durch ganz Deutschland ins Unerme?liche. Heute Abend ist denn im nat��rlichen Verlaufe der Dinge der Alte da in seinem Schlafrocke der allereinzige von uns, welcher es zu etwas gebracht hat. Der Doktor wird es nie zu etwas bringen.?
Der geistliche Herr seufzte; aber der Apotheker ?zum wilden Mann?, Herr Philipp Kristeller, seufzte ebenfalls, und als gerade jetzt Wind und Sturm st?rker und b?ser mit Regen und Schlo?en durchs Land fuhren, sah er wie erschreckt von dem behaglichen Tisch auf das gepeitschte, klirrende Fenster. Die alte, gute Schwester r��ckte dichter an ihn heran, indem sie fl��sterte:
?Liebe Herren, man mu? niemandem sein Gl��ck vorr��cken, es n��tzt nichts und hat schon h?ufig geschadet; das ist meine Meinung. Und ob meines Bruders Gl��ck gerade so gro? gewesen ist, das steht wirklich noch dahin. Wir haben unser Los und Leben genommen, wie es uns gegeben wurde, das ist aber auch alles. Auf das Jubil?um aber trinke ich doch, und jetzt will ich den Spruch ausbringen und sagen: Es lebe die Apotheke >zum wilden Mann! Sie hatte, w?hrend sie redete, die Gl?ser im Kreise gef��llt, und alle stie?en an, doch mit Nachdenken und Ernst, wie es sich geh?rte. Herr Philipp aber, unruhig auf seinem Stuhle hin- und herr��ckend, sprach leise und mehr zu sich selber als zu den andern:
?Es ist eine Nacht dazu -- die rechte Nacht. Es ist mehr als ein Menschenalter hingegangen, seit das, was ich mein Hauptgl��ck nennen sollte, an mich kam. H?rt nur den Sturm da drau?en, wie er sich unb?ndig hat, ihr solltet kaum glauben, da? sich morgen vielleicht kein L��ftchen regen wird, um das letzte Blatt vom Baume zu nehmen. Man sagt, es verj?hre alles; aber es ist nicht wahr. Es kommt alles wieder an einen, der Sturmwind wie die alte Zeit. Ihr lieben Freunde, wollt ihr mich anh?ren, so will ich euch eine Geschichte erz?hlen, eine kuriose, eine recht, recht kuriose Geschichte. Ich will euch erz?hlen, wie ich vor mehr als drei?ig Jahren der Besitzer der Apotheke >zum wilden Mann< wurde.?
Der Pastor sagte gar nichts; aber auch er r��ckte n?her an Herrn Philipp heran, ber��hrte ermunternd seinen Ellbogen und bot ihm zu noch gr??erer Ermunterung die blank abgegriffene silberne Dose.
?Geschichten h?re ich f��r mein Leben gern, selbst Jagdgeschichten im Notfall!? rief der F?rster
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