Zum wilden Mann | Page 5

Wilhelm Raabe
ab.
?Trockene Blumen und Bl?tter,? seufzte er. ?Alles, was ich da in meinen B��chsen und Schachteln habe, gr��nte und bl��hte auch einmal wie jedes Wort auf diesem Papier. Apothekerwaren? Droguerien? Nein, nein, nein! Jenes ist tot und bleibt so; aber dies hier ist noch lebendig und bl��ht fort und kennt keine Zeit und keinen Jahreswechsel. Es hat seine Wurzeln in meiner Seele geschlagen: wie k?nnte es da welken und zu nichte werden? In der Sonne, im fliegenden Wolkenschatten, im Mondschein, im Nebelziehen, im grauen Landregen, im lustigen Schneegest?ber liegt das Thal, liegen die Berge lebendig. Das ist die alte Stadt -- ja, da ist sie, wie sie war, als wir jung waren; -- jedes Haus ein guter Bekannter. Da ist das Eckfenster, an welchem ich stets vorbeigehe, wenn der Alte mich auf die Pflanzenjagd schickt. Da sitzt das gute Kind mit seinem N?hzeug, und es w?hrt lange, sehr lange, ehe sie mich bemerkt, und noch l?nger, ehe ich an die Thatsache glaube, da? sie mir wirklich entgegenschaut und nachsieht. Es ist lange, lange eine Liebe ohne Worte, bis der Himmel ein Einsehen hat und ein Regenschauer zur richtigen Zeit auf einer Landpartie schickt, nachdem er mir vorher die gl��ckselige, heilbringende Idee eingegeben hat, beim sch?nsten Sonnenschein und blauesten Himmel einen Schirm mitzunehmen. So lernten wir uns in der N?he kennen -- vom Herzen zum Herzen, von Seele zu Seele. Da ging das beste Erdenleben an. -- Sie hatte wenig und ich gar nichts; aber der liebe Gott hatte ungez?hlte Sch?tze f��r uns und gab eine kurze, kurze Zeit alles mit vollen H?nden. Erst im zweiten Sommer nach unserem geheimen Verl?bnis, nachdem wir ein volles Jahr durch in unserem Gl��ck und unserer Hoffnung Million?re gewesen waren, fiel uns ein, dar��ber nachzudenken, was wohl weiter daraus werden m?ge und k?nne --?
Abermals klang die Glocke und unterbrach den erinnerungsvollen Traum. Es waren aber diesmal keine Kunden, welche den Apotheker ?zum wilden Mann? st?rten. Die stets recht deutliche Stimme der Schwester Dorette lie? sich drau?en vernehmen:
?Da sind Sie, meine Herren! Gottlob, da? Sie gekommen sind. Das ist sch?n, das ist sehr freundlich von Ihnen. Ich wu?te es aber auch, da? ich Sie nicht vergeblich bitten w��rde. Dem Bruder ist die gro?e Merkw��rdigkeit eben erst eingefallen, und da hat es sich mir sogleich schwer auf das Herz gelegt, und ich habe dann den Fritz losgejagt. Ich kenne ihn ja nur zu gut, den Bruder; er w��rde sich ohne gute Gesellschaft eine traurige Nacht zurecht gemacht haben, seine melancholischen Einbildungen w��rden uns kl?glich genug mitgespielt haben. Aber nun ist es gut, denn an diesem Abend geh?ren wir ja doch zusammen, und der Bruder wird sich nun recht sehr freuen, -- sch?nsten guten Abend, meine Herren!?

Drittes Kapitel.
Die beiden Herren, zu denen die Schwester Dorette der melancholischen Einbildungen ihres Bruders wegen sofort geschickt hatte, nachdem er ihr die Bedeutung des heutigen Abends zugerufen, waren der Pastor des Ortes, Herr Sch?nlank, und der F?rster Ulebeule. Ersterer kam, dicht in den Mantel gewickelt, mit seiner Laterne und seinem Regenschirm, letzterer, jeglicher Witterung Trotz bietend, in kurzer, gr��nkragiger Flausjacke, den derben, eisenbeschlagenen Hakenstock unterm Arme. Beide aber sch��ttelten sich vor allen Dingen t��chtig auf der Hausflur und sagten wie jedermann weit und breit:
?Brr, welch' ein Wetter!?
Und der F?rster f��gte noch hinzu:
?Das nennt man freilich auch, unterm Wind sich anschleichen; aber ein Vergn��gen war es gerade nicht. Na, Pastore, hier haben wir ��berwind, und f��r das ��brige wird Fr?ulein Dorette zu sorgen wissen.?
Der Alte im Hinterst��bchen, welcher anfangs etwas betroffen gehorcht, hatte sich schnell in die Situation gefunden. Ein L?cheln auf seinem gutm��tigen Gesichte wurde immer breiter und sonniger, und jetzt ri? er seinerseits die Th��r auf, welche aus seinem Schlupfwinkel auf die Hausflur f��hrte, und rief in heiterster Laune:
?Herein, herein, und gelobt seien alle melancholischen Phantasien, wenn sie einem so erw��nschte Gesellschaft ins Haus f��hren. Das war ein Gedanke -- das war eine That, Dorette! Herein, liebe Freunde, -- das ist freilich ein Abend, um eine Nacht daraus zu machen, und letzteres wollen wir und zwar, wie es sich geh?rt! Herein, und jeder an seinen Platz, und ein Vivat f��r die alte Apotheke!?
?Davon nachher, wenn wir erst Chinesien auf dem Tische haben werden,? sagte der F?rster, seinen Stock in den Winkel stellend. ?F��rs erste, alter Bursch, ganz sedate unsere beste Gratulation zum glorw��rdigen Jubil?um. Wenn der Pastor das noch einmal und mit Salbung vortr?gt, so habe ich auch nichts dagegen; aber wenn wir den Hasenfu?, den Physikus hier h?tten, so w��rde der uns allen den Rang ablaufen; ein hirschgerechterer J?ger f��r einen Gl��ckwunsch und Trinkspruch soll noch gefunden werden; aber er ist ��ber Land geholt.?
?Und wird zu Hause meine Benachrichtigung vorfinden,? sagte Fr?ulein Dorette Kristeller.
?Sch?n,? sprach der F?rster, ?unter den Umst?nden kriegen wir ihn sicherlich noch zu Gesicht. ��brigens w��rde er es schon ganz aus Naturanlage gewittert haben, da? wir uns hier
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