Zuchthausgeschichten von einem ehemaligen Züchtling | Page 7

Joseph M. Hägele
ich auf den Transport nach Freiburg, am 21. fiel es einem churhessischen Offizier ein, mich ohne den mindesten Anla? von meiner Seite am frühen Morgen in Stühlingen mit Handschellen zu bedenken und zu seinem Privatvergnügen eine starke halbe Stunde vor seinem Hause gleichsam an den Pranger zu stellen. Der Amtmann wollte nichts von Beschwerde h?ren; ich verzeihe es ihm sammt seinem energisch ausgedrückten Herzenswunsche, da? es mir und meinem Leidensgef?hrten "recht schlecht" ergehen m?ge, verzeihe auch gern Anderes, was mir vom churhessischen und mecklenburgischen Milit?r sehr unn?thig angethan wurde und mit soldatischer Biederkeit nicht sonderlich viel zu schaffen hat.
Am 22. Juli kamen wir noch immer geschlossen, mit einer Eskorte, als ob ich und der gefangene Bauer am Jahr 1848 und 1849 dazu Vaterstelle vertreten h?tten, in Freiburg an und lebte als Kriegsgefangener 7 Monate unter den Preu?en, über deren strenge Aufsicht nur ein Narr klagen k?nnte, w?hrend alle Kriegsgefangenen Freiburgs hinsichtlich der ehrenhaften und menschlichen Behandlung von Seite der Offiziere und Soldaten wohl einstimmig sein und bleiben werden.
Ehre und Dank den preu?ischen Offizieren und Soldaten!--
Im September ward ich den ordentlichen Gerichten überantwortet, im October jedoch, obwohl ich in meinem allerersten Verh?re Alles gesagt hatte, was zu sagen war und worauf sp?ter das Urtheil sich stützte, vor die Untersuchungskommission des Standgerichtes gestellt, im November in Folge einer Verschiebung des Gerichtstages und einer Verordnung des h?chstseligen Gro?herzogs abermals den ordentlichen Gerichten überwiesen. Am 28. Januar 1850 wurde mir das hofgerichtliche Erkenntni? er?ffnet, welches auf acht Jahre gemeinen Zuchthauses lautete. Ich verzichtete auf einen Vertheidiger und vertheidigte mich selbst bei der h?chsten Instanz, jedoch in einer so unklugen und trotzigen Weise, da? ich meine verbrecherische d. h. revolution?re Gesinnung dadurch abermals unwiderlegbar constatirte und eher Sch?rfung des Urtheils fürchtete als Milderung hoffte.
Am 16. Februar 1850 schlüpfte ich in die entehrende Str?flingsjacke, nachdem ich schon seit September 1849 innerhalb der Mauern des Zuchthauses als Untersuchungsgefangener geweilt hatte. Im Sommer kam die Best?tigung meines Urtheils von Seite des h?chsten Gerichtshofes, im August 1850 wurde ich in das Zellengef?ngni? nach Bruchsal versetzt und blieb daselbst bis zum 13. April 1852.
Sterbend hat der edle, unverge?liche Gro?herzog Leopold, dessen wahrhaft adelich gesinnte Pers?nlichkeit weder von mir noch, laut meiner gewi? nicht armen Erfahrung, selbst von den wildesten Republikanern Badens jemals angegriffen, sondern hochgeachtet und geliebt wurde, mich auf meine dritte Bittschrift hin mit 16 Andern begnadiget.
Nach 33 Monden einer leidensvollen, jedoch schon 1848 wohlverdienten und für mich durch Gottes Gnade h?chst segensreichen Gefangenschaft durfte ich zum erstenmal wieder ehrliche Kleider anziehen, ohne Hüter herumlaufen und frische Luft sch?pfen, wo es und wieviel mir beliebte.
Am 13. April und zur Stunde fast noch mehr empfand ich und empfinde, wieviel ich dem in Gott ruhenden Fürsten verdanke, denn meine Bestrafung und zwar gerade in der Art und Weise, wie dieselbe stattfand, war von Seite der Menschen gerecht und milde, und zugleich der Quell meines zeitlichen und ewigen Glückes und zudem sind tausend Kerkern?chte zwar kein Spa?, sondern furchtbarer Ernst, allein es sind noch lange keine 8 Jahre.
Weder vor noch w?hrend der Revolution beging ich jemals eine an sich entehrende Handlung oder gar ein gemeines Verbrechen; ich glaube gezeigt zu haben, da? ich als Amnestirter des Jahres 1848 keinen Wortbruch gegen die badische Regierung %mala fide% beging; ebensowenig brach ich jemals einen Eid, weil der Huldigungseid, den ich im August 1852 schwor und gewissenhaft zu halten gedenke, mein allererster Eid war, den ich w?hrend meines Lebens ablegte.
In diesen Thatsachen liegt die subjective Begründung der Protestation, welche ich gegen die Anwendung jenes Gesetzes, das reinpolitische Vergehen mit entehrenden Strafen belegt, fortw?hrend erhob.
Gro?e Rechtsgelehrte verfechten den Grundsatz, da? politische Verbrecher, insbesondere wenn dieselben an einem allgemeinen Aufstande Antheil nahmen, vom Standpunkte der Rechtsidee aus nur dann mit Entehrung bestraft, mit Spitzbuben und M?rdern in Eine [eine] Reihe gestellt werden sollen, wenn sie an sich entehrende Handlungen und gemeine Verbrechen gleichzeitig begangen haben. Dieser Grundsatz ist in den Gesetzgebungen der meisten civilisierten L?nder, wie Belgien, Preu?en und Würtemberg in mehr oder minder ausgedehntem Grade anerkannt; meines Wissens zog auch die frühere badische Gesetzgebung hierin sachgem??ere und ausgedehntere Unterschiede als die jetzige, doch die Liberalen der zweiten Kammer dachten an verantwortliche Minister und lie?en der Regierung keine Ruhe, bis das Zuchthaus für reinpolitische Vergehen recht in Flor kam.
Die objective Begründung der Ungerechtigkeit eines derartigen Gesetzes mag den Rechtsgelehrten überlassen bleiben und ist oft genug geliefert worden. Wenn ich vom Standpunkte des Rechtes hinsichtlich meiner Person in alle Ewigkeit meine Verurtheilung zum Zuchthause lediglich als Gewaltthat des Gesetzes betrachten und dagegen protestiren mu?, so mag eine kurze Aufz?hlung der praktischen Folgen obigen Gesetzes zeigen, da? es nicht minder unzweckm??ig als ungerecht und recht eigentlich gegen das wahre Interesse der badischen Regierung gerichtet sei.
Ich habe die Belehrung über die praktischen Folgen nicht aus dem kleinen Finger gesaugt sondern w?hrend und nach der Gefangenschaft aus der allt?glichen Erfahrung gesch?pft.
Um
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