Zuchthausgeschichten von einem ehemaligen Züchtling | Page 5

Joseph M. Hägele
eigenen Person protestiren zu müssen und zu dürfen.
Ich habe mein der badischen Regierung gegebenes Versprechen eines gesetzm??igen Verhaltens nicht gebrochen, obwohl meine Theilnahme am Aufstande des Sommers 1849 stark dagegen zu sprechen scheint.
Die Gegend, in der ich vom Sp?therbste 1848 bis Mitte April 1849 und noch sp?ter lebte, geh?rte meines Wissens schon vor der Revolution zu den Wahlbezirken der Opposition; bekanntlich haben sich die Bewohner desselben sehr lebhaft am Heckerzuge betheiliget, den flüchtigen Hecker beharrlich zum Mitgliede des Frankfurterparlamentes w?hlen helfen und würden sich ohne Dazwischenkunft des einflu?reichen Flüchtlings W. wohl bedeutender auch am Struveputsch betheiliget haben, als dies wirklich der Fall gewesen ist.
Bei meiner Ankunft fand ich den an Geld und Gut wie an Einflu? reichen, zum Heckerzuge wahrhaft gepre?ten W., dessen S?hne ich unterrichtete, sammt andern politischen Führern des Bezirkes flüchtig, die revolution?re Gesinnung in reichlichem Maa?e vorhanden und k?nnte ich eidlich beschw?ren, innerhalb 6 Monaten weder Ein conservatives Wort geh?rt noch von einer konstitutionellen Parthei das Mindeste gesehen zu haben. Es fehlte lediglich an einem organisirenden und leitenden Kopfe, um diese zwischen die Schweizerkantone Zürich und Schaffhausen eingekeilte, politisch und noch mehr milit?risch wichtige Gegend mit den üppig auftauchenden und unter sich immer enger verbundenen demokratischen Vereinen des Landes in Wechselverkehr zu setzen. Man traute mir F?higkeit und Beruf hiezu von mehr als einer Seite her zu, ich h?tte es sogar versuchen und durchsetzen k?nnen, ohne mein der Regierung gegebenes Wort zu brechen, denn die demokratische Organisation lie? sich damals innerhalb der Schranken der bestehenden Gesetze sehr leicht vornehmen.
Ich habe niemals den leisesten Versuch hiezu gemacht.
Es lie?e sich sagen, ein so unangesehenes Menschenkind meiner Art würde nicht Ansehen genug gehabt haben, um politischer Führer zu werden. Diesem Einwande widerspr?chen frühere Ereignisse, auch lie?e sich an das Sprichwort denken: Probiren geht über Studiren, doch soll er gelten; ferner lie?e sich sagen, der Flüchtling W. als der einflu?reichste Mann der Gegend würde mein Thun nicht gebilliget haben und dies w?re m?glich, denn der Vater meiner Z?glinge ist trotz seines demokratischen Auftretens, durch welches er sich in ein leider noch jetzt fortdauerndes Unglück gestürzt hat, sein Lebenlang kein inwendiger Demokrat, h?chstens ein schlichter Liberaler und mit dem Herrn Amtsverweser ganz einverstanden gewesen im ruhigen Leben. Allein das demokratische Organisiren war gesetzlich, der Vater meiner Z?glinge noch l?ngere Zeit flüchtig und ich keineswegs Einer, der ein Stücklein Gnadenbrod bei ihm a? und ihm hinsichtlich meines politischen Verhaltens Rechenschaft abzulegen hatte. Vieles lud zu Versuchen ein, eine politische Rolle zu spielen.
Ich lebte ebenso unabh?ngig als glücklich in Herrn W's Hause und kann beweisen, da? ich meine Pflicht als Lehrer mit strenger Gewissenhaftigkeit erfüllte, die Kinder sogar zum Kirchengehen und Religionsunterrichte anhielt, was au?erhalb übernommener Verpflichtungen lag.
Im naheliegenden Amtsorte gab es einen Volksverein und keinen andern, in meinem Wohnorte dagegen tauchte trotz der allbekannten Gesinnung der Einwohner vor dem Mai 1849 kein politischer Verein irgend einer Art auf.
Was meine Wenigkeit anbelangt, las ich wochenlang keine Zeitung, lie? mich mondenlang kaum in ein politisches Gespr?ch ein, besuchte den Volksverein des Amtsortes auch nicht ein einziges mal, geschweige, da? ich Mitglied irgend eines Vereins wurde und habe nicht einmal eine Petition jener petitionenreichen Tage verfa?t oder unterzeichnet.
Benutzte ich vielleicht die N?he der Gr?nze, um mit Flüchtlingen zu wühlen? Bekanntlich ist die Schweiz unschuldig am badischen Maiaufstande, derselbe ging von Mannheim aus und fing in der Residenz an, die Zahl der Flüchtlinge war sehr gering in Schaffhausen und Zürich, zwei Ausflüge dorthin und drei dahin brachten mich in Verbindung mit 3 ganzen Flüchtlingen, n?mlich mit dem Vater meiner Z?glinge und 2 Studienfreunden, von denen Einer in den ersten Monden des Jahres 1849 nach Amerika ging.
Gegen den Frühling hin thaute ich wieder etwas auf, suchte Menschen fand dieselben zumeist in den Wirthsh?usern, deutsche und schweizerische Republikanerbl?tter und aufregende Ereignisse liehen Stoff zu Gespr?chen und weil mein Thun keineswegs mit meinen politischen Gesinnungen harmonirte, sondern lediglich durch mein gegebenes Versprechen eines gesetzm??igen Verhaltens und meine gleichm??ige Verachtung aller damaligen politischen Partheien und feigen Windfahnen insbesondere bedingt war, so mag ich zuweilen durch derbe Redensarten Diesem oder Jenem wehe gethan haben, der es nicht verdiente aber verga?, wohl auch verdiente, aber nur bis auf andere Zeiten scheinbar verga?.--
Im April fand ich in Freiburg ein sehr bewegtes politisches Treiben und Wühlen, zahlreiche Bekannte, neben alten Freunden mehr als Einen, der meinen Mü?iggang in politischen Dingen hart und bitter tadelte, mir bereits offener oder heimlicher Feind geworden war oder wurde, weil ich Allem zusah, zuh?rte und stumm und unth?tig blieb in beharrlicher Neutralit?t.
Die Verhandlungen der armen, verhetzten Soldaten begannen, ich warnte meine Bekannten unter denselben vor Unbesonnenheit, reiste beim beginnenden Sturm von Freiburg ab und sa? am Tage der Offenburger Volks- und Soldatenverbrüderung im Mai 1849 bereits wieder in meiner Schulstube.
Obwohl ich meinen Credit als Republikaner bei Hecker und manchen Andern schwer eingebü?t, w?re es mir doch ein Leichtes gewesen, bei
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