Zuchthausgeschichten von einem ehemaligen Züchtling | Page 4

Joseph M. Hägele
Bl?tter" und der berühmte Gründer derselben lange vor 1848 von dieser Hydra des Scheines und der Lüge sagten und erstere mit seltener Kühnheit fortw?hrend sagten, w?hrend die Revolution die V?lker verblendete und verführte, mu? ich als Wahrheit unterschreiben. Sie verfinstert den Kopf, vergiftet das Herz, entmenscht und verteufelt das Gemüth. Ich habe dies an mir selbst erfahren und alle Ursache, dem Allm?chtigen zu danken, weil Er auf eine oft wunderbar scheinende Weise mich von Gelegenheiten zu Handlungen fern hielt, zu denen mich mein politischer Fanatismus h?tte leicht hinrei?en und den nagenden Wurm ewiger Reue in mein Bewu?tsein werfen k?nnen.
Weniger mein Verdienst als das meines leitenden Schutzgeistes ist es, da? ich jetzt Allen, welche mich im Frühling 1848 sahen, h?rten und auf irgend eine Weise kennen lernten, ruhig zurufen darf: "Wi?t Ihr auch nur eine einzige unehrenhafte, gemeine und verbrecherische Handlung, welche ich damals zu verhindern vermochte und zulie? oder gar selbst beging? Habt Ihr von mir Eine Rede geh?rt, in welcher ich etwa nach dem Beispiele früherer und gleichzeitiger Republikaner Mord und Todschlag, Plünderung und Verfolgung Andersgesinnter als Mittel zur Freiheit und zum Volksglücke empfahl? Tretet auf, ihr Artikelschmiede, welche ihr jetzt unter dem Schutze gro?er Armeen und einer wohl dressirten Polizei so gewaltigen Heldenmuth gegen alle mi?liebigen, wehrlosen Mitmenschen entwickelt! Versucht es, ob Ihr meine Ehre auch besudeln k?nnt, es m?chte schon der Mühe werth sein, gibt es jetzt doch in mir einen "Ultramontanen" zu verspeisen!"
Je weniger Menschen ich vor der Revolution kennen gelernt hatte, desto mehr lernte ich w?hrend derselben kennen. Meine Begeisterung für das "souver?ne" Volk und manche Führer desselben wurde namentlich w?hrend des Heckerzuges und noch weit mehr w?hrend meines Flüchtlingslebens ungemein abgekühlt. Liebe zur Macht ist keine Freiheitsliebe und hinter den wohlklingenden Redensarten, womit dem armen Volke Sand in die Augen gestreut und den Regierenden oft auf eine sehr ungerechte und sch?dliche Weise das Regieren erschwert und das Gemüth verbittert und verh?rtet wird, kann ungemein viel rohe und verfeinerte Selbstsucht stecken.
Im Lande der Alpen impfte mir das Flüchtlingsleben die früher einstudirte und g?nzlich vergessene Wahrheit wieder ein, da? Staatsformen an sich keineswegs ein Volk beglücken und m?glicherweise in einer Republik gro?e Engherzigkeit, arge Volksunterdrückung und thats?chliche Tyrannei jeder Art, dagegen in einer Monarchie Recht, Freiheit, Wohlstand und Bildung gedeihen k?nnen.
Was hilft ein sch?ner Hafen, wenn nichts Rares drinnen steckt?--
Im August 1848 kehrte ich freiwillig in die Heimath zurück und stellte mich bei den Gerichten derselben Stadt, in der ich meine politischen oder unpolitischen H?rner zuerst abgerannt, n?mlich in Freiburg. Ein talentvoller und im traurigen Juristengewerbe wahrscheinlich noch nicht genug verh?rteter Untersuchungsrichter schien den ehrlichen Gest?ndnissen hinsichtlich meiner pers?nlichen Theilnahme an hochverr?therischen Unternehmungen Glauben zu schenken; ich konnte mich auf Thatsachen berufen, die mir zur Ehre gereichten und der Umstand, da? ich kurz vor dem unerwarteten Ausbruch des Struveputsches freiwillig mich gestellt, mochte viel dazu beitragen, da? ich auf die Liste der zu Amnestirenden gesetzt wurde.
Nach kurzer Haft bekam ich Stadtarrest und am 18. Oktober 1848 unter der Bedingung eines gesetzm??igen Verhaltens g?nzliche Amnestie.
Mit der immer verworrener und hoffnungsloser werdenden deutschen Politik mochte ich mir keine Mühe mehr geben, ein Doktorhut war mir gleichgültiger als eine Pfefferdute, etwas für die Menschheit und mich Ersprie?liches wollte und mu?te ich jedoch unternehmen, zog in eine entlegene Gegend des Landes und unterrichtete Kinder, deren Hauslehrer und Vater wegen des Heckerzuges in der Schweiz herumirrten.
Vom Herbste 1848 bis Mitte April 1849 führte ich ein friedliches und glückliches Schulmeisterleben, alsdann machte ich eine Ferienreise nach Freiburg, vorzüglich um den Prozessen einiger mir bekannten politischen Pers?nlichkeiten beizuwohnen und blieb bis zum Ausbruch des Maiaufstandes, an welchem ich mich wiederum betheiligte, obwohl in sehr untergeordneter Weise.
Wer sich von einem gro?müthigen Staatsoberhaupt unter der Bedingung eines gesetzm??igen Verhaltens begnadigen l??t und sp?ter doch wieder gegen seinen Wohlth?ter durch Theilnahme an einem Aufstande sich versündigt, ger?th bei allen Redlichen leicht in den Verdacht, sonderbare Begriffe von Ehre und jedenfalls ein weites Gewissen zu besitzen.
Wem Amnestie bei so schwerer Betheiligung an der Revolution zu Theil wurde, wie dies bei mir der Fall gewesen und wer zum zweitenmal, wenn auch in der untergeordnetsten Weise an einer Revolution sich betheiligt, geh?rt nach meiner Ansicht von Gott und Rechtswegen geradezu in ein entehrendes Zuchthaus.
Wie verh?lt sich dies nun bei mir? War ich des Zuchthauses nicht würdig?-- Wahrheit sei mein Leitstern und wer immer mich der geringsten Lüge zu zeihen vermag, soll den Antrag stellen, da? ich als der Gnade des Fürsten unwürdig wiederum ins Zuchthaus spedirt werde, um dort die an der Strafe geschenkten Jahre auszuhalten.
Weder mein Urtheil noch meine Richter kann und will ich im mindesten angreifen, ich beginge damit das gr??te, fragwürdigste Unrecht; aber gegen jenes Gesetz, welches rein politische Verbrecher, mit deren Handlungen weiter keine ehrlose That oder gar ein gemeines Verbrechen concurrirt, ins Zuchthaus spricht, glaube ich im Interesse der Menschheit, des Rechtes und meiner
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