Woyzeck | Page 5

Georg Büchner
B?rte - was wollt' ich doch sagen? Woyzeck: die langen B?rte ...
DOKTOR: Ein langer Bart unter dem Kinn, schon Plinius spricht davon, man mü?t es den Soldaten abgew?hnen ...
HAUPTMANN [f?hrt fort]: Ha, über die langen B?rte! Wie is, Woyzeck, hat Er noch nicht ein Haar aus einem Bart in seiner Schüssel gefunden? He, Er versteht mich doch? Ein Haar eines Menschen, vom Bart eines Sapeurs, eines Unteroffiziers, eines - eines Tambourmajors? He, Woyzeck? Aber Er hat eine brave Frau. Geht Ihm nicht wie andern.
WOYZECK: Jawohl! Was wollen Sie sagen, Herr Hauptmann?
HAUPTMANN: Was der Kerl ein Gesicht macht! ... Vielleicht nun auch nicht in der Suppe, aber wenn Er sich eilt und um die Eck geht, so kann er vielleicht noch auf ein Paar Lippen eins finden. Ein Paar Lippen, Woyzeck. Kerl, Er ist ja kreidewei?!
WOYZECK: hh, ich bin ein armer Teufel - und hab's sonst nichts auf der Welt. hh, wenn Sie Spa? machen -
HAUPTMANN: Spa? ich? Da? dich Spa?, Kerl!
DOKTOR: Den Puls, Woyzeck, den Puls! - Klein, hart, hüpfend, unregelm??ig.
WOYZECK: hh, die Erd is h?llenhei? - mir eiskalt, eiskalt - Die H?lle is kalt, wollen wir wetten. - - Unm?glich! Mensch! Mensch! Unm?glich!
HAUPTMANN: Kerl, will Er - will Er ein paar Kugeln vor den Kopf haben? Er ersticht mich mit seinen Augen, und ich mein' es gut mit Ihm, weil Er ein guter Mensch ist, Woyzeck, ein guter Mensch.
DOKTOR: Gesichtsmuskeln starr, gespannt, zuweilen hüpfend. Haltung aufgeregt, gespannt.
WOYZECK: Ich geh'. Es is viel m?glich. Der Mensch! Es is viel m?glich. - Wir haben sch?n Wetter, hh. Sehn Sie, so ein sch?ner, fester, grauer Himmel; man k?nnte Lust bekommen, ein' Kloben hineinzuschlagen und sich daran zu h?ngen, nur wegen des Gedankenstriches zwischen Ja und wieder Ja - und Nein. hh, Ja und Nein? Ist das Nein am Ja oder das Ja am Nein schuld? Ich will darüber nachdenken. - [Geht mit breiten Schritten ab, erst langsamer, dann immer schneller.]
HAUPTMANN: Mir wird ganz schwindlig vor den Menschen. Wie schnell! Der lange Schlingel greift aus, als l?uft der Schatten von einem Spinnbein, und der Kurze, das zuckelt. Der Lange ist der Blitz und der Kleine der Donner. Haha ... Grotesk! grotesk!

Mariens Kammer
[Marie. Woyzeck.]
WOYZECK [sieht sie starr an und schüttelt den Kopf]: Hm! Ich seh' nichts, ich seh nichts. O man mü?t's sehen, man mü?t's greifen k?nne mit F?usten!
MARIE [verschüchtert]: Was hast du, Franz? - Du bist hirnwütig, Franz.
WOYZECK: Eine Sünde, so dick und so breit - es stinkt, da? man die Engelchen zum Himmel hinausr?uchern k?nnt'! Du hast ein' roten Mund, Marie. Keine Blase drauf? Wie, Marie, du bist sch?n wie die Sünde - kann die Totsünde so sch?n sein?
MARIE: Franz, du redest im Fieber!
WOYZECK: Teufel! - Hat er da gestanden? So? So?
MARIE: Dieweil der Tag lang und die Welt alt is, k?nnen viele Menschen an einem Platz stehen, einer nach dem andern.
WOYZECK: Ich hab ihn gesehn!
MARIE: Man kann viel sehn, wenn man zwei Auge hat und nicht blind is und die Sonn scheint.
WOYZECK: Mensch! - [Geht auf sie los.]
MARIE: Rühr mich an, Franz! Ich h?tt' lieber ein Messer in den Leib als deine Hand auf meiner. Mein Vater hat mich nit anzugreifen gewagt, wie ich zehn Jahre alt war, wenn ich ihn ansah.
WOYZECK: Weib! - Nein, es mü?te was an dir sein! Jeder Mensch ist ein Abgrund; es schwindelt einem, wenn man hinabsieht. - Es w?re! Sie geht wie die Unschuld. Nun, Unschuld, du hast ein Zeichen an dir. Wei? ich's? Wei? ich's? Wer wei? es? - [Er geht.]

Die Wachstube.
[Woyzeck. Andres.]
ANDRES [singt]: Frau Wirtin hat ne brave Magd, sie sitzt im Garten Tag und Nacht, sie sitzt in ihrem Garten ...
WOYZECK: Andres!
ANDRES: Nu?
WOYZECK: Sch?n Wetter.
ANDRES: Sonntagswetter - Musik vor der Stadt. Vorhin - sind die Weibsbilder hinaus; die Mensche dampfe, das geht!
WOYZECK [unruhig]: Tanz, Andres, sie tanze!
ANDRES: Im R?ssel und in Sternen.
WOYZECK: Tanz, Tanz!
ANDRES: Meinetwege. Sitzt in ihrem Garten, bis dass das Gl?cklein zw?lfe schl?gt, und pa?t auf die Solda-aten.
WOYZECK: Andres, ich hab' kei Ruh.
ANDRES: Narr!
WOYZECK: Ich mu? hinaus. Es dreht sich mir vor den Augen. Tanz, Tanz! Wird sie hei?e H?nd habe! Verdammt, Andres!
ANDRES: Was willst du?
WOYZECK: Ich mu? fort, mu? sehen.
ANDRES: Du Unfried! Wegen dem Mensch?
WOYZECK: Ich mu? hinaus, 's is so hei? dahie.

Wirtshaus
[Die Fenster offen, Tanz. B?nke vor dem Haus. Bursche.]
ERSTER HANDSWERKSBURSCH: Ich hab' ein Hemdlein an, das ist nicht mein; meine Seele stinkt nach Branndewein -
ZWEITER HANDWERKSBURSCH: Bruder, soll ich dir aus Freundschaft ein Loch in die Natur machen? Vorw?rts! Ich will ein Loch in die Natur maehen! Ich bin auch ein Kerl, du wei?t - ich will ihm alle Fl?h am Leib totschlagen.
ERSTER HANDWERKSBURSCH: Meine Seele, meine Seele stinkt nach Branndewein! - Selbst das Geld geht in Verwesung über! Vergi?meinnicht, wie ist diese Welt so sch?n! Bruder, ich mu? ein Regenfa? voll greinen vor Wehmut. Ich wollt', unsre Nasen w?ren zwei Bouteillen, und wir k?nnten sie uns
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