wissen, was man mit ihnen etwa machen
muß. Sie würden ihr gewiß einmal ein Wörtlein sagen, wenn sie etwa
vorbeikommt, nicht wahr, Frau Doktorin?«
»Ja, das will ich schon gern tun; und wie ist es denn mit den Elsli, kann
es die Mutter gut mit ihm?«
»Ja, sehen Sie, das ist so«, und der Heiri kam, um sich recht
verständlich zu machen, noch ein wenig näher an die Hecke heran;
»das Kind ist mehr so wie ich und gibt nach und hat nicht so seine
eigenen Sachen im Kopf, wie das Gritli sie hatte, und so seinen
Eigenwillen. Es tut akkurat, was die Marget will, und hat kein
Widerwörtlein den ganzen Tag und klagt nie, und wenn es auch von
dem an, daß es aus der Schule kommt, bis es ins Bett muß, immer zu
helfen hat und die Buben hüten und das Kleine herumtragen muß.«
»Nur auch nicht zu viel, Heiri«, mahnte bekümmert die Frau Doktorin;
»es ist mir eine rechte Sorge mit dem Kinde. Schickt mir die Marget
bald einmal vorbei, ich möchte auch darüber ein Wort mit ihr reden;
sagt ihr, ich habe ihr für die Kinder etwas abzugeben, entwachsene
Röckchen von den meinigen.«
»Das will ich gern tun, und nun will ich, denk' ich, wieder weiter. So
schlafen Sie wohl, Frau Doktorin, und nichts für ungut und wünsche
nur, daß alles gut weiter gedeihe im Gemüsegarten.«
»Danke! Gute Nacht, Heiri!« Noch einmal wurde über die Hecke hin
ein Händedruck gewechselt, dann zog Heiri seine Straße weiter.
Die Frau Doktorin blieb sinnend zwischen den Gemüsebeeten stehen;
aber ihre Gedanken waren nicht mehr mit den grünen Kräutlein
beschäftigt, auf die ihre Augen niederschauten. Heiris Erscheinung und
Gespräch hatte frühere Tage in ihrer Seele wachgerufen. Sie sah ein
fröhliches Kindergesicht mit großen braunen Augen neben sich und
schaute eben mit Verwunderung zu, wie zwei gewandte Hände ein
Vergißmeinnicht vorn ins Röckchen und nun noch eins ins Haar
steckten, und wie gut das aussah. Das Kind war das Gritli, das neben
ihr am Bache saß, wo sie beide eben die blauen Blumen in Fülle
gepflückt hatten und sie nun zu Sträußen banden. Das Gritli war armer
Leute Kind, aber immer sah es gut und außerordentlich sauber und glatt
gekämmt aus, und immer hatte es da und dort ein Blümchen oder ein
Schleifchen aufgesteckt, und immer sah es aus, als sei es zu einem
kleinen Fest geschmückt, wenn es noch so einfache Kleider auf sich
trug. Viele schalten das Gritli darum und andere verlachten es; das
änderte aber nichts: es war ein tiefes Bedürfnis in dem Gritli, etwas
Schönes an sich zu haben, und was auch die Leute sagten, unausgesetzt
ging das Gritli mit einem Blümchen oder Bändchen geschmückt einher
und sah aus, als komme es eben vom Maler, der es zurechtgeputzt, um
ein Bildchen aus ihm zu machen. Mit achtzehn Jahren heiratete es den
gutmütigen Heiri, der das Gritli schon immer gern gehabt und ihm
oftmals gesagt hatte, er wolle schon für beide arbeiten, wenn es nur
seine Frau werden wolle. Schon nach fünf Jahren welkte das
zartgebaute Gritli an der Schwindsucht dahin. Seine beiden Kinder, der
vierjährige Stephan und das dreijährige Elsli, waren von der jungen
Mutter vom ersten Augenblick an so schmuck und sauber gehalten
worden, daß es den Kindern tief eingeprägt blieb. Der Heiri mußte aber
für seine zwei kleinen Kinder wieder eine Mutter haben, und die Leute
sagten ihm, er müsse die Marget zur Frau nehmen, denn sie werde ihm
gut helfen in aller Arbeit. So wurde die Marget seine Frau und war
tüchtig und fest in jeder Arbeit; aber auf Schmuck und Blumen hielt sie
nichts und eine besondere Sauberkeit sah sie für unnötig und als eine
Zeitvergeudung an, und so bekam Heiris Haushalt einen anderen
Charakter. Die drei kleinen Buben und das Kleine in der Wiege sahen
nicht aus, wie der Fani und das Elsli ausgesehen hatten als kleine
Kinder und auch jetzt noch aussahen, denn die erste Gewohnheit war
ihnen geblieben.
Aus diesen Gedanken, die so einer nach dem anderen in der sinnenden
Frau aufgestiegen waren, wurde sie durch ein fürchterliches Geschrei
aufgeschreckt, das vom Hause her ertönte. Jetzt stürzte, fortwährend
aus vollem Halse schreiend, das achtjährige Rikli, um die Ecke
kommend, auf sie los, hinter ihr her der Bruder Fred, ein großes Buch
unter dem linken Arm, den rechten mit geschlossener Faust
ausstreckend.
»Rikli, nicht so maßlos«, mahnte die Mutter; »komm doch zu dir. Was
ist denn geschehen?«
Rikli schrie fort und steckte ihren Kopf ins Kleid der Mutter hinein.
»Jetzt sieh doch, Mama, warum das vernunftlose Wesen sich so
gebärdet«, berichtete der herzugerannte Fred; »hier sieh, dieses
niedliche Fröschlein habe ich gefangen und dem Rikli unter die Augen
gehalten, daß es das Tierlein bewundern könne, und nun will ich dir
gleich lesen, welch ein merkwürdiges Exemplar es ist. Sieh nur, sieh!«
Fred hielt seine
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