der Brief geschlossen war, ein langes Selbstgespr?ch zu unterhalten, in welchem er den Inhalt des Schreibens rekapitulierte und sich eine t?tige und w��rdige Zukunft ausmalte. Das Beispiel so vieler edlen Krieger hatte ihn angefeuert, die Shakespearische Dichtung hatte ihm eine neue Welt er?ffnet, und von den Lippen der sch?nen Gr?fin hatte er ein unaussprechliches Feuer in sich gesogen. Das alles konnte, das sollte nicht ohne Wirkung bleiben.
Der Stallmeister kam und fragte, ob sie mit Einpacken fertig seien. Leider hatte au?er Melina noch niemand daran gedacht. Nun sollte man eilig aufbrechen. Der Graf hatte versprochen, die ganze Gesellschaft einige Tagereisen weit transportieren zu lassen, die Pferde waren eben bereit und konnten nicht lange entbehrt werden. Wilhelm fragte nach seinem Koffer; Madame Melina hatte sich ihn zunutze gemacht; er verlangte nach seinem Gelde, Herr Melina hatte es ganz unten in den Koffer mit gro?er Sorgfalt gepackt. Philine sagte: "Ich habe in dem meinigen noch Platz", nahm Wilhelms Kleider und befahl Mignon, das ��brige nachzubringen. Wilhelm mu?te es, nicht ohne Widerwillen, geschehen lassen.
Indem man aufpackte und alles zubereitete, sagte Melina: "Es ist mir verdrie?lich, da? wir wie Seilt?nzer und Marktschreier reisen; ich w��nschte, da? Mignon Weiberkleider anz?ge und da? der Harfenspieler sich noch geschwinde den Bart scheren lie?e." Mignon hielt sich fest an Wilhelm und sagte mit gro?er Lebhaftigkeit: "Ich bin ein Knabe: ich will kein M?dchen sein!" Der Alte schwieg, und Philine machte bei dieser Gelegenheit ��ber die Eigenheit des Grafen, ihres Besch��tzers, einige lustige Anmerkungen. "Wenn der Harfner seinen Bart abschneidet", sagte sie, "so mag er ihn nur sorgf?ltig auf Band n?hen und bewahren, da? er ihn gleich wieder vornehmen kann, sobald er dem Herrn Grafen irgendwo in der Welt begegnet: denn dieser Bart allein hat ihm die Gnade dieses Herrn verschafft."
Als man in sie drang und eine Erkl?rung dieser sonderbaren ?u?erung verlangte, lie? sie sich folgendergestalt vernehmen: "Der Graf glaubt, da? es zur Illusion sehr viel beitrage, wenn der Schauspieler auch im gemeinen Leben seine Rolle fortspielt und seinen Charakter souteniert; deswegen war er dem Pedanten so g��nstig, und er fand, es sei recht gescheit, da? der Harfner seinen falschen Bart nicht allein abends auf dem Theater, sondern auch best?ndig bei Tage trage, und freute sich sehr ��ber das nat��rliche Aussehen der Maskerade."
Als die andern ��ber diesen Irrtum und ��ber die sonderbaren Meinungen des Grafen spotteten, ging der Harfner mit Wilhelm beiseite, nahm von ihm Abschied und bat mit Tr?nen, ihn ja sogleich zu entlassen. Wilhelm redete ihm zu und versicherte, da? er ihn gegen jedermann sch��tzen werde, da? ihm niemand ein Haar kr��mmen, viel weniger ohne seinen Willen abschneiden solle.
Der Alte war sehr bewegt, und in seinen Augen gl��hte ein sonderbares Feuer. "Nicht dieser Anla? treibt mich hinweg", rief er aus; "schon lange mache ich mir stille Vorw��rfe, da? ich um Sie bleibe. Ich sollte nirgends verweilen, denn das Ungl��ck ereilt mich und besch?digt die, die sich zu mir gesellen. F��rchten Sie alles, wenn Sie mich nicht entlassen, aber fragen Sie mich nicht, ich geh?re nicht mir zu, ich kann nicht bleiben."
"Wem geh?rst du an? Wer kann eine solche Gewalt ��ber dich aus��ben?"
"Mein Herr, lassen Sie mir mein schaudervolles Geheimnis, und geben Sie mich los! Die Rache, die mich verfolgt, ist nicht des irdischen Richters; ich geh?re einem unerbittlichen Schicksale; ich kann nicht bleiben, und ich darf nicht!"
"In diesem Zustande, in dem ich dich sehe, werde ich dich gewi? nicht lassen."
"Es ist Hochverrat an Ihnen, mein Wohlt?ter, wenn ich zaudre. Ich bin sicher bei Ihnen, aber Sie sind in Gefahr. Sie wissen nicht, wen Sie in Ihrer N?he hegen. Ich bin schuldig, aber ungl��cklicher als schuldig. Meine Gegenwart verscheucht das Gl��ck, und die gute Tat wird ohnm?chtig, wenn ich dazutrete. Fl��chtig und unstet sollt ich sein, da? mein ungl��cklicher Genius mich nicht einholet, der mich nur langsam verfolgt und nur dann sich merken l??t, wenn ich mein Haupt niederlegen und ruhen will. Dankbarer kann ich mich nicht bezeigen, als wenn ich Sie verlasse."
"Sonderbarer Mensch! du kannst mir das Vertrauen in dich so wenig nehmen als die Hoffnung, dich gl��cklich zu sehen. Ich will in die Geheimnisse deines Aberglaubens nicht eindringen; aber wenn du ja in Ahnung wunderbarer Verkn��pfungen und Vorbedeutungen lebst, so sage ich dir zu deinem Trost und zu deiner Aufmunterung: geselle dich zu meinem Gl��cke, und wir wollen sehen, welcher Genius der st?rkste ist, dein schwarzer oder mein wei?er!"
Wilhelm ergriff diese Gelegenheit, um ihm noch mancherlei Tr?stliches zu sagen; denn er hatte schon seit einiger Zeit in seinem wunderbaren Begleiter einen Menschen zu sehen geglaubt, der durch Zufall oder Schickung eine gro?e Schuld auf sich geladen hat und nun die Erinnerung derselben immer mit sich fortschleppt. Noch vor wenigen Tagen hatte Wilhelm seinen Gesang behorcht und folgende Zeilen wohl bemerkt:
Ihm f?rbt der Morgensonne Licht Den reinen Horizont mit Flammen, Und ��ber seinem schuld'gen Haupte bricht Das sch?ne
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