Trost und zu deiner Aufmunterung: geselle dich
zu meinem Glücke, und wir wollen sehen, welcher Genius der stärkste
ist, dein schwarzer oder mein weißer!"
Wilhelm ergriff diese Gelegenheit, um ihm noch mancherlei
Tröstliches zu sagen; denn er hatte schon seit einiger Zeit in seinem
wunderbaren Begleiter einen Menschen zu sehen geglaubt, der durch
Zufall oder Schickung eine große Schuld auf sich geladen hat und nun
die Erinnerung derselben immer mit sich fortschleppt. Noch vor
wenigen Tagen hatte Wilhelm seinen Gesang behorcht und folgende
Zeilen wohl bemerkt:
Ihm färbt der Morgensonne Licht Den reinen Horizont mit Flammen,
Und über seinem schuld'gen Haupte bricht Das schöne Bild der ganzen
Welt zusammen.
Der Alte mochte nun sagen, was er wollte, so hatte Wilhelm immer ein
stärker Argument, wußte alles zum besten zu kehren und zu wenden,
wußte so brav, so herzlich und tröstlich zu sprechen, daß der Alte selbst
wieder aufzuleben und seinen Grillen zu entsagen schien.
IV. Buch, 2. Kapitel
Zweites Kapitel
Melina hatte Hoffnung, in einer kleinen, aber wohlhabenden Stadt mit
seiner Gesellschaft unterzukommen. Schon befanden sie sich an dem
Orte, wohin sie die Pferde des Grafen gebracht hatten, und sahen sich
nach andern Wagen und Pferden um, mit denen sie weiterzukommen
hofften. Melina hatte den Transport übernommen und zeigte sich nach
seiner Gewohnheit übrigens sehr karg. Dagegen hatte Wilhelm die
schönen Dukaten der Gräfin in der Tasche, auf deren fröhliche
Verwendung er das größte Recht zu haben glaubte, und sehr leicht
vergaß er, daß er sie in der stattlichen Bilanz, die er den Seinigen
zuschickte, schon sehr ruhmredig aufgeführt hatte.
Sein Freund Shakespeare, den er mit großer Freude auch als seinen
Paten anerkannte und sich nur um so lieber Wilhelm nennen ließ, hatte
ihm einen Prinzen bekannt gemacht, der sich unter geringer, ja sogar
schlechter Gesellschaft eine Zeitlang aufhält und ungeachtet seiner
edlen Natur an der Roheit, Unschicklichkeit und Albernheit solcher
ganz sinnlichen Bursche sich ergötzt. Höchst willkommen war ihm das
Ideal, womit er seinen gegenwärtigen Zustand vergleichen konnte, und
der Selbstbetrug, wozu er eine fast unüberwindliche Neigung spürte,
ward ihm dadurch außerordentlich erleichtert.
Er fing nun an, über seine Kleidung nachzudenken. Er fand, daß ein
Westchen, über das man im Notfall einen kurzen Mantel würfe, für
einen Wanderer eine sehr angemessene Tracht sei. Lange, gestrickte
Beinkleider und ein Paar Schnürstiefeln schienen die wahre Tracht
eines Fußgängers. Dann verschaffte er sich eine schöne seidne Schärpe,
die er zuerst unter dem Vorwande, den Leib warm zu halten, umband;
dagegen befreite er seinen Hals von der Knechtschaft einer Binde und
ließ sich einige Streifen Nesseltuch ans Hemde heften, die aber etwas
breit gerieten und das völlige Ansehen eines antiken Kragens erhielten.
Das schöne seidne Halstuch, das gerettete Andenken Marianens, lag
nur locker geknüpft unter der nesseltuchnen Krause. Ein runder Hut mit
einem bunten Bande und einer großen Feder machte die Maskerade
vollkommen.
Die Frauen beteuerten, diese Tracht lasse ihm vorzüglich gut. Philine
stellte sich ganz bezaubert darüber und bat sich seine schönen Haare
aus, die er, um dem natürlichen Ideal nur desto näherzukommen,
unbarmherzig abgeschnitten hatte. Sie empfahl sich dadurch nicht übel,
und unser Freund, der durch seine Freigebigkeit sich das Recht
erworben hatte, auf Prinz Harrys Manier mit den übrigen umzugehen,
kam bald selbst in den Geschmack, einige tolle Streiche anzugeben und
zu befördern. Man focht, man tanzte, man erfand allerlei Spiele, und in
der Fröhlichkeit des Herzens genoß man des leidlichen Weins, den man
angetroffen hatte, in starkem Maße, und Philine lauerte in der
Unordnung dieser Lebensart dem spröden Helden auf, für den sein
guter Genius Sorge tragen möge.
Eine vorzügliche Unterhaltung, mit der sich die Gesellschaft besonders
ergötzte, bestand in einem extemporierten Spiel, in welchem sie ihre
bisherigen Gönner und Wohltäter nachahmten und durchzogen. Einige
unter ihnen hatten sich sehr gut die Eigenheiten des äußern Anstandes
verschiedner vornehmer Personen gemerkt, und die Nachbildung
derselben ward von der übrigen Gesellschaft mit dem größten Beifall
aufgenommen, und als Philine aus dem geheimen Archiv ihrer
Erfahrungen einige besondere Liebeserklärungen, die an sie geschehen
waren, vorbrachte, wußte man sich vor Lachen und Schadenfreude
kaum zu lassen.
Wilhelm schalt ihre Undankbarkeit; allein man setzte ihm entgegen,
daß sie das, was sie dort erhalten, genugsam abverdient und daß
überhaupt das Betragen gegen so verdienstvolle Leute, wie sie sich zu
sein rühmten, nicht das beste gewesen sei. Nun beschwerte man sich,
mit wie wenig Achtung man ihnen begegnet, wie sehr man sie
zurückgesetzt habe. Das Spotten, Necken und Nachahmen ging wieder
an, und man ward immer bitterer und ungerechter.
"Ich wünschte", sagte Wilhelm darauf, "daß durch eure äußerungen
weder Neid noch Eigenliebe durchschiene und daß ihr jene Personen
und ihre Verhältnisse aus dem rechten Gesichtspunkte betrachtetet. Es
ist eine eigene Sache, schon durch die Geburt auf einen erhabenen Platz
in der menschlichen Gesellschaft gesetzt zu sein. Wem ererbte
Reichtümer eine vollkommene Leichtigkeit des Daseins verschafft
haben,
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