damals den Namen Marie. Sein
Papa machte daraus ein Miezchen, und Otto hat den Namen noch recht
unnütz vervielfältigt."
"O nein, Mama, wirklich nicht unnütz", rief Otto ernsthaft. "Siehst du,
Onkel, das geht nach ganz bestimmten Regeln. Wenn das kleine Ding
ordentlich und sanftmütig ist, dann nenne ich es Miezchen. Das
geschieht aber selten, und im gewöhnlichen Leben nenne ich es daher
Miezi. Wird es aber böse, dann sieht es ganz aus wie ein kleiner wilder
Kater und muß Miez genannt werden, der Miez."
"Ja, ja, Otto", tönte es nun zurück, "und wenn du böse wirst, dann
siehst du ganz aus wie ein--wie ein..."
"Wie ein Mann", ergänzte Otto, und da dem Miezchen eben kein
Vergleich einfiel, so arbeitete es jetzt um so emsiger an seinem Brei
herum.
Der Onkel lachte laut auf. "Das Miezchen hat recht", rief er, "es ist
besser, sich um seine Geschäfte zu kümmern, als auf Schmähungen zu
antworten." "Aber, Kinder", setzte er nach einer Weile hinzu, "nun bin
ich fast ein Jahr nicht hier gewesen, und ihr habt mir noch gar nichts
erzählt. Was habt ihr denn inzwischen alles erlebt?"
Die neuesten Ereignisse erfüllten zunächst den Sinn der Kinder. So
wurde gleich mit großer Lebhaftigkeit, meistens im Chor, die eben
erlebte Geschichte erzählt, wie der Chäppi das Wiseli behandelt hatte,
wie es fror und im Schnee stand und keinen Schlitten hatte und endlich
doch noch zu zwei Fahrten kam.
"So ist's recht, Otto", sagte der Papa. "Du mußt deinem Namen Ehre
machen, für die Wehrlosen und Verfolgten mußt du dich immer
einsetzen. Wer ist das Wiseli?"
"Du kannst das Kind und seine Mutter kaum kennen", sagte die Mama,
zu ihrem Mann gewandt. "Aber der Onkel Max kennt Wiselis Mutter
recht gut. Du kannst dich doch noch auf den mageren Leineweber
besinnen, Max, der unser Nachbar war. Er hatte ein einziges Kind mit
großen braunen Augen, das oft bei uns im Pfarrhaus war und so schön
singen konnte. Erinnerst du dich?"
Bevor aber die weiteren Erinnerungen besprochen wurden, steckte die
alte Trine ihren Kopf zur Tür herein und rief: "Der Schreiner Andres
möchte gern der Frau Oberst einen Bericht abgeben, wenn er nicht
stört." Diese harmlosen Worte verursachten große Verwirrung in der
Gesellschaft. Die Mutter legte den Servierlöffel, mit dem sie soeben
dem Onkel entgegenkommen wollte, beiseite und sagte eilig:
"Entschuldigt mich!" Rasch ging sie hinaus. Otto sprang so stürmisch
auf, daß er seinen Stuhl umwarf und dann selbst darüber stürzte, als er
davonlaufen wollte. Das Miezchen hatte ähnliche Taten vor, aber der
Onkel hatte seine ersten Bewegungen zum Aufruhr gesehen und hielt
es nun mit beiden Armen fest. Aber es zappelte jämmerlich und schrie:
"Laß los, Onkel, laß los. Im Ernst, ich muß gehen."
"Wohin denn, Miezchen?"
"Zum Schreiner Andres. Laß schnell los! Hilf mir, Papa."
"Wenn du mir sagst, was du vom Schreiner Andres willst, so lasse ich
dich los."
"Das Schaf hat nur noch zwei Beine und keinen Schwanz, und nur der
Schreiner Andres kann ihm helfen. Jetzt laß los." Nun stürmte auch das
Miezchen fort. Die Herren schauten einander an, und Onkel Max brach
in Gelächter aus und rief: "Wer ist denn der Schreiner Andres, um den
deine ganze Familie sich zu reißen scheint ?"
"Das mußt du besser wissen als ich", entgegnete der Oberst. "Es wird
wohl ein Jugendfreund von dir sein und das Fieber der Verehrung wird
auch dich noch ergreifen. Es muß in eurer Familie sein, bei uns hat es
die Mutter verbreitet. Ich kann dir so viel sagen, daß der Schreiner
Andres der Grundstein meines Hauses ist, auf dem alles feststeht. Und
sicher werde alles auseinanderbrechen, sollte das Haus diesen Halt
verlieren. Der Schreiner Andres ist hier Rat, Trost, Heil und Hilfe in
der Bedrängnis. Will meine Frau ein Hausgerät haben, von dem sie gar
nicht weiß, wie es aussehen soll und wozu man es braucht--der
Schreiner Andres erfindet es und fertigt es an. Bricht Feuers- oder
Wassersnot in der Küche oder im Waschhaus aus, der Schreiner Andres
greift in die Elemente und bringt das Feuer ins Stocken und das Wasser
in Fluß. Macht mein Sohn einen recht dummen Streich, der Schreiner
Andres bringt alles wieder in Ordnung. Schmeißt meine Tochter das
sämtliche Hausgerät entzwei, der Schreiner Andres leimt es wieder
zusammen. So ist der Schreiner Andres die stützende Säule meines
Hauses, und wenn diese zusammenbrechen würde, so gingen wir alle in
Trümmer."
Die Mutter war inzwischen wieder eingetreten, und ihr zuliebe
schilderte der Vater die Verdienste des Schreiners Andres sehr
eingehend. Onkel Max lachte schallend.
"Lacht ihr nur! Lacht ihr nur!" sagte die Mutter. "Ich weiß schon, was
ich an dem Schreiner Andres habe."
"Und ich auch", bemerkte der Vater mit spöttischem Lächeln.
"Und ich auch!" behauptete das Miezchen herzhaft.
"Und ich auch!" sagte Otto seufzend, dem der Knöchel noch von
seinem Sturz über den Stuhl hin weh tat.
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