Weihnachtserzählungen | Page 6

Adolph Schwayer
sein zwischen uns, Herr Volkmar, und keine Verstellung. Wenn ich Ihnen weh getan habe ...?
Da richtete er sich trotzig auf. Und hart und herb stie? er die Worte hervor:
?Und deshalb haben Sie das alles getan? Aus Mitleid! Aus purem Mitleid!?
?Nein, Herr Volkmar!? entgegnete sie ernst und fest und ihre Stimme bebte in verhaltener Erregung. ?Nicht aus Mitleid! Ich hab's getan, weil ich Sie hochsch?tze, weil ich Ihnen gut bin, Herr Volkmar. Ich habs getan, weil ich Ihre Mutter lieb habe, so lieb haben kann, wie ich die meine lieb hatte, und ich habs getan, weil ich nicht mitanschauen kann, wenn gute edle Menschen leiden. Es fiel mir schwer, den ersten Schritt zu tun -- weil ich sah, da? Sie mir gut sind. Aber ich lie? mich nicht abschrecken. Das einmal erkannte Gute führ' ich aus, je früher, desto besser. Das ist das sch?nste Verm?chtnis meiner frühverstorbenen Mutter. Verzeihen Sie also, wenn ich Ihren Stolz ...?
?Um Gottes willen, nicht weiter, Fr?ulein Erna! Ich, ich bitte Sie um Verzeihung! Ich bin ja rauh geworden! Ich bitte Sie um Verzeihung!? Aus seiner Stimme konnte sie seine gemarterte Seele herausklingen h?ren.
Unf?hig, ein Wort hervorzubringen, reichte sie ihm wie bittend beide H?nde hin. Um ihre Lippen zuckte es.
Da kam es über ihn, er wu?te nicht wie. Leidenschaftlich erfa?te er die dargebotenen H?nde, schlang seine Arme um das holdselige Kind, pre?te es an seine Brust und kü?te es, kü?te es mit der ganzen Gier eines nach Glück und Liebe dürstenden Herzens.
Bleich und gel?hmt von unsagbarem Schreck, lehnte sie eine Weile an seiner Brust. Dann geschah etwas Unerwartetes: sie schlang pl?tzlich ihre Arme um seinen Nacken und kü?te ihn nicht minder hei? als er sie gekü?t hatte. Und unter stürzenden Tr?nen gestand sie ihm:
?Ich liebe dich. Ich liebe dich unaussprechlich!?
Da fa?te er sie an der Schulter, schob sie von sich weg, und sah ihr ins erglühte Angesicht wie ein Wahnsinniger.
?Du liebst mich ... Und doch hast du dich mit einem anderen verlobt!?
?Es war der letzte Wunsch meiner sterbenden Mutter. Sie glaubte fest, ich werde glücklich sein mit dem ernsten stillen Vetter Alfred. Drei Jahre schon verschiebe ich die offizielle Verlobung. Ich hab das getan, weil ich an seiner Seite immer so still wurde, wie er selbst ist. Dem Vater aber sagte ich immer, ich sei noch zu jung ...?
?Und jetzt, jetzt hast du's doch getan weil du mich ...?
?Weil ich gefürchtet hab, ich k?nne nicht mehr die Kraft aufbringen ... O, wü?test du, was ich gelitten hab die ganze Zeit her!?
?Das darf nicht sein! Das darf nicht geschehen! Du darfst nicht das Opfer deiner Kindesliebe werden! Liebst du ihn denn, diesen stillen Herrn Vetter??
?Ich bin ihm gut, ja. Aber was Liebe ist, wei? ich erst durch dich.?
?Dann seh er sich vor, dieser Herr Vetter Schweigsam! Mein bist du! Mein durch die Kraft und Heiligkeit unserer Liebe! Darum will ich dich erk?mpfen wenn's sein mu? mit dem Einsatz meines Lebens!?
?Das wird nicht n?tig sein!? sagte da pl?tzlich eine fremde M?nnerstimme.
Erstaunt und betroffen sahen sich beide um.
?Alfred!? Bleich und starr stand sie da.
?Mein Herr! Mein Name ist Theobald Volkmar.? Mustergültig f?rmliche Verbeugung, ein Blick, der alles sagte. Erwiederung weniger steif, aber ?tadellos?:
?Alfred Bründherr. Es braucht kein weiteres, Herr Volkmar. Ich bin meiner Base unbemerkt nachgegangen. Zuerst aus Neckerei, dann aus Neugierde. Dann dacht' ich, du k?nntest ja auch die liebe Frau Volkmar kennen lernen -- tret ein und h?re Ihre Stimme, mein Herr.? Kleine Pause. Die Blicke aller am Boden.
Alfred Bründherr fa?te sich zuerst: ?Sie haben ganz recht, Herr Volkmar: Erna darf nicht das Opfer ihrer Kindesliebe werden. Und ich,? hier wurde seine feine Stimme schneidend, ?ich will keine Frau, die mich nicht liebt.?
?H?tt' er l?ngst sehen k?nnen,? dachte Theobald bei sich und verbi? ein L?cheln. Erna aber unterdrückte es nicht; mild l?chelnd sah sie Alfred an und fragte: ?Sag mir, Alfred, f?llt's dir sehr schwer? Aufrichtig!?
?Schwer wird's mir schon; aber sicherlich nicht so schwer, wie es diesem Herrn da würde, mein' ich. Um es kurz zu machen: Ich gratuliere!?
?Und der Vater?? Die rasche Frage Ernas st?rte einigerma?en die gegenseitigen, grausam-eleganten Verneigungen der beiden Herren. Alfred l?chelte verbindlich.
?Den werd ich schon vorbereiten,? meinte er überlegen. ?So viel ich ihn kenne, wird er dem -- wahren Glücke? -- es zuckte bei diesen Worten seltsam um seine b?rtigen Mundwinkel -- ?seines Lieblings nicht im Wege stehn.? Und bitter-ernst fügte er hinzu: ?Es ist ja zum Glück das Schwierigste nicht zu überwinden: unsere Verlobung ist noch nicht ver?ffentlicht.?
?Das Schwierigste nennt er das! Und Glück!? blitzte es durch Theobald und ein scharfes Wort dr?ngte sich gegen seine Zungenspitze, ein Wort, von dem er wu?te, da? er es mit der Degenspitze werde einl?sen müssen. Aber wozu? Der Herr Vetter ist ja so entgegenkommend! Mit einem raschen Blicke unendlichen Wohlwollens umfa?te er die geschmeidige Gestalt des feinen glatten Mannes und sagte dann, in Miene und
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