Weihnachtserzählungen | Page 4

Adolph Schwayer
sie das anstellen werde, wisse sie vorl?ufig selbst noch nicht, hatte sie, sch?nen Eifers voll, ausgerufen, die Liebe, aber sie werde schon Mittel und Wege finden! O ja, sie werde sie schon finden! Sie m?chte denn doch sehen, ob Milde und N?chstenliebe und bessere Einsicht nicht über Stolz und Trotz siegten! Dabei setzte es auch einen kleinen Seitenhieb auf Theobald ab und der Mutter scharfes Auge merkte gar wohl, wie eine Glutwelle über des M?dchens Wangen flog -- merkte das trotz der eingetretenen D?mmerung. Mutteraugen sehen durch Nacht und Finsternis und sehen durch Berge und W?nde.
I? du nur ruhig weiter, dachte sie still bei sich, und such nur emsig das letzte, letzte Restchen der seltenen Speise zusammen und tunke mit dem frischen duftigen Brote nur so lange, bis die Teller dastehn, sauber und blank, als k?men sie eben aus dem Schranke.
Als er dies stille Werk getan, lehnte er sich behaglich zurück und blickte sehnsüchtig nach seiner Pfeife, der langen. Leise, ganz leise seufzte er dabei auf. Er wu?te ja, die Schachtel, die dort neben der Pfeife stand, war leer -- blank leer wie sein Teller ... und seine Tasche. Wie sollte er auch Tabak kaufen, wenn die Mutter, die liebe, kaum zu essen hatte!
?Was der Mensch doch gleich genu?süchtig ist, wenn er den Magen voll hat!? dachte er bei sich.
Die Mutter aber hatte den Sehnsuchtsblick bemerkt. L?chelnd stand sie auf, holte Pfeife und Schachtel herbei und klappte diese vor dem erstaunten Sohne auf -- plattvoll war sie mit duftendem Tabak, plattvoll!
Da gab es wieder einen Sturm, einen Freudensturm.
?Und wie hast du denn gleich die richtige Mischung gefunden, Mutting?? fragte er und dampfte gar behaglich darauf los.
?Ist's doch Vaters Mischung.?
Ein Hauch von Wehmut zog durch ihre Herzen, aber er trübte nicht: er vertiefte nur die stille Freude der beiden guten liebevollen Menschen.
Und jetzt fühlte Theobald erst so recht, da? es warm war in dem kleinen trauten Zimmerchen und sah, wie im Ofen sch?nfarbig die Glut verglimmte. Drau?en heulte der Sturm sein Siegeslied weiter und peitschte den wasserschweren Schnee kraftfroh und hohnwild an die Fensterscheiben.
?Heul du nur zu!? dachte Theobald, ?deine Musik hat das Schauerliche für mich verloren -- bis auf weiteres.?
Leise vor sich hinpfeifend, stand er auf, holte ein Buch herbei, setzte sich neben die Mutter hin und begann ihr vorzulesen, wie sie es liebte. Sie nahm eine N?harbeit zur Hand und h?rte, ganz Freude und ganz Aufmerksamkeit, dem Sohne zu, der so sch?n und so eindrucksvoll vorlas. Das war ein Abend wie schon lange keiner.
N?chsten Tages l?ste er seinen Winterrock aus und spottete nun der K?lte, die dem Sturme gefolgt war.
Und Fr?ulein Erna hatte auch nicht in den Wind geredet: die Antr?ge auf Stundenerteilung kamen. Gutbezahlte Stunden. Und taktvolle Leute. Die Jungens ausgesuchte Dummlinge, aber seelengute Kerle.
Klopfenden Herzens hatte er ihr bei schicklicher Gelegenheit gedankt, der guten Fee in seiner Not, und war glückselig erschrocken über den holden Klang ihrer Stimme, die er zum erstenmal zu h?ren bekam. Und hatte scharf gesp?ht und siegeskühn gehofft, ihre Wangen würden j?h erglühen, sü? verr?terisch erglühen; aber sie blieben wie sie waren -- um einen Schatten bleicher wurden sie eher. Da war er still und nachdenklich von ihr gegangen und blieb still und nachdenklich die ganzen Wochen hindurch, bis endlich die Zeit seligen Gebens herangekommen war -- die Weihnachtszeit.
Einiges Geld hatte er sich ja abgezwackt. Klein nur konnte die Gabe für Mütterchen werden -- aber er wu?te: ihre Freude war gro? auf alle F?lle.
Unter dem Gel?ute der Weihnachtsglocken ging er am heiligen Abend heim. Leicht war sein Gep?ck, aber voll sein Herz. Frohgemut blickte er auf zu den Sternen. Ob wohl auch der Stern seiner Hoffnung aufgehn -- und ob er Verkünder sein werde der Sonne seines Glückes ... Gott wei? es! Gott füg es!
Unten sah er noch flüchtig auf seine Uhr, die er nach einigen Semestern eifrigen ?Studierens? wieder ihrer eigentlichen Bestimmung zugeführt hatte. Es stimmte: sieben Uhr. Früher durfte er nicht kommen, hatte die Mutter feierlich geboten -- und wieder so eigen gel?chelt. Dabei zeigte sie die Grübchen auf den Wangen, die es einst seinem Vater angetan hatten.
Als er in den kleinen Vorraum trat, schimmerte durch die Türspalten Lichterglanz. Er klopfte. Die Mutter ?ffnete und meldete wichtig und geheimnisvoll: das Christkind sei gekommen.
Staunend sah er den Baum stehn, der gr??er war und reicher, als er hoffen konnte. Weh und wohl wurde ihm dabei ums Herz -- ist's Ernas Christkind? Kommt sie vielleicht heute selbst herauf und gibt das Herrlichste, das ihm auf Erden beschieden werden konnte?
Unbemerkt legte er seine Gaben neben die andern, die geheimnisvoll verdeckt waren, unter den Baum; beklommen sah er die Mutter an, die offenbar etwas sagen wollte, was ihr leicht vom Herzen, aber schwer über die Lippen ging. Die leuchtenden Augen kündeten es an, die zuckenden Finger redeten es schon.
?Was ist's?? fragte er unvermittelt und seine Stimme
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