Weihnachtserzählungen | Page 3

Adolph Schwayer
mir's! Oder ich geh fort! Ist's vom Onkel??
Wie seine Augen funkelten und seine Brauen sich zusammenzogen! Die Mutter kannte das. Verlegen, so ganz wundersam verlegen stand sie eine Weile da, zog an ihrer blühwei?en Schürze und hauchte endlich hervor:
?Nein, nicht vom Onkel.?
?Von wem denn? Hast du ...? Er blickte im Zimmer musternd herum. Sie wu?te, was er meinte.
?Nein, auch nicht. Es ist von ... von Fr?ulein Erna.?
Wie von einem Peitschenhiebe getroffen, zuckte der junge Mann zusammen. Bis in die Schnurrbartenden zitterte er. Erna war seines Hausherrn feines und sch?nes T?chterlein -- und er liebte das sch?ne feine Kind in aller Glut und Heimlichkeit.
?Almosen!? knurrte er und sank auf den Stuhl, da? er krachte.
Die Mutter stand betroffen da.
?Ich will keine Almosen!? brauste er auf, sprang empor und wollte nach dem dampfenden Teller greifen. Er h?tte ihn zu Boden geschmettert, w?re nicht die Mutter blitzschnell dazwischengetreten. Hart war er an sie herangekommen in seinem Ungestüm. Sie wankte, die zarte zierliche Frau, und mu?te sich an den Tischrand klammern, um nicht zu stürzen.
Da warf sich der Sohn auf den Stuhl zurück, lie? das Haupt auf den Tisch sinken und schluchzte herzergreifend.
Nun wurde auch das Auge der Mutter feucht. Und sie ahnte nicht einmal, was alles ihres Sohnes Seele in diesem Augenblick durchstürmte.
Langsam war sie auf ihn zugeschritten, legte ihre schmale wei?e Hand auf Theobalds zuckende Schulter und sagte mit der ganzen lieben Milde, die sie erfüllte:
?Schau Theo, du sollst nicht so sein. Nicht gar so stolz und so viel zornj?h.? Und als keine Antwort kam:
?Und das mit Fr?ulein Erna ist so einfach kommen und ist so sch?n von ihr, so lieb. H?r doch nur! Heut kommt sie auf einmal da herein zu mir in ihrer blonden Lieblichkeit -- wie ein Engel. Dann beginnt sie zu plaudern und sagt mir, sie habe gestern in einer Familie von unserem Vater reden h?ren -- so viel Gutes und so viel Sch?nes, da? sie sich fest vorgenommen habe ...?
?Uns Almosen anzubieten!? st?hnte Theobald auf.
?O nein!? erwiderte die Mutter sanft und l?chelte. ?Da? es uns nicht gl?nzend geht, ist ihr ja kein Geheimnis geblieben. Denk doch, wie schwer wir immer den Zins zusammen bringen und nie zum Termin. Und da? wir nichts dafür k?nnen für unser Kümmernis, das hat sie wohl selbst geglaubt. Gestern aber, sagt sie, habe sie es bestimmt erfahren. Und da ist sie gekommen und hat gesagt, sie habe bereits heute bei einigen Familien angeklopft, damit du dort Stunden kriegst. Hast du doch jetzt nur eine ... Ach, mein Gott! Fadenscheinige Kleider versperren einem die Türen zu den Reichen! Und deinen Doktor willst du ja doch machen. Und denk dir, gleich zwei haben zugesagt! Und wenn ... Ja siehst du, da hat sie gezeigt, was für ein gutes Herz sie hat -- wenn ich vorl?ufig, hat sie gemeint, Geld brauchen sollte -- sie, sie schie?e mir gern etwas vor. Und du -- du k?nntest es ja dann zurückerstatten, wenn ...?
?Das hat sie gesagt?? Theobald hatte sich aufgerichtet und schaute die Mutter forschend an.
Sie hielt seine Blicke stilll?chelnd aus und umschlo? mit den ihren voll Innigkeit des Sohnes sch?nen dunkelblonden Lockenkopf und freute sich -- wie schon so oft! -- seines scharf geschnittenen edellinigen und kühnen Schnittes. So sch?n war er und so stolz, so mannesmutig -- ach! so recht eine wahre Mutterfreude und Muttersorg. Aber das bleich werden sehen und darben sehen! Gott wei? es, was sie heimlich litt.
?Ja,? nickte sie dann, ?das hat sie gesagt -- und getan.?
Er war aufgesprungen und ging einige Male durchs Zimmer, hastig, unruhevoll, in voller Wucht. Und pl?tzlich packte er die Mutter, drückte sie an sein Herz und wirbelte sie darauf urschnell im Zimmer herum. Es war ein Glückseligkeitssturm, der mit j?her unbezwinglicher Gewalt durch sein Inneres gebraust kam -- ein Hoffnungssturm sondergleichen.
Aber diesem Glutsturme folgte rasch die l?hmende Ernüchterung und dieser ein herb-sü?es Bangen.
Still lie? er sich von der Mutter zum Abendessen führen, das fast erkaltet war. Als er so dasa? und mit sichtlichem Hunger -- jetzt schmeckte es ja nicht mehr so bitter, dieses harte Wort! -- und doch ganz in Gedanken versunken a?, schaute ihn die Mutter l?chelnd an. Und aus ihren Augen leuchtete ein solches Ueberma? von Liebe und Z?rtlichkeit, da? es ihn hei? durchlief, ohne da? er aufgeschaut und den Blick der Mutter in sich aufgenommen h?tte. Er langte nur nach ihrer Hand und streichelte sie z?rtlich.
Da glitt wieder ein schier schalkhaftes L?cheln über das kleine feine Gesicht der Mutter. Die hatte doch ihr Geheimnischen: sie hatte dem Fr?ulein Erna ihre ganze Lebensgeschichte erz?hlt. Sonst tat sie das nicht so leicht -- sie war auch ein wenig stolz! -- aber dem lieben M?dchen gegenüber konnte sie nicht anders. Das verschwieg sie dem Sohne. Wie würde der aufgefahren sein, wenn er anh?ren mü?te, Erna habe sich erboten, dem halsstarrigen Onkel ins Haus zu fallen! Wie
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