Was ihr wollt | Page 8

William Shakespeare
alt, ernsthafter Weise?
Viola. Von euerm Alter, Gnädigster Herr.
Herzog. So ist sie zu alt; ein Weibsbild soll immer einen ältern nehmen
als sie ist, so daurt sie ihn aus, und ist sicher, ihren Plaz in ihres
Mannes Herzen immer zu behalten. Denn, glaube mir, Junge, wir
mögen uns so schön machen als wir wollen, so sind doch unsre
Zuneigungen immer weit schwindlichter, unsteter, schwankender, und
leichter abgenuzt und verlohren, als der Weiber ihre.

Viola. Das denk' ich selbst, Gnädigster Herr.
Herzog. Wähle dir also eine Liebste die jünger als du bist, oder deine
Liebe wird von keiner Dauer seyn: Denn Weiber sind wie Rosen; in der
nemlichen Stunde, da ihre schöne Blume sich völlig entfaltet, fällt sie
ab.
Viola. Und so sind sie; wie schade, daß sie so sind! daß sie in dem
Augenblik sterben, worinn sie den Punkt ihrer Vollkommenheit
erreicht haben. (Curio und der Narr zu den Vorigen.)
Herzog. O, komm du, guter Freund--Das Lied von gestern
Nachts--Gieb Acht darauf, Cäsario, es ist alt und einfältig; die
Spinnerinnen und Strikerinnen, wenn sie an der Sonne bey ihrer Arbeit
sizen, und die muntern Webers-Mädchen, wenn sie zetteln, pflegen es
zu singen; es ist ein läppisches, kindisches Ding, aber es sympathisiert
mit der Unschuld der Liebe, wie man vor Alters liebte.
Narr. Seyd ihr fertig, Herr?
Herzog. Ja; sing, ich bitte dich. (Ein Lied.*)
Herzog. Hier ist was für deine Mühe.
Narr. Keine Mühe, Herr; singen ist ein Vergnügen für mich, Herr.
Herzog. So will ich dir dein Vergnügen bezahlen.
Narr. Das ist ein anders, Herr; Vergnügen will über kurz oder lange
bezahlt seyn.
Herzog. Du kanst nun wieder gehen, so schnell du willst.
Narr. Nun, der melancholische Gott der Liebe behüte dich, und der
Schneider mache dir ein Wamms von schielichtem Taft; denn dein
Gemüth ist ein wahrer Opal. Leute von solcher Standhaftigkeit müßte
man mir über Meer schiken, damit ihr Geschäfte allenthalben und ihr
Ziel nirgends wäre; denn das ist gerade was man braucht, um von einer
langen Reise nichts nach Hause zu bringen. Lebt wohl.

(Er geht ab.)
* Der Verfasser der Beurtheilung des ersten Theils dieser Übersezung,
in der Bibliothek der schönen Wissenschaften hat eine so glükliche
Probe mit einem Liede des Narren im König Lear gemacht, daß wir
ihm auch dieses Gassenhauerchen überlassen wollen. Es ist in der That
alles was Orsino davon sagt, aber es müßte, um nicht alles zu
verliehren in der Sprache Sebastian Brands oder einer noch ältern, in
der nemlichen oder einer ganz ähnlichen Versart, mit der nemlichen
Wahrheit der Erfindung, und tändelnden Einfalt des Ausdruks, übersezt
werden--eine Arbeit, welche vielleicht schwerer ist, als das feinste
Sonnet von einem Zappi, in Reime zu übersezen.

Sechste Scene.
Herzog. Macht uns Plaz ihr andern--Versuch es noch zum leztenmal,
Cäsario; geh noch einmal zu dieser schönen Unerbittlichen; sag ihr,
meine Liebe lege einer Menge von ausgebreiteten Erdschollen die man
Ländereyen heißt, keinen Werth bey; sag ihr, die Güter die das Glük ihr
zugelegt habe, seyen in meinen Augen so eitel als das Glük selbst; ihr
Gemüth allein, dieses Wunder, dieses unvergleichliche Kleinod, das die
Natur so schön gefaßt hat, ziehe meine Seele an, und wenn sie die
ganze Welt zum Brautschaz hätte, so würde sie in meinen Augen nicht
reizender seyn.
Viola. Aber wenn sie euch nun nicht lieben kan, Gn. Herr?
Herzog. Ich will keine solche Antwort haben.
Viola. Aber wie dann, wenn ihr müßt? Sezet den Fall, es gäbe eine
junge Dame, wie es vielleicht eine giebt, die aus Liebe zu euch diese
nemliche Quaal in ihrem Herzen fühlte, die ihr für Olivia fühlt; und ihr
könntet sie nicht lieben, und ihr sagtet ihr das; müßte sie sich diese
Antwort nicht gefallen lassen?
Herzog. Es giebt kein weibliches Herz das stark genug wäre, den Sturm
einer so heftigen Leidenschaft auszuhalten, wie die meinige ist--es

giebt keines, das groß genug wäre, eine solche Liebe zu fassen. Ihre
Liebe verdient mehr den Namen eines flüchtigen Gelusts, sie reizt nur
ihren Gaumen, nicht ihre Leber, und endigt sich bald durch
Überfüllungen Ekel und Abscheu; da die meinige hingegen so hungrig
ist wie die See, und eben so viel verdauen kan. Mache keine
Vergleichung zwischen der Liebe die ein Weibsbild für mich haben kan,
und der meinigen für Olivia.
Viola. Gut, und doch weiß ich--
Herzog. Was weißst du?
Viola. Nur zuwohl was für einer Liebe die Weibsbilder zu den
Mannsleuten fähig sind. Aufrichtig zu reden, sie haben so getreue
Herzen als wir immer. Mein Vater hatte eine Tochter die jemand so
sehr liebte, als ich vielleicht, wenn ich ein Weibsbild wäre, Euer
Gnaden lieben würde.
Herzog. Und was ist ihre Geschichte?
Viola. Ein weisses Blatt Papier: Nie entdekte sie ihre Liebe sondern
ließ ihr Geheimniß, gleich einem Wurm in der Knospe, an ihrer
Rosenwange nagen: Sie verschloß ihre Quaal in ihr Herz, und, in
blasser hinwelkender
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