Was ihr wollt | Page 9

William Shakespeare
Schwermuth, saß sie wie die Geduld auf einem
Grabmal, und lächelte ihren Kummer an. War das nicht Liebe, wahre
Liebe? Wir Männer mögen mehr reden, mehr schwören, aber daß wir
besser lieben, daran läßt sich zweiffeln, ohne uns Unrecht zu thun; wir
zeigen immer mehr als wir fühlen--und unsre Liebe ist oft desto
schwächer, je stärker wir sie ausdruken.
Herzog. Aber starb deine Schwester an ihrer Liebe, Junge?
Viola. Ich bin alle Töchter die von meines Vaters übrig sind, und alle
Brüder dazu--und doch weiß ich nicht--Gnädigster Herr, soll ich zu
dieser Dame gehen?
Herzog. Ja, das ist die Sache. Eile zu ihr; gieb ihr dieses Kleinod; sag
ihr, meine Liebe könne und werde sich nicht abtreiben lassen.

(Sie gehen ab.)

Siebende, achte und neunte Scene. (Jungfer Maria hatte mit den beyden
würdigen Junkern Sir Tobias und Sir Andreas, in der vierten Scene den
Plan zu einem kleinen Streich angelegt, den sie, zu ihrer allerseitigen
Belustigung, dem Malvolio, einem einbildischen, in sich selbst
verliebten, dummen und dabey sehr feyrlichen Gesellen, spielen
wollten. Dieses Complott wird nun in diesen dreyen Scenen ausgeführt.
Maria schreibt in ihrer Gebieterinn Namen einen Brief worinn Oliviens
Hand so gut als möglich nachgeahmt ist, und legt ihn an einen Ort, wo
ihn Malvolio finden muß. Man kan sich vorstellen, was für närrisches
Zeug ein solcher Bursche anzugeben fähig ist, da er Oliviens eigne
Hand dafür zu haben glaubt, daß sie sterblich in ihn verliebt sey. Alles
was wir aus diesem Intermezzo der Übersezung würdig halten, ist das
Gespräch des Malvolio das er mit sich selbst hält, eh und da er den
unterschobnen Brief findet, und aus welchem wir nur die
abgeschmakten Ausruffungen, Schwüre und Parenthesen weglassen,
welche die beyden Junkers a parte machen.)
(Die Scene ist in Olivias Garten.) (Maria zu Sir Tobias, Sir Andreas
und Fabian.)
Maria. Geht, verbergt euch alle drey in die Laube dort; Malvolio
kommt diesen Gang herauf; er stuhnd schon diese halbe Stunde lang
dort in der Sonne, und gesticulirte gegen seinem eignen Schatten--gebt
auf ihn acht, ich bitte euch, ihr werdet Spaß davon haben: Denn ich bin
sicher, dieser Brief wird ihn in die lächerlichste Betrachtungen
versenken--Haltet euch still, wenn ihr euch nicht selbst einen Spaß
verderben wollt--lieg du da--
(Sie wirft den Brief hin, und entfernt sich.)
(Malvolio tritt auf; mit sich selbst redend.)
Malvolio. Es kommt alles aufs Glük an, alles aufs Glük! Maria sagte
mir neulich, sie könne mich überaus wohl leiden, und ich habe selbst

gehört, daß sie sich herausgelassen hat, wenn sie sich verlieben wollte,
so müßt' es in einen von meiner Figur seyn. Überdem begegnet sie mir
immer mit einer gewissen Achtung, das sie sonst für keinen von ihren
Bedienten thut. Was soll ich von der Sache denken--das wäre mir eins,
Graf Malvolio--Man hat doch dergleichen Exempel--Die Princessin
von Thracien heurathete einen Bedienten von der Garderobe--Wenn ich
dann drey Monate mit ihr verheurathet wäre, und sässe da auf meinem
Guthe--und rieffe meine Officianten um mich herum, in meinem
ausgeschnittnen Samtnen Rok--nachmittags, vom Ruhbette
aufgestanden, wo ich Olivia schlafend gelassen hätte--und dann nähm
ich den Humor an den mein Stand erforderte; gienge, die Hände
kreuzweis auf den Rüken gelegt, ganz ernsthaft auf und ab, schaute sie
dann mit einem kalten, überhinfahrenden Blik an, und sagte ihnen, ich
wisse wer ich sey, und wünschte, sie möchten auch wissen wer sie
seyen--fragte nach meinem Onkel Tobias--Sechs oder Sieben von
meinen Leuten führen dann plözlich auf, und rennten einander nieder
vor Eilfertigkeit ihn aufzusuchen; indessen mach ich eine weil' ein
finstres Gesicht, ziehe vielleicht meine Uhr auf, oder tändle mit dem
Schaupfenning an der goldnen Kette, die ich um die Schultern hängen
habe--Dann kommt Tobias herbey, macht seine Verbeugungen sobald
er mich erblikt--ich streke meine Hand so gegen ihn aus, und lösche
mein vertrauliches Lächeln mit einem strengen herrischen Blik--sag
ihm, Onkel Tobias, da mein Schiksal mich eurer Nichte zugeworfen hat,
so hoff ich das Recht zu haben zu reden--ihr müßt euer starkes Trinken
lassen--und zudem verderbt ihr eure kostbare Zeit mit einem närrischen
Junker--einem gewissen Sir Andreas--He? was giebts hier zu thun?--
(Er hebt den Brief auf.)
Bey meinem Leben, das ist der Gnädigen Frau ihre Hand: Das sind ihre
natürlichen C., ihre U., und ihre T., und so macht sie ihre grosse P. Es
ist ihre Hand, da ist nicht dawider einzuwenden--(Dem Geliebten
Ungenannten dieses und meine Zärtlichsten Wünsche:) Das ist ihre
Schreib-Art: Mit Erlaubniß, Wachs. Sachte! Und das Sigel ihre
Lucretia, mit der sie alle ihre Briefe zu sigeln pflegt: An wen mag das
seyn?

(Das ich lieb', ist euch, ihr Götter, kund; aber wen, verschweige stets,
mein Mund) Das soll also ein Geheimniß seyn?--Seltsam! was folgt
weiter? Aber wen, verschweige stets mein Mund--wie wenn du das
wärest, Malvolio?--Sachte, hier haben wir auch Prosa--"Wenn dieses in
deine Hände kommt, so liese es mehr als ein mal. Mein
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