Was ihr wollt | Page 3

William Shakespeare
werdest da wie
eingewurzelt stehen bleiben, bis sie dir Gehör gebe.
Viola. Gnädigster Herr, wenn sie sich ihrer Betrübniß so sehr überläßt,
wie man sagt, so ist nichts gewissers, als daß sie mich nimmermehr
vorlassen wird.
Herzog. Du must ungestüm seyn, schreyen, und eher über alle

Höflichkeit und Anständigkeit hinüberspringen, als unverrichteter
Sachen zurük kommen.
Viola. Und gesezt, ich werde vorgelassen, Gnädigster Herr, was soll ich
sagen?
Herzog. O dann entfalte ihr die ganze Heftigkeit meiner Liebe; preise
ihr meine ungemeine Treue an; es wird dir wol anstehen, ihr mein
Leiden vorzumahlen; sie wird es von einem jungen Menschen, wie du,
besser aufnehmen, und mehr darauf Acht geben, als wenn ich einen
Unterhändler von ernsthafteren Ansehen gebrauchte.
Viola. Ich denke ganz anders, Gnädigster Herr.
Herzog. Glaube mir's, mein lieber Junge; deine Jugend wäre schon
genug, diejenigen lügen zu heissen, die dich einen Mann nennten.
Dianens Lippen sind nicht sanfter und rubinfarbiger als die deinigen;
deine Stimme ist wie eines Mädchens, zart und hell, und dein ganzes
Wesen hat etwas weibliches an sich. Ich bin gewiß, du bist unter einer
Constellation gebohren, die dich in solchen Unterhandlungen glüklich
macht; du wirst meine Sache besser führen, als ich selbst thun könnte.
Geh also, sey glüklich in deiner Verrichtung, und du sollst alles was
mein ist, dein nennen können.
Viola. Ich will mein Bestes thun, Gnädigster Herr--
(vor sich.)
Eine beschwerliche Commission! Ich soll ihm eine andre kuppeln, und
wäre lieber selbst sein Weib.
(Sie gehen ab.)

Sechste Scene. (Olivia's Haus.) (Maria und der Narr vom Hause treten
auf.)
(Maria schilt den Narren aus, daß er so lange ausgeblieben, und sagt

ihm, die Gnädige Frau werde ihn davor hängen lassen. Der Narr
erwiedert dieses Compliment mit Einfällen, an denen der Leser nichts
verliehrt; man weiß daß auch der allersinnreichste und
unerschöpflichste Hans Wurst doch endlich genöthiget ist, sich selbst
zu wiederholen, so gut als ein andrer wiziger Kopf; und so geht es
Shakespears Clowns oder Narren von Profeßion auch; sie haben ihre)
locos communes(, auf denen sie wie auf Steken-Pferden herumreiten,
wenn ihnen nichts bessers einfallen will; und dieser wird endlich der
Zuhörer und der Leser satt.)

Siebende Scene. (Olivia und Malvolio zu den Vorigen.)
Narr. O Verstand, sey so gut und hilf mir den Narren machen--Diese
gescheidten Leute, welche sich einbilden sie haben dich, beweisen sehr
oft daß sie Narren sind; und ich, bey dem es ausgemacht ist, daß ich
dich nicht habe, mag für einen weisen Mann gelten. Denn was sagt
Quinapalus? Besser ein wiziger Narr, als ein närrischer Wizling! Guten
Tag, Frau!
Olivia. Schaft mir den Narren weg.
Narr. Hört ihr's nicht, Kerls? Schaft mir die Frau weg.
Olivia. O, geh; du bist ein trokner Narr; ich habe deiner genug; zu
allem Überfluß wirst du zu deiner Albernheit noch ungesittet.
Narr. Das sind zween Fehler, die sich durch guten Rath und einen Krug
Halb-Bier verbessern lassen. Denn, gebt dem troknen Narren zu trinken,
so ist der Narr nicht mehr troken: Sagt dem ungesitteten Menschen, wie
er sich verbessern soll, so wird er nicht länger ungesittet seyn. Alle
Dinge in der Welt, die man ausbessert, werden geflikt; Tugend, die sich
vergeht, ist nur mit Sünde geflikt; und Sünde, die sich bessert, ist nur
mit Tugend geflikt. Wenn dieser einfältige Syllogismus die Sache
ausmacht, wol gut; wo nicht, was ist zu thun? Gleichwie kein andrer
wahrer Hahnrey ist als Elend; so ist Schönheit eine vergängliche Blume:
Die Gnädige Frau sagte, man solle den Narren wegschaffen, also sag

ich noch einmal, schafft sie weg.
Olivia. Sir, ich befahl daß man euch wegschaffen sollte.
Narr. Mißverstand im höchsten Grade Gnädiges Fräulein, (cucullus non
facit monachum;) das ist auf Deutsch: Mein Hirn sieht nicht so
buntschekicht aus als mein Rok: Liebe Madonna, wollt ihr mir erlauben,
euch zu beweisen, daß ihr eine Närrin seyd?
Olivia. Wie willt du das machen?
Narr. Gar geschikt, gute Madonna.
Olivia. Nun, so beweise dann.
Narr. Ich muß euch vorher catechisieren, Madonna, wenn ihr mir
antworten wollt.
Olivia. Gut, Sir, so schlecht der Zeitvertrieb ist, so wollen wir doch
euern Beweis hören.
Narr. Gute Madonna, warum traurest du?
Olivia. Um meinen Bruder, guter Narr.
Narr. Ich denke, seine Seele ist also in der Hölle, Madonna?
Olivia. Ich weiß, seine Seele ist im Himmel, Narr.
Narr. Eine desto grössere Närrin seyd ihr, Madonna, dafür zu trauern,
daß euer Bruder im Himmel ist; schaft mir die Närrin weg, meine
Herren.
Olivia. Was denkt ihr von diesem Narren, Malvolio? Verbessert er sich
nicht?
Malvolio. Ja, und wird sich verbessern bis ihm die Seele ausgehen wird.
Zunehmende Jahre machen den vernünftigen Mann abnehmen, und
verbessern hingegen den Narren, weil er je älter je närrischer wird.

Narr. Gott send' euch ein frühzeitiges Alter, Herr, um eure Narrheit
desto bälder zu ihrer Vollkommenheit zu bringen! Sir Tobias würde
schwören wenn man's verlangte, daß ich kein Fuchs sey; aber
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