Was ihr wollt | Page 4

William Shakespeare
er würde
sich nicht für zwey Pfenninge verbürgen, daß ihr kein Narr seyd.
Olivia. Was sagt ihr hiezu, Malvolio?
Malvolio. Mich wundert, wie Eu. Gnaden an einem so abgeschmakten
Schurken ein Belieben finden kan; ich sah ihn erst gestern von einem
alltäglichen Narren, der nicht mehr Hirn hatte als ein Stein, zu Boden
gelegt. Seht nur, er weiß sich schon nicht mehr zu helfen; wenn ihr
nicht vorher schon lacht, und ihm die Einfälle die er haben soll auf die
Zunge legt, so steht er da, als ob er geknebelt wäre. Ich versichre, diese
gescheidte Leute, die über die albernen Frazen dieser Art von
gedungenen Narren so krähen können, sind in meinen Augen die
Narren der Narren.
Olivia. O, ihr seyd am Eigendünkel krank, Malvolio, und habt einen
ungesunden Geschmak. Edelmüthige, schuldlose und aufgeräumte
Leute sehen diese Dinge für Vögel-Schrot an, die euch Canon-Kugeln
scheinen; ein Narr von Profeßion kan niemand beschimpfen, wenn er
gleich nichts anders thut als spotten; so wie ein Mann von bekannter
Klugheit niemals spottet, wenn er gleich nichts anders thäte als tadeln.
(Maria zu den Vorigen.)
Maria. Gnädige Frau, es ist ein junger Herr vor der Thüre, der ein
grosses Verlangen trägt, mit Euer Gnaden zu sprechen.
Olivia. Von dem Grafen Orsino, nicht wahr?
Maria. Ich weiß es nicht, Gnädige Frau, er ist ein hübscher junger
Mann, und er macht Figur.
Olivia. Wer von meinen Leuten unterhält ihn?
Maria. Sir Tobias, Gnädige Frau, euer Öhm.
Olivia. Macht daß ihr ihn auf die Seite bringt, ich bitte euch; er spricht

nichts als tolles Zeug; der garstige Mann! Geht ihr, Malvolio; wenn es
eine Gesandschaft vom Grafen ist, so bin ich krank oder nicht bey
Hause: Sagt was ihr wollt, um seiner los zu werden.
(Malvolio geht ab.)
Ihr seht also, Sir, eure Narrheit wird alt und gefällt den Leuten nicht
mehr.
Narr. Du hast unsre Parthey genommen, Madonna, als ob dein ältester
Sohn zu einem Narren bestimmt wäre; Jupiter füll' ihm seinen Schedel
mit Hirn aus! Hier kommt einer von deiner Familie, der eine sehr
schwache (pia mater) hat--

Achte Scene. (Sir Tobias zu den Vorigen.)
Olivia. Auf meine Ehre, halb betrunken. Wer ist vor der Thür, Onkel?
Sir Tobias. Ein Edelmann.
Olivia. Ein Edelmann? Was für ein Edelmann?
Sir Tobias. Ein Mutter-Söhnchen, dem Ansehen nach--der Henker hole
diese Pikelhäringe! Was machst du hier, Dumkopf?
Narr. Guter Sir Toby--
Olivia. Onkel, Onkel, wie kommt ihr schon so früh zu dieser Lethargie?
Sir Tobias. Es ist einer vor der Pforte, sag ich.
Olivia. Nun, wer ist er denn?
Sir Tobias. Er kan meinethalb der Teufel selber seyn, wenn er will, was
bekümmert mich's; glaubt mir was ich sage. Gut, es ist all eins.
(Er geht ab.)

Olivia. Wem ist ein berauschter Mann gleich, Narr?
Narr. Einem Narren, einem Ertrunknen und einem Rasenden. Das erste
Glas über das was genug ist macht ihn närrisch; das zweyte macht ihn
rasend; und das dritte ertränkt ihn gar.
Olivia. So kanst du nur gehen und ein (visum repertum) über meinen
Öhm machen lassen; er ist würklich im dritten Grade der Trunkenheit;
er ist ertrunken; geh, sieh zu ihm.
Narr. Er ist dermalen erst toll, Madonna, und der Narr wird gehn und
zu dem Tollhäusler sehen.
(Er geht ab.)
(Malvolio zu den Vorigen.)
Malvolio. Gnädige Frau, der junge Bursche schwört, daß er mit euch
reden wolle. Ich sagte ihm, ihr befändet euch nicht wohl; er antwortet,
so komme er eben recht, denn er habe ein vortrefliches Arcanum gegen
dergleichen Unpäßlichkeiten. Ich sagte ihm, ihr schliefet, aber es
scheint er habe das auch vorher gewußt, und will deßwegen mit euch
sprechen. Was soll man ihm sagen, Gnädige Frau? Er will sich
schlechterdings nicht abweisen lassen.
Olivia. Sagt ihm, er solle mich nicht zu sprechen kriegen.
Malvolio. Das hat man ihm gesagt; und seine Antwort ist, er wolle vor
eurer Pforte stehen bleiben wie eine Säule, er wolle das Fußgestell zu
einer Bank abgeben; aber er wolle mit euch sprechen.
Olivia. Von was für einer Gattung Menschen-Kindern ist er?
Malvolio. Wie, von der männlichen.
Olivia. Aber was für eine Art von einem Mann?
Malvolio. Von einer sehr unartigen; er will mit euch reden, ihr mögt
wollen oder nicht.

Olivia. Wie sieht er aus, und wie alt mag er seyn?
Malvolio. Nicht alt genug, einen Mann und nicht jung genug, einen
Knaben vorzustellen; mit einem Wort, ein Mittelding zwischen beyden,
ein hübsches, wohlgemachtes Bürschgen, und er spricht ziemlich
nasenweise; man dächte, er habe noch was von seiner Mutter Milch im
Leibe.
Olivia. Laßt ihn kommen; ruft mir mein Mädchen.
Malvolio. Jungfer, die Gnädige Frau ruft.
(Er geht ab.)

Neunte Scene. (Maria tritt auf.)
Olivia. Gieb mir meinen Schleyer: Komm, zieh ihn über mein Gesicht:
Wir wollen doch noch einmal hören, was Orsino's Gesandtschaft
anzubringen haben wird. (Viola zu den Vorigen.)
Viola. Wo ist die Gnädige Frau
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