hätte er verdient. Denn ich habe ihm gar nichts getan und
nie, nie ein Korn zerstampft!"
"Trineli", sagte jetzt die Großmutter, "wir wollen dem Bauer seine zwei
Ohren lassen, aber wir wollen etwas von ihm profitieren. Siehst du,
man kann alles brauchen und seinen Gewinn davon haben. Und wäre es
ein ungerechtes Wort, es kommt nur darauf an, von wem wir die Worte
nehmen. Wenn einer kommt und uns ohne Grund etwas Böses tut oder
sagt, so wie dir heute der Bauer, und es tut uns recht weh, dann müssen
wir ein wenig weiter denken und fragen: 'Haben wir nicht doch so
etwas verdient?' Dann kommt uns auf einmal in den Sinn, daß wir
einmal einem anderen recht weh getan haben, der es leiden mußte und
sich nicht wehren konnte. Und nun haben wir erfahren, wie's tut, und es
wird uns leid darum sein. Wir wollen es nicht mehr tun und wieder bei
den anderen gutmachen, wenn wir es können. Das ist dann genau das,
was der liebe Gott mit uns gewollt hat, darum hat er den Ungerechten
so böse Worte uns sagen lassen. Siehst du wohl, Trineli? Dann können
wir aber auch nicht mehr so böse gegen den sein, der das getan hat.
Denn wir wissen, der liebe Gott hat ihn gebraucht, wie ich meinen
Besen brauche, wenn ich die Stube schön sauber und rein fegen will.
So macht der liebe Gott uns das Herz wieder sauber und in Ordnung,
und wir haben den Gewinn. Denn es wird uns dann wohl und leicht,
wie es uns vorher nie gewesen ist. Hast du gut zugehört, Trineli, und
willst du daran denken, was ich dir gesagt habe?"
Das Trineli hatte wirklich aufmerksam zugehört, und über den Worten
der Großmutter war sein Zorn gegen den Bauern ganz vergangen. Jetzt
kamen ihm seine schönen Erdbeeren wieder in den Sinn. Es holte sie
schnell herbei, damit die Großmutter noch im Mondschein die
Prachtbeeren bewundern konnte. Wenn auch der Kratten nur halb so
voll war wie gewöhnlich, so hatte sie doch außerordentliche Freude und
sagte immer wieder, solche Wunderbeeren habe sie noch nie gesehen.
Das Trini wollte schnell noch damit zur Goldäpfelbäuerin hinunter,
aber die Großmutter sagte, so spät kaufe die Bäuerin keine Beeren
mehr. Am nächsten Morgen solle es seine Beeren zum Wirtshaus
hinuntertragen.
4. Kapitel
Noch eine zornige Rede und was daraus folgt
Der Juli ging seinem Ende entgegen und mit ihm die schöne
Erdbeerenzeit. Nur oben beim Wald über Hochtannen war noch eine
späte, kräftige Sorte der Beeren zu finden, die besonders gut bezahlt
wurden. Denn jetzt reisten viele Fremde über den Berg, und unten im
Wirtshaus an der großen Straße machten sie meistens Halt. Die seltenen
Beeren kamen dann der Wirtin sehr gelegen. Aber man brauchte viel
Zeit, die Kratten auch nur halb zu füllen, und man mußte genau wissen,
wo die vereinzelten Beeren wuchsen. Aber wer fröhlichen Mutes war
wie das Trini, dem machte das keine schweren Gedanken. An einem
warmen Sommerabend lief es mit freudestrahlendem Gesicht den Berg
hinauf, dem Tannenwald zu. Es wußte, daß nun die letzten, würzigen
Beeren dort oben die rechte Reife erlangt hatten. Auch das Maneli und
noch einige andere Kinder kannten den Platz, aber den meisten war der
Weg zu weit und die Suche zu mühsam.
Nur das Maneli kam mit seinem großen Kratten hinter dem Trini her,
blieb aber weit zurück. Denn wie ein Reh die steilen Höhen
hinaufspringen, konnte nur das Trini, dem an Kraft und Behendigkeit
nicht ein einziges Mädchen seines Alters gleichkam. Oben gab es viel
Arbeit. Die Beeren waren reif und schön und dufteten herrlich, aber sie
mußten erst gesucht werden. In einem sonnigen Winkel standen einige
der rot schimmernden Büsche dicht beieinander, und dann konnte man
wieder vergebens danach suchen. Trini spähte in alle Löcher hinein,
kletterte jeden Erdhügel hinauf, zog alle Grasbüschel auseinander, und
wo noch ein rotes Beerlein herausguckte, wurde es schnell gepflückt.
Trini hörte auch nicht auf zu klettern und zu suchen und zu rupfen, bis
die Dämmerung hereinbrach und aller Tätigkeit ein Ende machte.
Aber dem Trini mußte das nicht leid tun. Es schaute stolz auf seinen
Kratten. Denn auch diesmal, gegen seine eigene Erwartung, war er
gefüllt bis obenan. Es hatte nur noch Blätter und Stäbchen darauf zu
befestigen, denn nicht eine der kostbaren Beeren durfte herausrollen.
Jetzt sauste das Trini wie der Wind den Berg hinab. Zum Wirtshaus zu
laufen, dazu war's zu spät, aber bis zu der Goldäpfelbäuerin konnte es
schon noch kommen. Die wollte gewiß diese letzten schönen Beeren
noch haben, und dann konnte es der Großmutter gleich noch den
außergewöhnlichen Gewinn heimbringen. Immer eiliger wurde sein
Schritt.
Still und traurig hinter ihm her ging das Maneli. Man konnte wohl
sehen, daß es an seinem Kratten nicht schwer zu tragen hatte. Es mußte
ein anderer Grund sein, warum es so langsam
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