und mit ungeheurer Freude sah es die
Beerenzeit wieder kommen. Dann konnte es täglich seinen vollen
Kratten heimbringen oder ihn dahin tragen, wohin er bestellt war, um
dann ein schönes Geldstück zu verdienen. Das war für die Großmutter
eine große Einnahme, die freilich nur eine kurze Zeit dauerte. Viel
brachten aber nur die allergrößten Kratten ein, und diese hatten das
Trini und das kleine, bleiche Maneli. Dieses konnte aber niemals seinen
Kratten auch nur zur Hälfte füllen. Das Maneli, das eigentlich
Marianne hieß, war mit Trini im gleichen Alter. Beide saßen auf
derselben Schulbank, aber sie sahen sehr verschieden aus. Trini war
groß und stark und hatte feste, runde Arme und rote Backen. Es
fürchtete sich vor den größten Buben in der Schule nicht, denn es
wußte sich zu wehren.
Das Maneli aber war schmal, blaß und sehr schüchtern. Es war ärmlich
gekleidet und sah aus, als bekomme es nie genug zu essen, Das stimmte
wohl auch, denn es hatte noch fünf kleinere Geschwister und seine
Mutter war oft krank. Der Vater, der ein Tagelöhner war, brachte nicht
immer so viel heim, daß es zu allem langte. Eben jetzt, da die
Dämmerung heranrückte, hatte Trini das kraftlose Maneli mit einem
heftigen Stoß auf die Seite geschoben. Denn es stand noch an einer
Stelle, die mit besonders großen Beeren bedeckt war, und Trini wollte
schnell seinen Kratten damit vollfüllen. Es gelang ihm auch, und vor
allen anderen rief es jetzt siegesgewiß: "Voll! Fertig! Heim! Heim!"
Nun riefen auch die anderen: "Heim! Heim!" und schon hatte sich das
Trini mit seinem vollen, schön verpackten Kratten hingestellt, um den
Zug anzuführen. Mit heller Stimme begann es zu singen:
Erdbeeren rollen, Die Kratten all, die vollen...
Als die Schar singend und jauchzend die ersten Häuser erreicht hatte,
stoben die Kinder plötzlich alle auseinander, die einen aufwärts, die
anderen abwärts. Das Trini lief mit allen Kräften den Berg hinauf, es
hatte noch einen ziemlich langen Weg zu machen. Das Häuschen der
Großmutter stand hoch oben und war das höchste von ganz Hochtannen.
Jetzt kam das Trini am Hof der Goldäpfelbäuerin vorbei. Sie schaute
eben über die Hecke, die den Hof umschloß, und als sie das Kind so
vorbeirennen sah, rief sie ihm zu: "Komm doch einmal hierher und zeig
mir deine Beeren!"
Das Trini war in seinem Eifer schon ein gutes Stück über die Stelle
hinaus, wo die Bäuerin stand, aber es kam schnell zurück, denn die
Aussicht, die Beeren gleich verkaufen zu können, kam ihm sehr
gelegen.
"Hast du auch etwas Rechtes? Zeig her!" fuhr die Bäuerin fort, als das
Trini an der Hecke stand und seinen Kratten zu ihr emporhob. "Ich
kaufe sonst keine solche Ware, es wächst Besseres auf meinem Hof.
Aber man sagt, eingekocht sei das Zeug gut gegen allerhand Übel. So
gib's her! Was geben sie dir unten im Wirtshaus für die Beeren?"
"Einen Franken", antwortete das Trini.
"So, das ist auch genug für solches Beerenzeug. Aber du mußt's haben,
um deiner Großmutter willen, das ist eine brave Frau, die viel arbeitet.
Du bringst ihr doch das Geld heim und machst keinen Firlefanz
damit?"
"Nein, das tue ich nicht", entgegnete das Trini. Es sah die Bäuerin mit
Augen an, die denen einer kleinen, wilden Katze nicht unähnlich waren,
denn es ärgerte sich über diesen Verdacht. Die Bäuerin lachte und
sprach:
"Nur nicht gleich so aufgebracht, so etwas kommt auch vor. Aber
komm, wir wollen wieder gut Freund sein! Da, das ist der Franken für
die Großmutter, und wenn ich dir noch einen Münze für dich gebe, so
wird's dir auch nicht leid sein. So, jetzt lauf wieder!"
Das Trini dankte hocherfreut und lief davon, hörte auch nicht zu rennen
auf, bis es oben beim Häuschen angekommen war. Jetzt stürmte es in
die kleine Stube hinein, wo es fast dunkel geworden war. Nur ein
letzter, lichter Streifen am Abendhimmel schimmerte noch in das
Fenster hinein, dort wo die Großmutter saß. Das Trini stürzte zu ihr hin
und erzählte so eifrig von seinen Erlebnissen, daß immer das zweite
Wort vor dem ersten heraus wollte. Es dauerte ziemlich lange, bis die
Großmutter verstanden hatte, daß die Erdbeeren schon verkauft seien
und ein ganzer Franken und noch ein Geldstück dazu dafür bezahlt
worden war. Auch den mußte die Großmutter nehmen, das Trini wollte
kein Geld behalten, denn es sollte alles der Großmutter gehören. Daß
sie heute noch ein Geldstück über das Gewöhnliche hinaus bekam,
machte dem Trini eine besondere Freude.
"Ja, Großmutter, und siehst du", fuhr das Trini immer noch halb außer
Atem fort, "ich war vor allen anderen zuerst fertig und hatte doch den
Kratten so voll wie kein anderes Kind. Das Maneli hatte seinen nicht
halb voll. Es machte auch furchtbar langsam, und wenn es an einem
guten Platz war, an den ich auch kam, so hatte ich schon wieder alles
weggerupft, ehe es nur
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