Waldwinkel | Page 4

Theodor W. Storm
der Alte, "kann's selbst nicht kleinkriegen. Aber der Herr soll ein Botanikus sein; dergleichen Schlages liebt ja auch alles, was wild zusammenw?chst."
Der Wirt, der inzwischen seine mit Kreide auf die Tischplatte geschriebene Abrechnung mit dem Kr?mer noch einmal revidiert hatte, beugte sich jetzt vor und sagte, seine Stimme zu vertrautem Fl��stern d?mpfend, obgleich niemand au?er den dreien im Zimmer war: "Wi?t Ihr noch, vor Jahren, als in den Bl?ttern soviel von der gro?en Studentenverschw?rung geschrieben wurde, als sie die K?nige all vom Leben bringen wollten--da soll er mit dabeigewesen sein!"
Der Kr?mer lie? einen langgezogenen Pfiff ert?nen. "Da liegt's, Inspekter!" sagte er. "Ich wei?, Ihr h?rt's nicht gern; aber die Junker, wenn sie jung sind, haben schon mitunter solche Mucken; Euer Junker Wolf ist ja derzumalen auch bei dem Wartburgstanze mit gewesen."
Der Alte sagte nichts darauf; aber der Wirt wu?te noch Weiteres zu erz?hlen, als wenn seine klugen Elstern ihm's von allen Seiten zugetragen h?tten.--Hier aus der Gegend sollte der Fremde sein; aber dr��ben bei den Preu?en hatte man ihn jahrelang in einem dunkeln Kerkerloch gehalten; weder die Sonne noch die Sterne der Nacht hatte er dort gesehen; nur der qualmige Schein einer Tranlampe war ihm verg?nnt gewesen; dabei hatte er ohne Kunde, ob Morgen oder Mitternacht, tagaus, tagein gesessen und viele dicke B��cher durchstudiert.
"Aber Kasper-Ohm", sagte der Kr?mer und hielt dem Wirte seine offene Tabaksdose hin, "Ihr seid doch nicht etwa wieder in einen Grenzproze? verzwirnet?"
"Ich? Wie meint Ihr das, Pfeffers?"
"Nun, ich dachte, Ihr w?rt wieder einmal in der Stadt bei dem Winkeladvokaten, dem Aktuariatsschreiber, gewesen, bei dem man f��r die Kosten die L��gen scheffelweis draufzubekommt."
Kasper-Ohm nahm die dargebotene Prise. "Ja, ja, Pfeffers", sagte er, einen Blick durchs Fenster werfend, "wenn sie einen nicht in Frieden leben lassen! H?rt einmal, wie die armen Heisters schreien!"
"Freilich, Kasper-Ohm. Aber wie ging's denn weiter mit dem Herrn Botanikus?"
"Mit dem?--Nun, glaubt es oder nicht! Eines Tages ist er pl?tzlich zu Hause angekommen; aber es ist f��r ihn doch immer noch zu fr��h gewesen; denn als er mit seinen blinden Augen ��ber die Stra?e stolpert, wird er von einer Karriole zu Boden gefahren, die eben lustig ��ber das Pflaster rasselt."
"Das verdammte Gejage!" rief der Kr?mer.
"Ja, ja, Pfeffers; Ihr kennt das nicht, Ihr seid ein lediger Mensch; aber der Herr und die feine Dame, die darin sa?en, konnten nicht zwischen die Pferdeohren hindurchsehen; sie hatten zuviel an ihren eigenen Augen zu beobachten."
"Und hatte er Schaden genommen, der arme Herr?"
"Nein, Pfeffers, nein, das nicht! Aber es ist seine eigene Frau gewesen, die Dame, die mit dem Baron in der Karriole sa?."
Der Kr?mer lie? wieder seinen langen Pfiff ert?nen. "Das ist 'ne Sache; so ist er verheiratet gewesen, als die Preu?en ihn gefangen haben! Nun, die Frau wird er wohl nicht mit sich bringen!"
"Sollte man nicht glauben", meinte Kasper-Ohm; "denn er soll sich's noch einen meilenlangen Proze? haben kosten lassen, um nur den Kopf aus diesem Eheknoten freizukriegen."
"Und der Baron, was ist mit dem geworden?"
"Den Baron, Pfeffers? Den hat er togeschossen, und dann ist er in die weite Welt gegangen, um sich all den Verdru? an den F��?en wieder abzulaufen. Nein, Freundchen, die feine Dame wird er wohl nicht mit herbringen, aber die alte taube Wieb Lewerenz aus Euerer Stadt, und das ist auch eine gute Frau. Sie hat ihren Dienst als Waisenmutter quittiert und kommt nun auf ihre alten Tage in den Narrenkasten."
Der Inspektor war inzwischen aufgestanden.--"Schwatzt Ihr und der Teufel!" sagte er, indem er lachend auf die beiden andern herabsah; dann trank er sein Glas aus und schritt, den schweren Schl��ssel in der Hand, zur T��r hinaus.--Unter dem Eichbaum durch, auf welchem der Falke von dem indes eroberten Neste auf ihn herabsah, ging er aus dem Geh?fte auf den Weg hinaus, welcher hier, vom Nordende des Dorfes, zwischen dicht mit Haselnu?b?umen bewachsenen W?llen auf die Hauptlandstra?e hinausf��hrte. Schon auf der Mitte desselben aber bog er durch eine L��cke des Walles nach links in einen Fu?weg ein; in der schon dr��ckenden Sonne schritt er auf diesem ��ber einige gr��ne, wellenf?rmig sich erhebende Saatfelder einer mit Eichenbusch besetzten Moorstrecke zu, hinter welcher in breitem Zuge und noch in dem bl?ulichen Duft des Morgens ein aus Eichen und stattlichen Buchen gemischter Laubwald seine weichen Linien gegen den blauen Himmel abzeichnete. Der Alte trocknete mit seinem Tuch den Schwei? sich von der Stirn, als er endlich in diese k��hlen Schatten eintrat; ��ber ihm aus einer hohen Baumkrone schmetterte eine Singdrossel ihren Gesang ins weite Land hinaus.
Ein Viertelst��ndchen mochte er so gewandert sein, und der ihn umgebende Laubwald hatte inzwischen einem Tannenforste Platz gemacht, als sich, aus einem Seitensteige kommend, zwei andere Wanderer zu ihm gesellten.
"Geht's denn recht hier nach dem Narrenkasten?"
Ein Bauerbursche fragte es, der einem zwar einfach, aber st?dtisch gekleideten M?dchen ihren Koffer nachtrug.
Der Alte nickte. "Ihr k?nnt nur mit mir gehen."
"Aber ich will zum Waldwinkel", sagte das M?dchen.
"Wird
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