Waldwinkel | Page 3

Theodor W. Storm
dich in der Liebe des Lammes--" Er brach in sentimentale Tr?nen aus; er hatte etwas vom winselnden Affen an sich.
"Ich nenne Sie gar nicht mehr!" sagte Franziska ruhig, und ihre Augensterne ruhten noch immer in denen des ihr fremden Mannes, als habe sie hier einen Halt gefunden, den sie nicht mehr zu verlassen wage.--��ber dessen Seele fuhr es wie ein Traum: das stille Haus am Waldesrand tauchte vor seinem innern Auge auf; ein einsamer Mann und ein verlassenes M?dchen wohnten dort. Sie waren nicht mehr einsam und verlassen; aber um sie her in der lauen Sommerluft war nur der schwimmende Duft der Kr?uter, das Rufen der V?gel und fernab aus der stillen Lichtung der unabl?ssige Gesang der Grillen.-Der Klang der Botenglocke schrillte durch das Zimmer. Als Richard aufblickte, sah er eben das M?dchen aus der T��r verschwinden, der Magister wurde vom Gef?ngnisw?rter abgef��hrt.--"Ein gescheutes Rackerchen, diese Franziska", sagte der B��rgermeister, indem er das sauber abgefa?te Protokoll durch seine Namensunterschrift vollzog. "Schade, da? sie nichts in bonis hat; wir wissen nicht recht, wohin mit ihr; f��r den gew?hnlichen M?gdedienst hat sie zuviel, f��r eine h?here Stellung zuwenig gelernt."
Sein Gast war im Zimmer auf und ab gegangen. "Freilich, ein anziehendes K?pfchen!" sagte er; aber seine Worte klangen tonlos, als sei in der Tiefe die Seele noch mit anderem besch?ftigt.
"Hm, Richard", fuhr der B��rgermeister, seine Akten zusammenbindend, fort, "da stimmst du mit unserem Physikus, er meint--er hat mitunter solche Einf?lle--, die Augen seien ein halbes Dutzend Jahre ?lter als das M?dchen selbst."
"Und wer ist jetzt ihr Vormund, Fritz?"
"Ihr Vormund?--Sie hat keinen Verwandten; wir hatten augenblicklich keinen andern, es ist der Schustermeister an der Hafenecke; seit Beginn der Untersuchung wohnt sie auch bei ihm."--Eine Stunde sp?ter sah man den Gast des B��rgermeisters aus einem kleinen Hause an der Hafenecke treten und durch eine gegen��berliegende Stra?e aus der Stadt hinausschreiten.
Drau?en vor den letzten H?usern hielt ein offener Wagen. Ein gro?er l?wengelber Hund, den der auf dem Kutschersitze nickende Postillion an der Leine hatte, ri? sich los und sprang, freudewinselnd und mit der m?chtigen Rute den Staub der Stra?e peitschend, dem Kommenden entgegen.
"Leo, mein Hund, bist du da? Ja, ich komme, ich komme schon!" Ein lebensfroher Ton klang aus diesen Worten, unter denen der Hund die Liebkosungen seines Herrn entgegennahm.
Vor ihnen, im hellsten Sonnenscheine, breitete sich ein weites Tiefland aus, zu dem in Wellenlinien sich der Weg hinuntersenkte. Bald sa? der Wanderer auf dem Wagen, und w?hrend der Hund in gro?en S?tzen nebenhersprang, rollte das Gef?hrt in den jungen Fr��hling hinaus, der blauen Waldferne zu, die in kaum erkennbaren Z��gen den Horizont begrenzte.
Oben in den Eichb?umen, die vor dem Kruge des Dorfes F?hrenschwarzeck standen, l?rmten die Elstern, welche ihr Nest gegen zwei rotbrustige Turmfalken zu verteidigen suchten; die G?ste in der Schenkstube konnten kaum ihr eigenes Wort verstehen.
"Wei? der Henker!" rief der Kr?mer aus dem Nachbarst?dtchen, der eben mit dem gegen��bersitzenden Wirte sein Quartalgesch?ft gemacht hatte, "was Euch hier alles f��r Raubzeug um die Ohren fliegt! D��rfen auch die Falken nicht geschossen werden, Inspekter?"
Der alte graub?rtige Mann in brauner Joppe, an den diese Worte gerichtet waren, nahm mit der kleinen Messingzange eine Kohle aus dem auf dem Tische stehenden Becken, legte sie auf seine eben gestopfte kurze Pfeife und sagte dann, w?hrend er inmittelst die ersten Dampfwolken sto?weise ��ber den Tisch blies: "Ich wei? nicht, Pfeffers, ich bin nicht f��r die Falken; da m��?t Ihr den neuen F?rster fragen." Er schien, obschon es noch in der Morgenfr��he war, schon weit im Feld umher gewesen und nur zu kurzer Rast hier eingekehrt zu sein; denn die hellen Schwei?perlen standen noch auf seiner Stirn, und seinen Strohhut hatte er vor sich auf dem Scho?e liegen.
"Ein neuer F?rster?" fragte der Kr?mer. "Wo habt Ihr den denn herbekommen?"
"Wei? nicht genau", erwiderte der Alte; "da droben aus dem Reich, mein ich; aber schie?en kann er wie gehext, und auf die Dirnen ist er wie der Teufel!"
"Oho, Kasper-Ohm! Da nehmt Eure Ann-Margreth in Obacht!"
"Wird sich schon von selber wehren, Pfeffers", meinte der Wirt.
Aber der Kr?mer hatte noch mehr zu fragen. "Hm, Inspekter!" sagte er, "Ihr bekommt ja allerlei Neues in Eueren Wald; Euere Herren m��ssen auf einmal ganz umg?ngliche Leute geworden sein! Habt Ihr denn wirklich den alten "Narrenkasten" an einen Fremden, an einen ganz landfremden Mann vermietet?"
"Diesmal trefft Ihr ins Schwarze, Pfeffers", sagte der Alte, indem er einen ungeheueren, roh gearbeiteten Schl��ssel aus der Seitentasche seiner Joppe hervorzog "ein paar Wagen mit Ingut sind schon gestern aus- und eingepackt worden; hab des Teufels Arbeit damit gehabt und mu? auch jetzt wieder hin, um Fenster aufzusperren und nach dem Rechten zu sehen; meinen Phylax hab ich gestern abend hinter die hohe Hofmauer gesperrt, damit doch eine vern��nftige Kreaturseele bei all den Siebensachen ��ber Nacht bliebe."
"Und woher ist dieser Mietsmann denn gekommen?" fragte der Kr?mer wieder.
"Wei? nicht, Pfeffers; k��mmert mich auch nicht", erwiderte
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