Ingut sind schon gestern
aus- und eingepackt worden; hab des Teufels Arbeit damit gehabt und
muß auch jetzt wieder hin, um Fenster aufzusperren und nach dem
Rechten zu sehen; meinen Phylax hab ich gestern abend hinter die hohe
Hofmauer gesperrt, damit doch eine vernünftige Kreaturseele bei all
den Siebensachen über Nacht bliebe."
"Und woher ist dieser Mietsmann denn gekommen?" fragte der Krämer
wieder.
"Weiß nicht, Pfeffers; kümmert mich auch nicht", erwiderte der Alte,
"kann's selbst nicht kleinkriegen. Aber der Herr soll ein Botanikus sein;
dergleichen Schlages liebt ja auch alles, was wild zusammenwächst."
Der Wirt, der inzwischen seine mit Kreide auf die Tischplatte
geschriebene Abrechnung mit dem Krämer noch einmal revidiert hatte,
beugte sich jetzt vor und sagte, seine Stimme zu vertrautem Flüstern
dämpfend, obgleich niemand außer den dreien im Zimmer war: "Wißt
Ihr noch, vor Jahren, als in den Blättern soviel von der großen
Studentenverschwörung geschrieben wurde, als sie die Könige all vom
Leben bringen wollten--da soll er mit dabeigewesen sein!"
Der Krämer ließ einen langgezogenen Pfiff ertönen. "Da liegt's,
Inspekter!" sagte er. "Ich weiß, Ihr hört's nicht gern; aber die Junker,
wenn sie jung sind, haben schon mitunter solche Mucken; Euer Junker
Wolf ist ja derzumalen auch bei dem Wartburgstanze mit gewesen."
Der Alte sagte nichts darauf; aber der Wirt wußte noch Weiteres zu
erzählen, als wenn seine klugen Elstern ihm's von allen Seiten
zugetragen hätten.--Hier aus der Gegend sollte der Fremde sein; aber
drüben bei den Preußen hatte man ihn jahrelang in einem dunkeln
Kerkerloch gehalten; weder die Sonne noch die Sterne der Nacht hatte
er dort gesehen; nur der qualmige Schein einer Tranlampe war ihm
vergönnt gewesen; dabei hatte er ohne Kunde, ob Morgen oder
Mitternacht, tagaus, tagein gesessen und viele dicke Bücher
durchstudiert.
"Aber Kasper-Ohm", sagte der Krämer und hielt dem Wirte seine
offene Tabaksdose hin, "Ihr seid doch nicht etwa wieder in einen
Grenzprozeß verzwirnet?"
"Ich? Wie meint Ihr das, Pfeffers?"
"Nun, ich dachte, Ihr wärt wieder einmal in der Stadt bei dem
Winkeladvokaten, dem Aktuariatsschreiber, gewesen, bei dem man für
die Kosten die Lügen scheffelweis draufzubekommt."
Kasper-Ohm nahm die dargebotene Prise. "Ja, ja, Pfeffers", sagte er,
einen Blick durchs Fenster werfend, "wenn sie einen nicht in Frieden
leben lassen! Hört einmal, wie die armen Heisters schreien!"
"Freilich, Kasper-Ohm. Aber wie ging's denn weiter mit dem Herrn
Botanikus?"
"Mit dem?--Nun, glaubt es oder nicht! Eines Tages ist er plötzlich zu
Hause angekommen; aber es ist für ihn doch immer noch zu früh
gewesen; denn als er mit seinen blinden Augen über die Straße stolpert,
wird er von einer Karriole zu Boden gefahren, die eben lustig über das
Pflaster rasselt."
"Das verdammte Gejage!" rief der Krämer.
"Ja, ja, Pfeffers; Ihr kennt das nicht, Ihr seid ein lediger Mensch; aber
der Herr und die feine Dame, die darin saßen, konnten nicht zwischen
die Pferdeohren hindurchsehen; sie hatten zuviel an ihren eigenen
Augen zu beobachten."
"Und hatte er Schaden genommen, der arme Herr?"
"Nein, Pfeffers, nein, das nicht! Aber es ist seine eigene Frau gewesen,
die Dame, die mit dem Baron in der Karriole saß."
Der Krämer ließ wieder seinen langen Pfiff ertönen. "Das ist 'ne Sache;
so ist er verheiratet gewesen, als die Preußen ihn gefangen haben! Nun,
die Frau wird er wohl nicht mit sich bringen!"
"Sollte man nicht glauben", meinte Kasper-Ohm; "denn er soll sich's
noch einen meilenlangen Prozeß haben kosten lassen, um nur den Kopf
aus diesem Eheknoten freizukriegen."
"Und der Baron, was ist mit dem geworden?"
"Den Baron, Pfeffers? Den hat er togeschossen, und dann ist er in die
weite Welt gegangen, um sich all den Verdruß an den Füßen wieder
abzulaufen. Nein, Freundchen, die feine Dame wird er wohl nicht mit
herbringen, aber die alte taube Wieb Lewerenz aus Euerer Stadt, und
das ist auch eine gute Frau. Sie hat ihren Dienst als Waisenmutter
quittiert und kommt nun auf ihre alten Tage in den Narrenkasten."
Der Inspektor war inzwischen aufgestanden.--"Schwatzt Ihr und der
Teufel!" sagte er, indem er lachend auf die beiden andern herabsah;
dann trank er sein Glas aus und schritt, den schweren Schlüssel in der
Hand, zur Tür hinaus.--Unter dem Eichbaum durch, auf welchem der
Falke von dem indes eroberten Neste auf ihn herabsah, ging er aus dem
Gehöfte auf den Weg hinaus, welcher hier, vom Nordende des Dorfes,
zwischen dicht mit Haselnußbäumen bewachsenen Wällen auf die
Hauptlandstraße hinausführte. Schon auf der Mitte desselben aber bog
er durch eine Lücke des Walles nach links in einen Fußweg ein; in der
schon drückenden Sonne schritt er auf diesem über einige grüne,
wellenförmig sich erhebende Saatfelder einer mit Eichenbusch
besetzten Moorstrecke zu, hinter welcher in breitem Zuge und noch in
dem bläulichen Duft des Morgens ein aus Eichen und stattlichen
Buchen gemischter Laubwald seine weichen Linien gegen den blauen
Himmel abzeichnete. Der Alte trocknete mit seinem Tuch den Schweiß
sich von der Stirn, als
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