und wie eine scharfe Schneide fuhr es aus dieser jungen Stimme. Aber
wie über sich selbst erschrocken, flogen ihre Blicke unstet und
hülfesuchend umher, bis sie in den ernsten Männeraugen haftenblieben,
die so ruhig zu ihr hinüberblickten.
Der Magister hatte beide Arme zum Himmel aufgereckt. "Sie! Du
nennst mich Sie, Franziska! Du, die ich dich in der Liebe des
Lammes--" Er brach in sentimentale Tränen aus; er hatte etwas vom
winselnden Affen an sich.
"Ich nenne Sie gar nicht mehr!" sagte Franziska ruhig, und ihre
Augensterne ruhten noch immer in denen des ihr fremden Mannes, als
habe sie hier einen Halt gefunden, den sie nicht mehr zu verlassen
wage.--Über dessen Seele fuhr es wie ein Traum: das stille Haus am
Waldesrand tauchte vor seinem innern Auge auf; ein einsamer Mann
und ein verlassenes Mädchen wohnten dort. Sie waren nicht mehr
einsam und verlassen; aber um sie her in der lauen Sommerluft war nur
der schwimmende Duft der Kräuter, das Rufen der Vögel und fernab
aus der stillen Lichtung der unablässige Gesang der Grillen.-Der Klang
der Botenglocke schrillte durch das Zimmer. Als Richard aufblickte,
sah er eben das Mädchen aus der Tür verschwinden, der Magister
wurde vom Gefängniswärter abgeführt.--"Ein gescheutes Rackerchen,
diese Franziska", sagte der Bürgermeister, indem er das sauber
abgefaßte Protokoll durch seine Namensunterschrift vollzog. "Schade,
daß sie nichts in bonis hat; wir wissen nicht recht, wohin mit ihr; für
den gewöhnlichen Mägdedienst hat sie zuviel, für eine höhere Stellung
zuwenig gelernt."
Sein Gast war im Zimmer auf und ab gegangen. "Freilich, ein
anziehendes Köpfchen!" sagte er; aber seine Worte klangen tonlos, als
sei in der Tiefe die Seele noch mit anderem beschäftigt.
"Hm, Richard", fuhr der Bürgermeister, seine Akten zusammenbindend,
fort, "da stimmst du mit unserem Physikus, er meint--er hat mitunter
solche Einfälle--, die Augen seien ein halbes Dutzend Jahre älter als
das Mädchen selbst."
"Und wer ist jetzt ihr Vormund, Fritz?"
"Ihr Vormund?--Sie hat keinen Verwandten; wir hatten augenblicklich
keinen andern, es ist der Schustermeister an der Hafenecke; seit Beginn
der Untersuchung wohnt sie auch bei ihm."--Eine Stunde später sah
man den Gast des Bürgermeisters aus einem kleinen Hause an der
Hafenecke treten und durch eine gegenüberliegende Straße aus der
Stadt hinausschreiten.
Draußen vor den letzten Häusern hielt ein offener Wagen. Ein großer
löwengelber Hund, den der auf dem Kutschersitze nickende Postillion
an der Leine hatte, riß sich los und sprang, freudewinselnd und mit der
mächtigen Rute den Staub der Straße peitschend, dem Kommenden
entgegen.
"Leo, mein Hund, bist du da? Ja, ich komme, ich komme schon!" Ein
lebensfroher Ton klang aus diesen Worten, unter denen der Hund die
Liebkosungen seines Herrn entgegennahm.
Vor ihnen, im hellsten Sonnenscheine, breitete sich ein weites Tiefland
aus, zu dem in Wellenlinien sich der Weg hinuntersenkte. Bald saß der
Wanderer auf dem Wagen, und während der Hund in großen Sätzen
nebenhersprang, rollte das Gefährt in den jungen Frühling hinaus, der
blauen Waldferne zu, die in kaum erkennbaren Zügen den Horizont
begrenzte.
Oben in den Eichbäumen, die vor dem Kruge des Dorfes
Föhrenschwarzeck standen, lärmten die Elstern, welche ihr Nest gegen
zwei rotbrustige Turmfalken zu verteidigen suchten; die Gäste in der
Schenkstube konnten kaum ihr eigenes Wort verstehen.
"Weiß der Henker!" rief der Krämer aus dem Nachbarstädtchen, der
eben mit dem gegenübersitzenden Wirte sein Quartalgeschäft gemacht
hatte, "was Euch hier alles für Raubzeug um die Ohren fliegt! Dürfen
auch die Falken nicht geschossen werden, Inspekter?"
Der alte graubärtige Mann in brauner Joppe, an den diese Worte
gerichtet waren, nahm mit der kleinen Messingzange eine Kohle aus
dem auf dem Tische stehenden Becken, legte sie auf seine eben
gestopfte kurze Pfeife und sagte dann, während er inmittelst die ersten
Dampfwolken stoßweise über den Tisch blies: "Ich weiß nicht, Pfeffers,
ich bin nicht für die Falken; da müßt Ihr den neuen Förster fragen." Er
schien, obschon es noch in der Morgenfrühe war, schon weit im Feld
umher gewesen und nur zu kurzer Rast hier eingekehrt zu sein; denn
die hellen Schweißperlen standen noch auf seiner Stirn, und seinen
Strohhut hatte er vor sich auf dem Schoße liegen.
"Ein neuer Förster?" fragte der Krämer. "Wo habt Ihr den denn
herbekommen?"
"Weiß nicht genau", erwiderte der Alte; "da droben aus dem Reich,
mein ich; aber schießen kann er wie gehext, und auf die Dirnen ist er
wie der Teufel!"
"Oho, Kasper-Ohm! Da nehmt Eure Ann-Margreth in Obacht!"
"Wird sich schon von selber wehren, Pfeffers", meinte der Wirt.
Aber der Krämer hatte noch mehr zu fragen. "Hm, Inspekter!" sagte er,
"Ihr bekommt ja allerlei Neues in Eueren Wald; Euere Herren müssen
auf einmal ganz umgängliche Leute geworden sein! Habt Ihr denn
wirklich den alten "Narrenkasten" an einen Fremden, an einen ganz
landfremden Mann vermietet?"
"Diesmal trefft Ihr ins Schwarze, Pfeffers", sagte der Alte, indem er
einen ungeheueren, roh gearbeiteten Schlüssel aus der Seitentasche
seiner Joppe hervorzog "ein paar Wagen mit
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