Von Tripolis nach Alexandrien - 2. Band | Page 5

Gerhard Rohlfs
circa 302,000 Einwohner
anschlagen. Hiervon bilden die Auergehr den bedeutendsten Stamm,
ihre verschiedenen Sippen stellen mehr als 10,000 Fussgänger und fast
1000 Reiter, die Brassa zählen mit 3500 Fussgänger und 500
Cavalieren, die Abidat mit 5890 Fussgänger und 350 Reiter, die ailet[7]

Ali 4600 Fussgänger und 225 Reiter, die Sauya 2100 Fussgänger, 75
Reiter etc.
Nach den neuesten Nachrichten[8] ist von der türkischen Regierung die
Landschaft Barca als von Tripolis unabhängig in eine Mutasarefia von
Bengasi umgewandelt worden, und hat folgende Kaimmakamliks als
Unterprovinzen: 1) Djalo und Audjila, 2) Mytarba oder Adjedabia, 3)
Kaimmakamlik der Auergehr, 4) Merdj, 5) Gaigab, 6) Derna und 7)
Bengasi selbst. Höchst wahrscheinlich ist dies aber ein Irrthum, und
sind die aufgeführten Städte- und Ortsnamen nicht Kaimmakamliks,
sondern Mudirats, da diese sonst keineswegs, was Grösse und
Bevölkerung anbetrifft, einem anderen türkischen Kaimmakamlik
entsprechen. Wenn deshalb Cyrenaica jetzt direct von Constantinopel
regiert wird, nicht wie bis Herbst 1869 von Tripolis, so dürfte doch,
wenn auch die Unterabtheilung die richtige ist, die Bezeichnung als
Kaimmakamlik für dieselbe zu bezweifeln sein.
Ueber Bengasi, welches wir beschrieben haben, über das Gebiet der
Auergehr, deren Schich keinen festen Sitz hat, sondern der häufig bei
Tokra, häufig auf den Hochebenen sein Zelt aufschlägt, über Audjila,
Gaigab und Adjedabia[9], welche ebenfalls beschrieben wurden, haben
wir hier weiter nichts hinzuzufügen.
Was Merdj anbetrifft, in südwestlicher Richtung circa 6 Stunden von
Tolmetta (Ptolemais) auf dem Hochplateau gelegen, so ist darüber gar
kein Zweifel heute, dass dieser Ort das alte Barca ist. Gegründet wurde
diese Stadt von den Libyern; als die Griechen nach Cyrene kamen,
fanden sie Barce schon fertig. Die Barcaei standen bei den Griechen
besonders im Rufe von ausgezeichneten Pferdebändigern und
Wagenlenkern. Als in Cyrene selbst Zwistigkeiten unter den Griechen
ausbrachen, zog ein Theil nach Barce, und von dieser Zeit an tritt diese
Stadt als selbstständig und unabhängig in die Reihe der Städte der
Pentopolitania. Das alte Ptolemais selbst wird ursprünglich nur als
"Hafen" von Barce genannt, bis unter der Herrschaft der Ptolemäer
dieser Hafenort die eigentliche Bevölkerung von Barce aufnimmt, und
diese Stadt aus der Geschichte verschwindet. Der Name Barca, den die
Araber heute auf das ganze Land ausdehnen, kommt aber zweifelsohne

von Barce, dem heutigen Merdj her, obgleich die Eingeborenen
behaupten, diesen Ausdruck deshalb dem Lande zu geben, weil das
ganze Gebiet ein "Barca" d.h. "Segen" sei.
Derna endlich, am nordöstlichsten in Barca gelegen, ist das alte Darnis.
Ausser Bengasi ist dies die einzige Stadt. Ungefähr mit 1500
Einwohnern wird von hier ein ziemlich lebhafter Handel mit Malta und
Creta getrieben, die Engländer unterhalten hier sogar ein Viceconsulat.
Im französischen Kriege gegen Aegypten versuchte General
Gantheaume hier eine Landung, jedoch ohne Erfolg. Auch
Nordamerika war später eine Zeitlang in Besitz von Derna, gab aber
den Ort seines schlechten Hafens wegen, oder vielmehr weil ein solcher
gar nicht vorhanden ist, wieder auf. Derna ist von den
ausgezeichnetsten Gärten umgeben: alle Producte und Früchte, die am
Mittelmeere überhaupt vorkommen, liefert die Umgegend in Hülle und
Fülle.
* * * * *

Von Cyrene über Bengasi nach Audjila.
Es war ein entsetzliches Wetter, als wir in der Todtenstadt unser Grab,
die Knissieh, verliessen und dann durch die Battus-Strasse die Stadt
hinaufzogen und dieser Lebewohl sagten. Wind und kalter Regen
stritten darum wer siegen sollte, da aber der Kampf aufs höchste
erbittert, immer unentschieden blieb, so hatten wir am meisten davon
zu leiden. Sobald wir aus der Umfassungsmauer heraus waren,
verfolgten wir einen alten Weg, der in südwestlicher Richtung lief,
auch hie und da tief eingeschnittene Spuren der alten Fahrzeuge zeigte,
und wie alle auf die Hauptstadt zugehenden Wege rechts und links mit
Gräben eingefasst war. Die Gegend war einförmig und einsam,
obschon keineswegs der Vegetation entbehrend, und überall zeigte sich
fetter rother Thonboden. Ueber 2000' hoch war die Kälte sehr
empfindlich, und das monotone Plateau wurde nur ein Mal, eine Stunde
von Cyrene entfernt, von einem Uadi dem Isnait-Thale, welches von
S.-O. nach N.-W. streicht, unterbrochen. Nach drei Stunden erreichten

wir Safsaf, wo eine der grossartigsten Cysternen die Aufmerksamkeit
des Reisenden in Anspruch nimmt. Höchst wahrscheinlich sammelten
diese Cysternen, welche das Wasser einer ganzen Niederung
aufnehmen, den Regen für Cyrene selbst, da die um die Cysterne
liegenden Ruinen nur unbedeutend sind, also so grossartiger Reservoirs
nicht bedurften. Wahrscheinlich existirte in alten Zeiten eine
Wasserleitung, um das Wasser nach der Stadt zu führen.
Die überdeckten Bogen der Cysterne gewährten nur auf einige
Augenblicke Schutz gegen den Regen, zudem drohten die höchsten
Punkte in dem Wasserbehälter auch überschwemmt zu werden. Wir
beschlossen daher so rasch wie möglich nach dem circa eine Stunde
südwestlich davon gelegenen Gasr Gaigab zu gehen, wo wir auf Schutz
gegen das immer mehr rasende Wetter hoffen durften. Dem Aduli war
dies doppelt lieb, da er dort ganz in der Nähe seine Zelte hatte, er also
auf diese Art nach Hause kam.
Ehe wir das
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