Von Tripolis nach Alexandrien - 2. Band | Page 6

Gerhard Rohlfs
Castell Gaigab, worin eine türkische Compagnie lag,
erreichten, schickte ich einen Diener voraus, um mich anzumelden und
um ein Zimmer bitten zu lassen. Und alsbald kam trotz des Regens der
Commandant des Forts uns entgegen, und zwar barfüssig, da er sagte,
er habe keine Schuhe oder Stiefeln und seine Pantoffeln seien dem
Schmutze nicht gewachsen. Wie sich später herausstellte, hatte er sein
Schuhzeug versetzt, um Schnaps kaufen zu können. Aber warum hatte
der türkische Kriegsminister ihn und die übrigen Truppen auch
monatelang ohne Gage gelassen. Unter vielen Complimenten führte der
Hauptmann-Commandant, ein kleiner dicker Mann, uns ins Fort, die
Thorwache trat ins Gewehr und "Has dur, ssalam dur"[10] rief der
Wachcommandant, und freute sich wie ein kleines Kind, mal
Gelegenheit zu haben, seine Künste produciren zu können. Von den
Soldaten waren auch einige ohne Schuhe, einige sogar um ihre Beine,
sans culottes, nicht zu zeigen, hatten den langen Mantel an.
Alsbald wurden wir dann in ein grosses Zimmer gebracht und ein
tüchtiges Kohlenfeuer rief bald unsere halb erstarrten Glieder ins Leben,
auch eine Tasse guten Kaffees war schon bereit, kurz der Hauptmann
war ausser sich vor Freude, in seiner Einsamkeit so unerwartet Gäste

bekommen zu haben.
Das Gasr Gaigab selbst, in gerader Linie nur drei Stunden S.-S.-O. von
Cyrene gelegen, ist ein regelmässiges Viereck mit vier Eckthürmen,
welche das Fort flankiren. Jede Seite der äusseren Mauer ist circa 1000'
lang und dieselben sind 25' hoch. Im Innern sind an den 3-4' dicken
Mauern zugleich die Baulichkeiten, Casernement, Officierzimmer,
Küche, Arsenal und Magazine; das Fort hat für eine Besatzung von 200
Mann immer Proviant auf 1 Jahr, auch ist hinlänglich Pulver und
Kugeln vorhanden. Gegen die bloss mit schlechten Steinschloss
bewaffneten Beduinen bietet es also hinlänglich Schutz. Auf den vier
Eckthürmen stehen zudem je eine mächtige Kanone, wahrscheinlich
von einem an der Küste früher ein Mal gestrandeten Schiffe genommen,
denn das englische Wappen ist darauf, die Jahreszahl ist aber schon
abgerostet und ob dieselben überhaupt noch sehr tüchtig sind, möchte
ich sehr bezweifeln.
Wir waren bald heimisch eingerichtet und Abends hatte ich die Ehre
mit dem Hauptmann zu speisen, gegen die Sitte der vornehmen Türken
waren keine Messer und Gabel vorhanden, jedoch Teller; um nicht
unangenehm zu berühren, legte auch ich mein Besteck, das mein
Diener mir hingelegt hatte, wieder weg, um nach Adams Manier zu
essen. Als er mir aber, um den Mund abzuwischen, sein eigenes
schmutziges Taschentuch reichen wollte, dankte ich höflichst und liess
mir rasch meine Serviette reichen. Die übrigen Officiere thaten
Leporello-Dienste, durften aber nicht mit uns bei Tische essen. Auch
erlaubte nie der Capitän, dass einer der Officiere die Gläser füllte
(selbverständlich schlechter Araki) und als ich ihm im Scherze mal
zurief, den Officieren doch auch ein Glas zu geben, machte er ein
Gesicht, als ob er eine Ohrfeige bekommen hätte, und ängstlich die
Flasche, als um sie zu schützen, in die Hand nehmend, erwiederte er,
sie tränken nie. Die armen Effendi, wie gern hätten sie auch wohl ein
Glas genommen, aber wenn es dem Commandant möglich war, trotz
der Soldlosigkeit, sich Geld oder Credit für Araki zu erschwingen, so
vermochten das die übrigen Officiere doch nicht, indess rächten sie sich
nachher, denn der Hauptmann zechte so lange, bis er aus meinem
Zimmer herausgetragen werden musste, und nun liessen die beiden

anderen Effendi schnell den Rest der Flasche in ihre durstigen Kehlen
verschwinden und stellten dann die leere Flasche an die Lagerseite des
sorglos, aber laut schlafenden Commandanten.
Wie gross war aber der Schrecken des Hauptmanns, als er am andern
Morgen erfuhr, ich besitze gar keinen Schnaps, er hatte nämlich bloss
so stark seinem Araki zugesprochen, dann auch mir einige Gläschen
grossmüthigst abgegeben, weil er hoffte, dass ich am andern Tage alles
doppelt und dreifach ersetzen würde, und nun hatte er es mit einem
Frangi zu thun, der nicht mal Araki mit sich führte. Doch ich tröstete
ihn, indem ich versprach ihm von Bengasi aus Alcohol schicken zu
wollen, den ich dort als zum Photographiren nöthig gekauft, später aber
übrig behalten und dann zurückgelassen hatte. Und sein guter Humor
wurde bald ganz wieder hergestellt, als ich ihm sagte, den Tag noch
bleiben zu wollen, weil Königs Geburtstag sei, und dass ich bei dieser
Gelegenheit den Soldaten eine kleine Festlichkeit bereiten wolle.
Zugleich bat ich, unsre norddeutsche Flagge aufs Castell hissen zu
dürfen und der Hauptmann stimmte mit Freuden ein, ja, er beorderte
sogleich für Mittag Parade über die ganze Truppe und Inspection der
Baulichkeiten, und die Soldaten hatten wohl ihr Lebtag nie so geputzt,
um die Waffen glänzend zu machen und um die neuen Uniformen,
welche aus dem Magazine (wahrscheinlich hatten sie dieselben noch
nie angehabt) ausgegeben wurden, in den Stand zu setzen. Zudem
waren Abtheilungen beschäftigt, die Zimmer, Küche und alle
Räumlichkeiten zu reinigen, kurz bald nahm alles einen festlichen
Anstrich an.
Mittags wurde denn auch die
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