Von Tripolis nach Alexandrien - 2. Band | Page 2

Gerhard Rohlfs
längere, eben beide zu schmal sind, um die
Bildung grosser Thäler und Flüsse zu erlauben. Da der höchste Kamm
nicht in der Mitte, sondern mehr nach Norden zu, von Osten nach
Westen das Land durchzieht, so sind die von ihm entspringenden
Thäler, Schluchten und Rinnsäle, kürzer, aber auch, weil sie häufiger
und grössere Quantitäten Wasser schwemmen, tiefer und zerrissener.
Es liegt dies in der Natur der Sache, da eben die Nordseite des Plateaus
bedeutend mehr Feuchtigkeit bekommt, als die längere Südseite.
Buchten an der eigentlichen Insel Cyrenaica sind nur vorhanden nach
dem Osten zu. Die Busen von Bomba und Tokra sind aber auch ganz
ausgezeichnet. In Bomba konnte 1808 der französische Admiral
Gantheames sich vor dem verfolgenden britischen Admiral Lord
Collingwood zurückziehen, und entging hiedurch der Gefangennahme.
Die übrigen Häfen, welche die Alten benutzten, als Apollonia,
Ptolemais, Dernis, Berenice, sind heutzutage ganz unbrauchbar, doch
liesse sich das alte Berenice mit leichter Mühe wieder zu einem guten
Hafen herrichten.

Was Bomba und Tokra anbetrifft, so unternahm Ali Riza Pascha von
Tripolis Anfang 1869 einen neuen Colonisationsversuch, es scheint
aber, dass seine Bemühungen gescheitert sind, obgleich die in
türkischen Zeitungen veröffentlichten Berichte Anfangs sehr günstig
lauteten. Wassermangel und ungenügende Sicherheit des Eigenthums
werden wohl Hauptgrund beim Scheitern dieser neuen Besiedlung
gewesen sein.
Aeusserst üppig ist die Pflanzenwelt vertreten, von der wir hier nur
einen allgemeinen[2] Ueberblick geben. Wie die Alten schon
verschiedene Pflanzenregionen in Cyrenaica unterschieden, uns sogar
erzählen, dass man mehrere Ernten abhalten könne, zuerst in der Ebene,
dann auf den Abhängen, endlich auf der Hochebene selbst, so auch
noch heute. Und wenn Homer die lachende und reiche Fruchtbarkeit
des Landes, wenn Pindar die Cyrenaica die Fruchttragende, den Garten
des Jupiter und der Venus nennt, wenn Diodor die Cyrenaica den
fruchtbarsten Boden schlechtweg heisst, wenn Arrian das Land als
krautreich und gut bewässert schildert, wenn Scylax uns die
verschiedenen Obstsorten aufführt, so ist eben nichts Uebertriebenes
darin, wie wir es bei den Alten erwähnt finden, eben so reich, so üppig,
so ergiebig ist heute noch die Pflanzenwelt.
In der That glaubt man, sobald man sich aus der Stadt Bengasi entfernt
und im Anfange der Küste folgend, ins Innere begiebt, fortwährend in
einem lachenden Garten zu sein. Die üppigsten Blumenwiesen werden
durchschnitten und der Fernblick ist überall gehemmt durch Lentisken
und Myrtengebüsch. Und steigt man die Berge hinauf, sind Rosmarin
und Wachholder, grosse Büsche der einfachen weissen Rose da, um
heimathliche Erinnerungen wach zu rufen, während an den feuchten
Schluchten der rothblühende Oleander und Lorbeerbüsche, die
südeuropäischen Länder vertreten. Und diese ist denn auch die
eigentliche Vegetation: Dr. Ascherson fand aus den mitgebrachten
Pflanzen die grösste Uebereinstimmung mit denen, welche er durch
eigne Anschauung auf den Inseln des Mittelmeeres kennen gelernt
hatte.
An grossen Bäumen, welche besonders auf dem Plateau und in den

nach Norden zu gehenden Thälern vorkommen, nennen wir die
kleinblättrige immergrüne Eiche, die oft 150' hohe Cypresse, die Thuya
und den Wachholderbaum. Verwildert kommt hier ebenfalls vor der
Oelbaum, Feigenbaum, Johannisbrodbaum, Birnbaum; Weinreben aber
sind uns nirgends mehr aufgestossen, obschon im Alterthume Wein
nebst Oel Hauptausfuhr-Artikel war nach Sicilien und Griechenland.
Und wie im Alterthume Cyrce ihre Grotte mit dem wohlriechenden
Thyon räucherte, so ist auch heute noch ein leiser Rauch eines
Wachholderfeuers nicht unangenehm, im Gegentheil, oft erschienen
unsere Gräber, die wir mit trocknem Wachholderholz erleuchteten und
wärmten, wie parfümirt. Aus diesem Holze wurden wahrscheinlich
auch jene bei den Alten so berühmten wohlduftenden Möbeln verfertigt,
von denen die Thyaden oder Trinktische besonders beliebt waren. Auch
die aus Cyrenaica kommenden Rosenwasser und andere starkriechende
Pflanzenproducte waren zur Blüthezeit viel gesucht, und um Essenzen
herzustellen, brauchte man auch heute nur die Hand auszustrecken,
wohlriechende, starkduftende Blumen sind überall, Geranien, Violen,
Artemisien etc. schwängern zur Blüthezeit die Luft mit ihren Düften.
Wild findet man an geniessbaren Pflanzen überall und zwar in
ausgezeichneter Güte die Artischocke und Trüffel, letztere wird von
Plinius schon unter dem Namen Misy erwähnt. Das von den Alten als
ein von den Bäumen hängendes wohlriechendes Obst, spagnus, weiss
ich nicht zu erklären.
Was aber vor Allem den Reichthum der Colonie ausmachte, war das
Sylphium, eine Pflanze, von der wir auf den alten cyrenaïschen
Münzen recht gute Bilder haben. Auch finden wir derselben bei einer
Menge der alten Schriftsteller erwähnt, zum Theil beschrieben. Alle
Reisenden nun von della Cella[3] an, Beechey, Pacho, Barth etc. etc.,
haben diese Pflanze in der heute von den Eingebornen genannten Drias
(bot: thapsia garganica genannt) wiedererkennen wollen. Zu della
Cellas Zeit nannten ihm die Landesbewohner, dieselbe Pflanze, Coinon.
Und es lässt sich nicht leugnen, dass die Pflanze mit den Abbildungen
Aehnlichkeit zeigt, wenn es auch kein Gleichniss ist; aber nicht nur
Aehnlichkeit mit den Münzbildern zeigt dieselbe, sondern, wie wir
gleich sehen werden, mit vielen Eigenschaften, welche wir von

derselben bei den Alten erwähnt finden.
In neuerer Zeit nun ist Dr. Schroff in Wien[4] dagegen aufgetreten,
dieser,
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