Von Tripolis nach Alexandrien - 1. Band | Page 3

Gerhard Rohlfs
es noch eine berühmte und glänzende Schönheit beherbergt hatte,
die Marquise von G..., eine der ersten Schönheiten am Hofe Napoleons
III. und Ehrendame seiner kaiserl. Gemahlin. Diejenigen, welche mit
dem Hofe Napoleons vertraut sind, werden leicht errathen können, wer
diese hervorragende Schönheit ist, welche hier von ihrem Gemahl, dem
Obersten des 3. Regiments der Chasseurs d'Afrique, empfangen wurde.
Wir liessen uns alle direct nach Philippeville rudern, und die meisten
von uns stiegen im Hôtel d'Orient ab; das heisst, ich schreibe Hôtel,
man denke "Kneipe". In der That merkwürdig genug, wie gleich beim

Betreten der Provinz Constantine die angenehme Erinnerung der so
sehr guten Hôtels in Algier und Oran zu nichte wird. Gerade das Hôtel
d'Orient der Stadt Algier selbst kann mit den grössten Hôtels der
grössten Städte wetteifern, und hier? Ein Zimmer, dessen Wände nur
hell getüncht waren, schmutzige Wäsche, das primitivste Ameublement.
Wie wird sich die Marquise von G..., die so eben aus den glänzendsten
Salons von Compiègne kommt, hier zurecht finden, dachte ich, und
doch waren ihre Zimmer, welche sie mit ihrem Manne innehatte, wohl
nicht besser als das meinige. Doch wozu braucht man Zimmer in einem
Lande, wo ewig Frühlingslüfte wehen! Riefs und ging hinaus auf den
Platz, wo die Miliz-Musik gerade eine Pièce aus der Afrikanerin spielte.
Darüber kam der Abend heran und denselben verbrachten wir, d.h. der
Engländer Herr B. vom Foreign Office und ich, gemeinschaftlich. Wir
hatten viele Anknüpfungspunkte zusammen, abgesehen davon, dass er,
wie jeder Engländer, sehr deutsch gesinnt war, kannte er fast alle meine
Bekannten in London und ich die seinigen in Berlin, er war bei der
letzten Reise der Königin nach Berlin in deren Gefolge gewesen. Wir
durchliefen die verschiedenen Cafés, die Strassen und waren Abends
einen Augenblick im Theater, wo zum Besten der Armen ein Ball
gegeben wurde. Herr B. war ein ganz angenehmer Gesellschafter,
sprach auch gut deutsch und französisch, jedoch konnte er es nie lassen,
den Engländer herauszubeissen, wenn's an's Bezahlen ging; dann drang
er den Leuten immer mit Gewalt die doppelte Summe auf, so dass
Manche ihn sicher für verrückt hielten.
Wir weilten noch einen andern Tag in Philippeville; ich verbrachte ihn
damit, die sehr merkwürdigen Alterthümer der Stadt zu besehen. Zum
Theil bestehen dieselben aus grossartigen Cisternen, auf den Anhöhen,
welche zu beiden Seiten die Stadt flankiren, gelegen. Es scheint, dass
Philippeville unter der Römerherrschaft ausschliesslich sein Wasser das
ganze Jahr hindurch aus Cisternen bezog, und selbst heute, wo die
Franzosen den Ort durch eine Wasserleitung versorgt haben, wird noch
ein grosser Theil der Stadt aus den antiken renovirten Wasserbehältern
gespeist. Und noch alle Tage entdeckt man neue Reservoirs. So hat
man ganz kürzlich noch hinter der Commandantur eine der
grossartigsten alten Cisternen, vollkommen gut erhalten, blosgelegt;
niemand hatte eine Ahnung davon seit den mehr als 30 Jahren, dass die

Franzosen Philippeville besitzen. Die herrlichsten Bauüberreste von
Philippeville finden sich da, wo heute das College hingebaut ist, und
hier hat man auch das archäologische Museum eingerichtet. Ein
Theater, halbzirkelförmig, wie ein ähnliches, aber viel kleiner, in
Verona vorhanden ist, beherbergt jetzt eine Menge werthvoller Statuen,
Sarkophage und Grabsteine, welche mit den zahlreichen, oft gut
erhaltenen Inschriften dem Forscher ein ganzes Blatt aus der
Geschichte vorlegen. Eine fast vollkommen erhaltene Statue eines
römischen Imperators fesselte vor allem unsere Aufmerksamkeit. Herr
Roger, der gelehrte Vorsteher des Museums, glaubt in derselben einen
Hadrian zu sehen, Andere haben einen Caracalla darin erkennen wollen.
Ich denke, dass der Grund des Herrn Roger, ein Vater-, Bruder- und
Menschenmörder könne unmöglich eine so "ausgezeichnete,
intelligente und gute Physiognomie gehabt haben," nicht stichhaltig ist.
Die Geschichte zeigt, dass sehr häufig die körperlich bestgeformten
Menschen die grössten Scheusale waren. Viel richtiger ist indess Herrn
Rogers Behauptung, eine grosse Aehnlichkeit in den Gesichtszügen der
Statue mit den dem Hadrian gewidmeten Münzen gefunden zu haben.
Es sind noch mehrere andere Marmorstatuen aufgestellt, von denen es
jedoch noch unsicherer ist, was sie vorstellen sollen. Ein einfacher
Marmorsarkophag wurde, vollkommen gut erhalten, dicht bei
Philippeville auf dem Wege nach Stora gefunden. Das Skelett befindet
sich im Museum selbst. Andere Sarkophage mit Basreliefs, jedoch
ohne Deckel, sind in grosser Zahl vorhanden. Die Capitäler vom
schönsten corinthischen Laube lassen schliessen, wie reich das alte
Rusicade war. Viele dieser Schätze sind aus der Umgegend hergebracht,
zum grössten Theil jedoch in der Stadt selbst gefunden worden.
In der That muss das alte Rusicade, aus seinen Ruinen zu schliessen,
ein viel bedeutenderer Ort gewesen sein, als wir nach den spärlichen
Ueberlieferungen der Alten glauben sollten. Ptolemäus führt Rusicade
nicht einmal als Colonie auf, aber durch die Peutinger'schen Tafeln
erkennen wir die Bedeutung der Stadt aus den beigemalten Häuschen.
Bei Pomp. Mela und Plinius geschieht ihrer Erwähnung. Nach Vibius
soll dicht bei Rusicade der kleine Fluss Tapsus ins Meer gemündet sein,
und dies ist offenbar der heutige ued Safsaf. Ihr erster Name scheint
Thapsa, die Stadt überhaupt
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