Viola Tricolor | Page 7

Theodor W. Storm
zu deuten. Immer schw?cher glimmte der Funken; nur ein schmerzliches Zucken bewegte noch die Lippen, hart und st?hnend im Kampfe um das Leben ging der Atem. Aber es wurde leiser, immer leiser, zuletzt s��? wie Bienenget?n. Dann noch einmal war's, als wandle ein blauer Lichtstrahl durch die offenen Augen; und dann war Frieden.
"Gute Nacht, Marie!"--Aber sie h?rte es nicht mehr.--Noch ein Tag, und die stille, edle Gestalt lag unten in dem gro?en, d?mmerigen Gemach in ihrem Sarge. Die Diener des Hauses traten leise auf; drinnen stand er neben seinem Kinde, das die alte Anne an der Hand hielt.
"Nesi", sagte diese, "du f��rchtest dich doch nicht?"
Und das Kind, von der Erhabenheit des Todes angeweht, antwortete: "Nein, Anne, ich bete."
Dann kam der allerletzte Gang, welcher noch mit ihr zu gehen ihm verg?nnt war; nach ihrer beider Sinn ohne Priester und Glockenklang, aber in der heiligen Morgenfr��he, die ersten Lerchen stiegen eben in die Luft.
Das war vor��ber; aber er besa? sie noch in seinem Schmerze; wenn auch ungesehen, sie lebte noch mit ihm. Doch unbemerkt entschwand auch dies; er suchte sie oft mit Angst, aber immer seltener wu?te er sie zu finden. Nun erst schien ihm sein Haus unheimlich leer und ?de; in den Winkeln sa? eine D?mmerung, die fr��her nicht dort gesessen hatte; es war so seltsam anders um ihn her; und sie war nirgends.--Der Mond war aus dem Wolkendunst hervorgetreten und beleuchtete hell die unten liegende Gartenwildnis. Er stand noch immer an derselben Stelle, den Kopf gegen das Fensterkreuz gelehnt; aber seine Augen sahen nicht mehr, was drau?en war.
Da ?ffnete sich hinter ihm die T��r, und eine Frau von dunkler Sch?nheit trat herein.
Das leise Rauschen ihres Kleides hatte den Weg zu seinem Ohr gefunden; er wandte den Kopf und sah sie forschend an.
"Ines!" rief er; er stie? das Wort hervor, aber er ging ihr nicht entgegen.
Sie war stehengeblieben. "Was ist dir, Rudolf? Erschrickst du vor mir?"
Er sch��ttelte den Kopf und versuchte zu l?cheln. "Komm", sagte er, "la? uns hinuntergehen."
Aber w?hrend er ihre Hand fa?te, waren ihre Augen auf das von der Lampe beleuchtete Bild und die daneben stehenden Blumen gefallen.--Wie ein pl?tzliches Verst?ndnis flog es durch ihre Z��ge.--"Es ist ja bei dir wie in einer Kapelle", sagte sie, und ihre Worte klangen kalt, fast feindlich.
Er hatte alles begriffen. "Oh, Ines", rief er, "sind nicht auch dir die Toten heilig!"
"Die Toten! Wem sollten die nicht heilig sein! Aber, Rudolf" und sie zog ihn wieder an das Fenster; ihre H?nde zitterten, und ihre schwarzen Augen flimmerten vor Erregung--, "sag mir, die ich jetzt dein Weib bin, warum h?ltst du diesen Garten verschlossen und l?ssest keines Menschen Fu? hinein?"
Sie zeigte mit der Hand in die Tiefe; der wei?e Kies zwischen den schwarzen Pyramidenstr?uchern schimmerte gespenstisch; ein gro?er Nachtschmetterling flog eben dar��ber hin.
Er hatte schweigend hinabgeblickt. "Das ist ein Grab, Ines", sagte er jetzt, "oder, wenn du lieber willst, ein Garten der Vergangenheit."
Aber sie sah ihn heftig an. "Ich wei? das besser, Rudolf! Das ist der Ort, wo du bei ihr bist; dort auf dem wei?en Steige wandelt ihr zusammen; denn sie ist nicht tot; noch eben, jetzt in dieser Stunde warst du bei ihr und hast mich, dein Weib, bei ihr verklagt. Das ist Untreue, Rudolf, mit einem Schatten brichst du mir die Ehe!"
Er legte schweigend den Arm um ihren Leib und f��hrte sie, halb mit Gewalt, vom Fenster fort. Dann nahm er die Lampe von dem Schreibtisch und hielt sie hoch gegen das Bild empor. "Ines, wirf nur einen Blick auf sie!"
Und als die unschuldigen Augen der Toten auf sie herabblickten, brach sie in einen Strom von Tr?nen aus. "Oh, Rudolf, ich f��hle es, ich werde schlecht!"
"Weine nicht so", sagte er. "Auch ich habe unrecht getan; aber habe auch du Geduld mit mir!"--Er zog ein Schubfach seines Schreibtisches auf und legte einen Schl��ssel in ihre Hand. ?ffne du den Garten wieder, Ines! --Gewi?, es macht mich gl��cklich, wenn dein Fu? der erste ist, der wieder ihn betritt. Vielleicht, da? im Geiste sie dir dort begegnet und mit ihren milden Augen dich so lange ansieht, bis du schwesterlich den Arm um ihren Nacken legst!"
Sie sah unbeweglich auf den Schl��ssel, der noch immer in ihrer offenen Hand lag.
"Nun, Ines, willst du nicht annehmen, was ich dir gegeben habe?"
Sie sch��ttelte den Kopf.
"Noch nicht, Rudolf, ich kann noch nicht, sp?ter--sp?ter; dann wollen wir zusammen hineingehen." Und indem ihre sch?nen dunkeln Augen bittend zu ihm aufblickten, legte sie still den Schl��ssel auf den Tisch.
--------------------------
Ein Samenkorn war in den Boden gefallen, aber die Zeit des Keimens lag noch fern.
Es war im November.--Ines konnte endlich nicht mehr daran zweifeln, da? auch sie Mutter werden solle, Mutter eines eigenen Kindes. Aber zu dem Entz��cken, das sie bei dem Bewu?tsein ��berkam, gesellte sich bald ein anderes. Wie ein unheimliches Dunkel lag es auf ihr, aus dem allm?hlich sich ein Gedanke gleich einer
Continue reading on your phone by scaning this QR Code

 / 15
Tip: The current page has been bookmarked automatically. If you wish to continue reading later, just open the Dertz Homepage, and click on the 'continue reading' link at the bottom of the page.