Versuch einer Kritik aller Offenbarung | Page 6

Johann Gottlieb Fichte
dieser Function nicht, sondern es ist, insofern die Spontaneit?t auf dasselbe wirkt, blos leidend, mithin eine Affection. Die dem obern Begehrungsverm?gen _a priori_ beiwohnende nothwendige Willensform aber kann nie durch eine im empirischen Selbstbewu?tseyn gegebne Spontaneit?t afficirt werden, welches ihrer Ursprünglichkeit und ihrer Nothwendigkeit schlechthin widersprechen würde. Soll nun die Bestimmbarkeit des Willens in endlichen Wesen durch jene nothwendige Form nicht ganz aufgegeben werden, so mu? sich ein Medium aufzeigen lassen, das von der einen Seite durch die absolute Spontaneit?t jener Form hervorgebracht, von der andern durch die Spontaneit?t im empirischen Selbstbewu?tseyn bestimmbar sey[4]. Insofern es das letztere ist, mu? es leidend bestimmbar, mithin eine Affection des Empfindungsverm?gens seyn. Insofern es aber, der erstern Bedingung gem??, durch absolute Spontaneit?t hervorgebracht seyn soll, kann es nicht eine Affection der Receptivit?t durch gegebne Materie -- mithin, da sich au?er dieser keine positive Affection des Empfindungsverm?gens denken l??t, überhaupt keine positive, sondern nur eine negative Affection -- eine Niederdrückung, eine Einschr?nkung desselben seyn. Nun aber ist das Empfindungsverm?gen, insofern es blo?e Receptivit?t ist, weder positiv noch negativ durch die Spontaneit?t, sondern blos durchs Gegebenwerden eines Materiellen afficirbar; folglich kann die postulirte negative Bestimmung überhaupt nicht die Receptivit?t betreffen (etwa eine Verstopfung oder Verengerung der Sinnlichkeit an sich seyn;) sondern sie mu? sich auf die Sinnlichkeit beziehen, _insofern sie durch Spontaneit?t bestimmbar ist, (s. oben) sich auf den Willen bezieht, und sinnlicher Trieb hei?t_.
Insofern nun diese Bestimmung auf die absolute Spontaneit?t zurückbezogen wird, ist sie blos negativ -- eine Unterdrückung der willensbestimmenden Anmaa?ung des Triebes; -- insofern sie auf die Empfindung dieser geschehenen Unterdrückung bezogen wird, ist sie positiv, und hei?t das Gefühl der Achtung. Dieses Gefühl ist gleichsam der Punct, in welchem die vernünftige und die sinnliche Natur endlicher Wesen innig zusammenflie?en.
Um das h?chst m?glichste Licht über unsern weitern Weg zu verbreiten, wollen wir hier noch über dieses wichtige Gefühl, den Momenten des Urtheilens nach, reflectiren. -- Es ist nemlich, wie eben jetzt er?rtert worden, der Qualit?t nach eine positive Affection des innern Sinnes, die aus der Vernichtung des sinnlichen Triebes, als alleinigen Bestimmungstriebes des Willens, mithin aus Einschr?nkung desselben entsteht. Die Quantit?t desselben ist bedingt-bestimmbar, der Grade der Intension und Extension f?hig, in Beziehung der Willensformen empirisch-bestimmbares Wesen auf das Gesetz; -- _unbedingt, und v?llig bestimmt, keiner Grade der Intension oder Extension f?hig, Achtung schlechthin, gegen die einfache Idee des Gesetzes; -- unbedingt, und unbestimmbar_, unendlich, gegen das Ideal, in welchem Gesetz und Willensform Eins ist. Der Relation nach bezieht sich dieses Gefühl auf das Ich, als Substanz, entweder im reinen Selbstbewu?tseyn, und wird dann Achtung unsrer h?hern geistigen Natur, die sich ?sthetisch im Gefühle des Erhabnen ?u?ert; oder im empirischen, in Absicht der Congruenz unsrer besondern Willensformen mit dem Gesetze -- Selbstzufriedenheit, -- Scham vor sich selbst: -- oder auf das Gesetz, als Grund unsrer Verbindlichkeit -- die Achtung schlechthin, das Gefühl des nothwendigen Primats des Gesetzes, und unsrer nothwendigen Subordination unter dasselbe: -- oder, auf das Gesetz als Substanz gedacht, -- unser Ideal. Endlich der Modalit?t nach ist Achtung m?glich gegen empirisch bestimmbare vernünftige Wesen; wirklich gegen das Gesetz, und nothwendig gegen das alleinheilige Wesen.
So etwas nun, wie Achtung ist, welches wir hier blos zur Erl?uterung hinzusetzen, ist zwar in allen, endlichen Wesen anzunehmen, in denen die nothwendige Form des Begehrungsverm?gens noch nicht nothwendig Willensform ist; aber in einem Wesen, in welchem Verm?gen und Handlung, Denken und Wollen Eins ist, l??t sich Achtung gegen das Gesetz gar nicht denken.
Insofern nun dieses Gefühl der Achtung den Willen, als empirisches Verm?gen, bestimmt; und wieder im Wollen durch Selbstth?tigkeit bestimmbar ist, als zu welchem Behuf wir ein solches Gefühl in uns aufsuchen mu?ten, hei?t es Trieb. -- Trieb aber eines wirklichen Wollens kann es, da kein Wollen ohne Selbstbewu?tseyn (der Freiheit) m?glich ist, nur durch Beziehung auf das Ich, folglich nur in der Form der Selbstachtung seyn. -- Da? diese Selbstachtung nun entweder rein, schlechthin Achtung der Würde der Menschheit in uns, oder empirisch, Zufriedenheit über die wirkliche Behauptung derselben, sey, haben wir eben gesagt. Es scheint in der Betrachtung allerdings weit edler und erhabner, sich durch die reine Selbstachtung, -- durch den einfachen Gedanken, ich mu? so handeln, wenn ich ein Mensch seyn will, als durch die empirische, -- durch den Gedanken, wenn ich so handle, werde ich als Mensch mit mir zufrieden seyn k?nnen, bestimmen zu lassen: aber in der Ausübung flie?en beide Gedanken so innig in einander, da? es selbst dem aufmerksamsten Beobachter schwer werden mu?, den Antheil, den der eine oder der andre an seiner Willensbestimmung hatte, genau von einander zu scheiden. -- Aus dem gesagten erhellet, da? es eine v?llig richtige Maxime der Sittlichkeit sey: respectire dich selbst; und erkl?rt sich, warum nicht unedle Gemüther vor sich selbst weit mehr Furcht und Scheu empfinden, als vor der Macht der gesammten Natur, -- und den Beifall ihres eignen Herzens
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