Versuch einer Kritik aller Offenbarung | Page 5

Johann Gottlieb Fichte
w?re eine Maschine, in der Vorstellungen in Vorstellungen eingriffen, wie in der Uhr R?der in R?der. (Gegen diese durch die bündigsten Schlüsse abzuleitenden Folgerungen ist keine Rettung, als durch Anerkennung einer practischen Vernunft, und, was eben das sagt, eines categorischen Imperativs derselben). -- Wir haben also bis jetzt nichts weiter gethan, als den vorausgesetzten Begriff eines Willens, insofern er durch das untere Begehrungsverm?gen bestimmt seyn soll, analysirt; wir haben gezeigt, wenn ein Wille sey, wie seine Bestimmung durch den sinnlichen Trieb m?glich sey; da? aber ein Wille sey, haben wir bis jetzt weder erweisen gewollt, noch gekonnt, noch zu erweisen vorgegeben. Ein solcher Erweis dürfte vielleicht aus Untersuchung des oben angenommenen zweiten Falls, da? nemlich die durch die Handlung des Willens hervorzubringende Vorstellung selbst ihrem Stoffe nach, nicht durch Empfindung, sondern durch absolute Spontaneit?t, d. i. durch Spontaneit?t mit Bewu?tseyn hervorgebracht sey, sich ergeben.
II.
Alles, was blo?er Stoff ist, und nichts anders seyn kann, wird durch die Empfindung gegeben; die Spontaneit?t bringt nur Formen hervor: die angenommene Vorstellung mü?te demnach eine Vorstellung von so etwas seyn, das an sich Form, und nur als Object einer Vorstellung von ihr, relativ (in Beziehung auf diese Vorstellung) Stoff w?re; so wie z. B. Raum und Zeit, -- an sich Formen der Anschauung -- von einer Vorstellung von Raum oder Zeit der Stoff sind.
Formen kündigen sich dem Bewu?tseyn nur in ihrer Anwendung auf Objecte an. Nun werden die in der reinen Vernunft ursprünglich liegenden Formen der Anschauung, der Begriffe und der Ideen auf ihre Objecte mit dem Gefühl der Nothwendigkeit angewendet; sie kündigen sich demnach dem Bewu?tseyn mit Zwang, und nicht mit Freiheit an, und hei?en daher auch gegeben, nicht hervorgebracht.
Soll nun jene gesuchte Form sich dem Bewu?tseyn als durch absolute Spontaneit?t hervorgebracht (nicht als mit Zwang gegeben) ankündigen, so mu? sie es in Anwendung auf ein durch absolute Spontaneit?t bestimmbares Object thun. Nun ist das einzige, was unserm Selbstbewu?tseyn als ein solches gegeben ist, -- das Begehrungsverm?gen; mithin mu? jene Form, objectiv betrachtet, Form des Begehrungsverm?gens seyn. Wird diese Form Stoff einer Vorstellung, so ist dieser Vorstellung Stoff durch absolute Spontaneit?t hervorgebracht; wir haben eine Vorstellung, wie wir sie suchten -- welches aber die einzige in ihrer Art seyn mu?, weil die Bedingungen ihrer M?glichkeit einzig auf das Begehrungsverm?gen passen -- und die aufgegebne Frage ist gel?st. Da? nun wirklich eine solche ursprüngliche Form des Begehrungsverm?gens, und ein ursprüngliches Begehrungsverm?gen selbst vermittelst dieser Form sich in unserm Gemüthe dem Bewu?tseyn ankündige, ist _Thatsache dieses Bewu?tseyns_; und über dieses letzte, einzig allgemeingeltende Princip aller Philosophie hinaus findet keine Philosophie mehr statt. Durch diese Thatsache nun wird es erst gesichert, da? der Mensch einen Willen habe.
In diesem Zusammenhange wird denn auch, welches wir hier blos im Vorbeigehen erinnern, v?llig klar, wie Vorstellungen, nemlich jene einzige, deren Stoff nicht durch Sinnenempfindung gegeben, sondern durch absolute Spontaneit?t hervorgebracht ist, und die von ihr abgeleiteten, m?glich sind, welche über alle Erfahrung in der Sinnenwelt hinausgehen; -- wie der Stoff dieser Vorstellungen, der reingeistig ist, um in's Bewu?tseyn aufgenommen werden zu k?nnen, durch die uns für Gegenst?nde der Sinnenwelt gegebnen Formen müsse bestimmt werden; welche Bestimmungen aber, da sie nicht durch die Bedingungen des Dinges an sich, sondern durch die Bedingungen unsers Selbstbewu?tseyns nothwendig gemacht wurden, nicht für objectiv, sondern nur für subjectiv -- doch aber, da sie sich auf die Gesetze des reinen Selbstbewu?tseyns gründen, für allgemeingültig für jeden discursiven Verstand angenommen, aber nicht weiter ausgedehnt werden müssen, als ihre Aufnehmbarkeit ins reine Selbstbewu?tseyn es erfordert, weil sie im letztern Falle ihre Allgemeingültigkeit verlieren würden; endlich, da? dieser übergang in das Reich des übersinnlichen für endliche Wesen der einzig m?gliche sey.
Insofern nun -- um den Faden unsrer Betrachtung da wieder aufzunehmen, wo wir ihn fallen lie?en -- insofern dem Begehrungsverm?gen ursprünglich seine Form bestimt ist, wird es nicht erst durch ein gegebnes Object bestimmt, sondern es giebt sich durch diese Form sein Object selbst: d. h. wird diese Form Object einer Vorstellung, so ist diese Vorstellung Object des Begehrungsverm?gens zu nennen. Diese Vorstellung nun ist die Idee des schlechthin rechten. Auf den Willen bezogen treibt dieses Verm?gen, -- zu wollen, schlechthin weil man will. Dieses wunderbare Verm?gen in uns nun nennt man das obere Begehrungsverm?gen, und sein characteristischer Unterschied von dem niedern Begehrungsverm?gen ist der, da? dem erstern kein Object gegeben wird, sondern da? es sich selbst eins giebt; dem letztern aber sein Object gegeben werden mu?. Das erstere ist absolut selbstth?tig, das letztere in vieler Rücksicht blos leidend.
Da? aber dieses obere Begehrungsverm?gen, welches auch blos ein Verm?gen ist, -- ein Wollen, als wirkliche Handlung des Gemüths, mithin eine empirische Bestimmung, hervorbringe, dazu wird noch etwas mehr erfordert. Nemlich jedes Wollen, als Handlung des Gemüths betrachtet, geschieht mit dem Bewu?tseyn der Selbstth?tigkeit. Nun kann dasjenige, worauf die Selbstth?tigkeit in dieser Handlung wirkt, nicht selbst wieder Selbstth?tigkeit seyn, wenigstens in
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