Versuch einer Kritik aller Offenbarung | Page 4

Johann Gottlieb Fichte
Mannigfaltiges, und Maa?stab der Vergleichung: der Verstand giebt nichts, als die Regeln des Systems.
Der Qualit?t nach ist das zu beurtheilende durch die Empfindung unmittelbar gegeben; es ist positiv das angenehme, welches eben so viel hei?t, als das den sinnlichen Trieb bestimmende, und keiner weitern Zergliederung f?hig ist. Das Angenehme ist angenehm, weil es den Trieb bestimmt, und es bestimmt den Trieb, weil es angenehm ist. Warum etwas der Empfindung unmittelbar wohlthue, und wie es beschaffen seyn müsse, wenn es ihr wohlthun solle, untersuchen wollen, hie?e sich geradezu widersprechen; denn dann sollte es ja auf Begriffe zurückgeführt werden, mithin der Empfindung nicht unmittelbar; sondern vermittelst eines Begriffs wohlthun. Negativ, das unangenehme; limitativ, das indifferente für die Empfindung.
Der Quantit?t nach werden die Objecte des sinnlichen Triebes beurtheilt ihrer Extension und Intension nach; alles nach dem Maa?stabe der unmittelbaren Empfindung. -- Der Relation nach, wo wieder blos das angenehme blos auf das angenehme bezogen wird, 1) in Absicht seines Einflusses auf die Beharrlichkeit des Empfindungsverm?gens selbst, wie sie nemlich unmittelbar durch die Empfindung dargestellt wird, 2) in Absicht seines Einflusses auf Entstehung oder Vermehrung andrer angenehmen Sinnenempfindungen -- der Causalit?t des angenehmen aufs angenehme, 3) in Absicht der Bestehbarkeit oder Nichtbestehbarkeit mehrerer angenehmer Empfindungen neben einander. -- Endlich der Modalit?t nach wird beurtheilt 1) die M?glichkeit, ob eine Empfindung angenehm seyn k?nne, nach Maasgabe vorhergegangener Empfindungen ?hnlicher Art, 2) die Wirklichkeit -- da? sie angenehm sey; 3) die Nothwendigkeit ihrer Annehmlichkeit, wobei der Trieb Instinct wird.
Durch diese Bestimmung des Mannigfaltigen, das in der Empfindung blos angenehm ist, nach Verstandesgesetzen, -- durch dieses Ordnen desselben entsteht der Begriff des Glücks; der Begriff von einem Zustande des empfindenden Subjects, in welchem nach Regeln genossen wird: so da? eine angenehme Empfindung einer andern von gr??erer Intension, oder Extension, -- eine, die dem Empfindungsverm?gen schadet, einer andern, die es st?rkt -- eine, die in sich isolirt ist, einer andern, die selbst wieder Ursache angenehmer Empfindungen wird, oder viele andre neben sich duldet, und erh?ht -- endlich ein blos m?glicher Genu?, Empfindungen, die nothwendig angenehm seyn müssen, oder die man als wirklich angenehm empfindet, nachgesetzt und aufgeopfert werden. Ein nach diesem Grundrisse verfertigtes System g?be eine Glückslehre -- gleichsam eine Rechenkunst des Sinnengenusses[3], welche aber keine Gemeingültigkeit haben k?nnte, da sie blos empirische Principien h?tte. Jeder mü?te sein eignes System haben, da jeder nur selbst beurtheilen kann, was ihm angenehm, oder noch angenehmer sey; nur in der Form k?men diese individuellen Systeme überein, weil diese durch die nothwendigen Verstandesgesetze gegeben ist, nicht aber in der Materie. Den Begriff des Glücks, so bestimmt ist es v?llig richtig, da? wir nicht wissen k?nnen, was das Glück des andern bef?rdre, ja, worin wir selbst in der n?chsten Stunde unser Glück setzen werden.
Wird dieser Begriff des Glücks durch die Vernunft aufs unbedingte und unbegr?nzte ausgedehnt, so entsteht die Idee der Glückseeligkeit, welche, als gleichfals lediglich auf empirischen Principien beruhend, nie allgemeingültig bestimmt werden kann. Jeder hat in diesem Sinne seine eigne Glückseeligkeitslehre: eine auch nur comparativ allgemeine ist unm?glich, und widersprechend.
Aber mit einer solchen blos mittelbaren Bestimmbarkeit des sinnlichen Triebes durch Spontaneit?t reichen wir zur Erkl?rung der wirklichen Bestimmung noch gar nicht aus; denn schon für die M?glichkeit dieser Bestimmbarkeit mu?ten wir wenigstens ein Verm?gen, die durch die Empfindung geschehne Bestimmung des Triebes wenigstens aufzuhalten, stillschweigend voraussetzen, weil ohne dies eine Vergleichung und Unterordnung des verschiedenen Angenehmen unter Verstandesgesetze, zum Behuf einer Bestimmung des Willens nach den Resultaten dieser Vergleichung, gar nicht m?glich w?re. Dieses Aufhalten nemlich kann gar nicht durch die Urtheilskraft selbst nach Verstandesgesetzen geschehen; denn dann mü?ten Verstandesgesetze auch practisch seyn k?nnen, welches ihrer Natur geradezu widerspricht. Wir müssen demnach den obengesetzten zweiten Fall annehmen, da? dieses Aufhalten unmittelbar durch die Spontaneit?t geschehe.
Aber nicht nur dieses Aufhalten, sondern auch die endliche wirkliche Bestimmung des Willens kann nicht blos durch jene Gesetze vollendet werden; denn alles, was wir nach ihnen in unserm Gemüthe zu Stande bringen, geschiehet mit dem Gefühle der Nothwendigkeit, welches dem jedes Wollen characterisirenden Bewu?tseyn der Selbstth?tigkeit widerstreitet: sondern sie mu? unmittelbar durch Spontaneit?t geschehen.
Aber man beurtheile das hier gesagte ja nicht zu voreilig, als ob wir es uns hier bequem machten, und aus unserm Bewu?tseyn der Selbstth?tigkeit im Wollen unmittelbar auf die wirkliche Existenz dieser Selbstth?tigkeit schl?ssen. Allerdings k?nnte nicht blos dies Bewu?tseyn der Selbstth?tigkeit, oder der Freiheit, welches an sich und seiner Natur nach nicht anders als negativ (eine Abwesenheit des Gefühls der Nothwendigkeit) ist, blos aus dem Nichtbewu?tseyn der eigentlichen erst aufhaltenden, dann bestimmenden Ursache entstehen; sondern wenn wir keinen anderweitigen Grund für Freiheit, d. i. Unabh?ngigkeit vom Zwange des Naturgesetzes f?nden, mü?te es sogar daher entstehen: dann w?re die Jochsche Philosophie die einzige wahre, und einzige consequente: aber dann g?be es auch gar keinen Willen, die Erscheinungen desselben w?ren erweisbare T?uschungen, Denken und Wollen w?ren nur dem Anscheine nach verschieden, und der Mensch
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