und mich
tugendhaft von dem Armen abkehre, der um mich verschmachtet. Ich
bin jung, reich und schön, und so, wie ich bin, lebe ich heiter dem
Vergnügen, dem Genuß.«
Ich hatte, während sie sprach und ihre Augen schelmisch funkelten,
ihre Hände ergriffen, ohne recht zu wissen, was ich mit ihnen anfangen
wollte, aber als echter Dilettant ließ ich sie jetzt wieder eilig los.
»Ihre Ehrlichkeit«, sagte ich, »entzückt mich, und nicht diese allein --«
Wieder der verdammte Dilettantismus, der mir den Hals mit einem
Hemmseil zuschnürt.
»Was wollten Sie doch sagen...«
»Was ich sagen wollte -- ja, ich wollte -- vergeben Sie -- meine
Gnädige -- ich habe Sie unterbrochen.«
»Wie?«
Eine lange Pause. Sie hält gewiß einen Monolog, der, in meine Sprache
übersetzt, sich in das einzige Wort »Esel« zusammenfassen läßt.
»Wenn Sie erlauben, gnädige Frau«, begann ich endlich, »wie sind Sie
zu diesen -- zu diesen Ideen gekommen?«
»Sehr einfach, mein Vater war ein vernünftiger Mann. Ich war von der
Wiege an mit Abgüssen antiker Bildwerke umgeben, ich las mit zehn
Jahren den Gil Blas, mit zwölf die Pucelle. Wie andere in ihrer
Kindheit den Däumling, Blaubart, Aschenbrödel, nannte ich Venus und
Apollo, Herkules und Laokoon meine Freunde. Mein Gatte war eine
heitere, sonnige Natur; nicht einmal das unheilbare Leiden, das ihn
nicht lange nach unserer Vermählung ergriff, konnte seine Stirne
jemals für die Dauer umwölken. Noch die Nacht vor dem Tode nahm er
mich in sein Bett und während der vielen Monate, wo er sterbend in
seinem Rollsessel lag, sagte er öfter scherzend zu mir: ?Nun, hast du
schon einen Anbeter?? Ich wurde schamrot.
?Betrüge mich nicht?, fügte er einmal hinzu, ?das fände ich häßlich,
aber suche dir einen hübschen Mann aus, oder lieber gleich mehrere.
Du bist ein braves Weib, aber dabei noch ein halbes Kind, du brauchst
Spielzeug.? Es ist wohl nicht nötig, Ihnen zu sagen, daß ich, solange er
lebte, keinen Anbeter hatte, aber genug, er erzog mich zu dem, was ich
bin, zu einer Griechin.«
»Zu einer Göttin«, fiel ich ein.
Sie lächelte. »Zu welcher etwa?«
»Zu einer Venus.«
Sie drohte mit dem Finger und zog die Brauen zusammen. »Am Ende
gar zu einer ?Venus im Pelz?, warten Sie nur -- ich habe einen großen,
großen Pelz, mit dem ich Sie ganz zudecken kann, ich will Sie darin
fangen, wie in einem Netz.«
»Glauben Sie auch«, sagte ich rasch, denn mir kam etwas in den Sinn,
was ich -- so gewöhnlich und abgeschmackt es war -- für einen sehr
guten Gedanken hielt --
»glauben Sie, daß Ihre Ideen sich in unserer Zeit durchführen lassen,
daß Venus ungestraft in ihrer unverhüllten Schönheit und Heiterkeit
unter Eisenbahnen und Telegraphen wandeln dürfte?«
»Unverhüllt gewiß nicht, aber im Pelz«, rief sie lachend,
»wollen Sie den meinen sehen?«
»Und dann --«
»Was dann?«
»Schöne, freie, heitere und glückliche Menschen, wie es die Griechen
waren, sind nur dann möglich, wenn sie Sklaven haben, welche für sie
die unpoetischen Geschäfte des täglichen Lebens verrichten und vor
allem für sie arbeiten.«
»Gewiß«, erwiderte sie mutwillig, »vor allem braucht aber eine
olympische Göttin, wie ich, ein ganzes Heer von Sklaven. Hüten Sie
sich also vor mir.«
»Warum?«
Ich erschrak selbst über die Kühnheit, mit der ich dieses »Warum«
herausgebracht hatte; sie indes erschrak durchaus nicht, sie zog die
Lippen etwas empor, so daß die kleinen, weißen Zähne sichtbar wurden,
und sprach dann leichthin, als handle es sich um etwas, was nicht der
Rede wert sei: »Wollen Sie mein Sklave sein?«
»In der Liebe gibt es kein Nebeneinander«, erwiderte ich mit
feierlichem Ernst,
»sobald ich aber die Wahl habe, zu herrschen oder unterjocht zu
werden, scheint es mir weit reizender, der Sklave eines schönen Weibes
zu sein. Aber wo finde ich das Weib, das nicht mit kleinlicher
Zanksucht Einfluß zu erringen, sondern ruhig und selbstbewußt, ja
streng zu herrschen versteht?«
»Nun, das wäre am Ende nicht so schwer.«
»Sie glauben --«
»Ich -- zum Beispiel -- --« sie lachte und bog sich dabei weit zurück --
»ich habe Talent zur Despotin -- die nötigen Pelze besitze ich auch --
aber Sie haben sich heute nacht in allem Ernste vor mir gefürchtet!«
»In allem Ernste.«
»Und jetzt?«
»Jetzt -- jetzt fürchte ich mich erst recht vor Ihnen!«
Leopold von Sacher-Masoch: Venus im Pelz / 4
Wir sind täglich beisammen, ich und --
Venus; viel beisammen, wir nehmen das Frühstück in meiner
Gaisblattlaube und den Tee in ihrem kleinen Salon, und ich habe
Gelegenheit, alle meine kleinen, sehr kleinen Talente zu entfalten.
Wozu hätte ich mich in allen Wissenschaften unterrichtet, in allen
Künsten versucht, wenn ich nicht imstande wäre, ein kleines hübsches
Weib -- Aber dieses Weib ist durchaus nicht so klein und imponiert mir
ganz ungeheuer. Heute zeichnete ich sie, und da fühlte ich erst so recht
deutlich, wie wenig unsere moderne Toilette für diesen Kameenkopf
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