Venus im Pelz | Page 7

Leopold von Sacher-Masoch
vergessen.«
»Die seltsamen Bemerkungen auf der Rückseite --«
»Warum seltsam?«
Sie sah mich an. »Ich habe immer den Wunsch gehabt, einmal einen
ordentlichen Phantasten kennenzulernen -- der Abwechslung wegen --
nun, Sie scheinen mir nach allem einer der tollsten.«
»Meine Gnädige -- in der Tat --« wieder das fatale, eselhafte Stottern
und noch dazu ein Erröten, wie es für einen jungen Menschen von
sechzehn Jahren wohl passen mag, aber für mich, der beinahe volle
zehn Jahre älter --
»Sie haben sich heute nacht vor mir gefürchtet.«
»Eigentlich -- allerdings -- aber wollen Sie sich nicht setzen?«
Sie nahm Platz und weidete sich an meiner Angst -- denn ich fürchtete
mich jetzt, bei hellem Tageslichte, noch mehr vor ihr -- ein reizender
Hohn zuckte um ihre Oberlippe.

»Sie sehen die Liebe und vor allem das Weib«, begann sie, »als etwas
Feindseliges an, etwas, wogegen Sie sich, wenn auch vergebens,
wehren, dessen Gewalt Sie aber als eine süße Qual, eine prickelnde
Grausamkeit fühlen; eine echt moderne Anschauung.«
»Sie teilen sie nicht.«
»Ich teile sie nicht«, sprach sie rasch und entschieden und schüttelte
den Kopf, daß ihre Locken wie rote Flammen emporschlugen.
»Mir ist die heitere Sinnlichkeit der Hellenen Freude ohne Schmerz --
ein Ideal, das ich in meinem Leben zu verwirklichen strebe. Denn an
jene Liebe, welche das Christentum, welche die Modernen, die Ritter
vom Geiste predigen, glaube ich nicht. Ja, sehen Sie mich nur an, ich
bin weit schlimmer als eine Ketzerin, ich bin eine Heidin.
?Glaubst du, es habe sich lange die Göttin der Liebe besonnen, Als im
Idäischen Hain einst ihr Anchises gefiel?? Diese Verse aus Goethes
römischer Elegie haben mich stets sehr entzückt.
In der Natur liegt nur jene Liebe der herrischen Zeit, ?da Götter und
Göttinnen liebten?. Damals ?folgte Begierde dem Blick, folgte Genuß
der Begier?.
Alles andere ist gemacht, affektiert, erlogen. Durch das Christentum --
dessen grausames Emblem -- das Kreuz -- etwas Entsetzliches für mich
hat -- wurde erst etwas Fremdes, Feindliches in die Natur und ihre
unschuldigen Triebe hineingetragen.
Der Kampf des Geistes mit der sinnlichen Welt ist das Evangelium der
Modernen. Ich will keinen Teil daran.«
»Ja, Ihr Platz wäre im Olymp, Madame«, entgegnete ich, »aber wir
Modernen ertragen einmal die antike Heiterkeit nicht, am wenigsten in
der Liebe; die Idee, ein Weib, und wäre es auch eine Aspasia, mit
anderen zu teilen, empört uns, wir sind eifersüchtig wie unser Gott. So
ist der Name der herrlichen Phryne bei uns zu einem Schimpfworte
geworden.

Wir ziehen eine dürftige, blasse, Holbeinsche Jungfrau, welche uns
allein gehört, einer antiken Venus vor, wenn sie noch so göttlich schön
ist, aber heute den Anchises, morgen den Paris, übermorgen den
Adonis liebt, und wenn die Natur in uns triumphiert, wenn wir uns in
glühender Leidenschaft einem solchen Weibe hingeben, erscheint uns
dessen heitere Lebenslust als Dämonie, als Grausamkeit, und wir sehen
in unserer Seligkeit eine Sünde, die wir büßen müssen.«
»Also auch Sie schwärmen für die moderne Frau, für jene armen,
hysterischen Weiblein, welche im somnambulen Jagen nach einem
erträumten, männlichen Ideal den besten Mann nicht zu schätzen
verstehen und unter Tränen und Krämpfen täglich ihre christlichen
Pflichten verletzen, betrügend und betrogen, immer wieder suchen und
wählen und verwerfen, nie glücklich sind, nie glücklich machen und
das Schicksal anklagen, statt ruhig zu gestehen, ich will lieben und
leben, wie Helena und Aspasia gelebt haben. Die Natur kennt keine
Dauer in dem Verhältnis von Mann und Weib.«
»Gnädige Frau --«
»Lassen Sie mich ausreden. Es ist nur der Egoismus des Mannes, der
das Weib wie einen Schatz vergraben will. Alle Versuche, durch
heilige Zeremonien, Eide und Verträge Dauer in das Wandelbarste im
wandelbaren menschlichen Dasein, in die Liebe hineinzutragen, sind
gescheitert.
Können Sie leugnen, daß unsere christliche Welt in Fäulnis
übergegangen ist?«
»Aber --«
»Aber der einzelne, der sich gegen die Einrichtungen der Gesellschaft
empört, wird ausgestoßen, gebrandmarkt, gesteinigt, wollen Sie sagen.
Nun gut. Ich wage es, meine Grundsätze sind recht heidnisch, ich will
mein Dasein ausleben. Ich verzichte auf euren heuchlerischen Respekt,
ich ziehe es vor, glücklich zu sein. Die Erfinder der christlichen Ehe
haben gut daran getan, auch gleich dazu die Unsterblichkeit zu erfinden.
Ich denke jedoch nicht daran, ewig zu leben, und wenn mit dem letzten

Atemzuge hier für mich als Wanda von Dunajew alles zu Ende ist, was
habe ich davon, ob mein reiner Geist in den Chören der Engel mitsingt
oder ob mein Staub zu neuen Wesen zusammenquillt? Sobald ich aber,
so wie ich bin, nicht fortlebe, aus welcher Rücksicht soll ich dann
entsagen? Einem Manne angehören, den ich nicht liebe, bloß deshalb,
weil ich ihn einmal geliebt habe? Nein, ich entsage nicht, ich liebe
jeden, der mir gefällt, und mache jeden glücklich, der mich liebt. Ist das
häßlich? Nein, es ist mindestens weit schöner, als wenn ich mich
grausam der Qualen freue, die meine Reize erregen,
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