Venus im Pelz | Page 9

Leopold von Sacher-Masoch

paßt. Sie hat wenig Römisches, aber viel Griechisches in der Bildung
ihrer Züge.
Bald möchte ich sie als Psyche, bald als Astarte malen, je nachdem ihre
Augen den schwärmerisch seelischen, oder jenen halb
verschmachtenden, halb versengenden, müd-wollüstigen Ausdruck
haben, aber sie wünscht, daß es ein Porträt werden soll.
Nun, ich werde ihr einen Pelz geben.
Ach! wie konnte ich nur zweifeln, für wen gehört ein fürstlicher Pelz,
wenn nicht für sie?
Ich war gestern abend bei ihr und las ihr die römischen Elegien. Dann
legte ich das Buch weg und sprach einiges aus dem Kopfe. Sie schien
zufrieden, ja noch mehr, sie hing förmlich an meinen Lippen und ihr
Busen flog.
Oder habe ich mich getäuscht? Der Regen pochte melancholisch an die

Scheiben, das Feuer am Kamin prasselte winterlich traulich, mir wurde
so heimatlich bei ihr, ich hatte einen Augenblick allen Respekt vor dem
schönen Weibe verloren und küßte ihre Hand und sie ließ es geschehen.
Dann saß ich zu ihren Füßen und las ihr ein kleines Gedicht, das ich für
sie gemacht habe.
Venus im Pelz
»Setz' den Fuß auf deinen Sklaven, Teuflisch holdes Mythenweib,
Unter Myrten und Agaven
Hingestreckt den Marmorleib.«
Ja -- nun weiter! Diesmal bin ich wirklich über die erste Strophe
hinausgekommen, aber ich habe ihr an jenem Abend das Gedicht auf
ihren Befehl gegeben und habe keine Abschrift, und heute, wo ich dies
aus meinem Tagebuche herausschreibe, fällt mir nur diese erste Strophe
ein.
Es ist eine merkwürdige Empfindung, die ich habe. Ich glaube nicht,
daß ich in Wanda verliebt bin, wenigstens habe ich bei unserer ersten
Begegnung nichts von jenem blitzartigen Zünden der Leidenschaft
gefühlt. Aber ich empfinde, wie ihre außerordentliche, wahrhaft
göttliche Schönheit allmählich magische Schlingen um mich legt. Es ist
auch keine Neigung des Gemütes, die in mir entsteht, es ist eine
physische Unterwerfung, langsam, aber um so vollständiger.
Ich leide täglich mehr, und sie -- sie lächelt nur dazu.
Heute sagte sie mir plötzlich, ohne jede Veranlassung: »Sie
interessieren mich. Die meisten Männer sind so gewöhnlich, ohne
Schwung, ohne Poesie; in Ihnen ist eine gewisse Tiefe und
Begeisterung, vor allem ein Ernst, der mir wohltut. Ich könnte Sie
liebgewinnen.«
Nach einem kurzen, aber heftigen Gewitterregen besuchen wir

zusammen die Wiese und das Venusbild. Die Erde dampft ringsum,
Nebel steigen wie Opferdünste gegen den Himmel, ein zerstückter
Regenbogen schwebt in der Luft, noch tropfen die Bäume, aber
Sperlinge und Finken springen schon von Zweig zu Zweig und
zwitschern lebhaft, wie wenn sie über etwas hoch erfreut wären, und
alles ist mit frischem Wohlgeruch erfüllt. Wir können die Wiese nicht
überschreiten, denn sie ist noch ganz naß und erscheint von der Sonne
beglänzt, wie ein kleiner Teich, aus dessen bewegtem Spiegel die
Liebesgöttin emporsteigt, um deren Haupt ein Mückenschwarm tanzt,
welcher, von der Sonne beschienen, wie eine Aureole über ihr schwebt.
Wanda freute sich des lieblichen Anblicks, und da auf den Bänken in
der Allee noch das Wasser steht, stützt sie sich, um etwas auszuruhen,
auf meinen Arm, eine süße Müdigkeit liegt in ihrem ganzen Wesen,
ihre Augen sind halb geschlossen, ihr Atem streift meine Wange.
Ich ergreife ihre Hand und -- wie es mir gelingt, weiß ich wahrhaftig
nicht -- ich frage sie:
»Könnten Sie mich lieben?«
»Warum nicht«, erwidert sie und läßt ihren ruhigen, sonnigen Blick auf
mir ruhen, aber nicht lange.
Im nächsten Augenblicke knie ich vor ihr und presse mein flammendes
Antlitz in den duftigen Mousselin ihrer Robe.
»Aber Severin -- das ist ja unanständig!« ruft sie.
Ich aber ergreife ihren kleinen Fuß und presse meine Lippen darauf.
»Sie werden immer unanständiger!« ruft sie, macht sich los und flieht
in raschen Sätzen gegen das Haus, während ihr allerliebster Pantoffel in
meiner Hand zurückbleibt.
Soll das ein Omen sein?
Ich wagte mich den ganzen Tag über nicht in ihre Nähe. Gegen Abend,

ich saß in meiner Laube, blickte plötzlich ihr pikantes rotes Köpfchen
durch die grünen Gewinde ihres Balkons. »Warum kommen Sie denn
nicht«
schrie sie ungeduldig herab.
Ich lief die Treppe empor, oben verlor ich wieder den Mut und klopfte
ganz leise an. Sie sagte nicht herein, sondern öffnete und trat auf die
Schwelle.
»Wo ist mein Pantoffel?«
»Er ist -- ich habe -- ich will«, stotterte ich.
»Holen Sie ihn und dann nehmen wir den Tee zusammen und
plaudern.«
Als ich zurückkehrte, war sie mit der Teemaschine beschäftigt. Ich
legte den Pantoffel feierlich auf den Tisch und stand im Winkel, wie
ein Kind, das seine Strafe erwartet.
Ich bemerkte, daß sie die Stirne etwas zusammengezogen hatte und um
ihren Mund etwas Strenges, Herrisches lag, das mich entzückte.
Auf einmal brach sie in Lachen aus.
»Also -- Sie sind wirklich verliebt -- in mich?«
»Ja, und ich leide dabei mehr, als Sie glauben.«
»Sie leiden?« sie lachte wieder.
Ich war empört, beschämt, vernichtet, aber alles ganz unnötig.
»Wozu?« fuhr sie fort, »ich
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