Venus im Pelz | Page 5

Leopold von Sacher-Masoch
meinem Leben gesehen
habe.
Das will freilich nicht viel sagen, denn ich habe wenig schöne Frauen,
ja überhaupt wenig Frauen gesehen und bin auch in der Liebe nur ein
Dilettant, der nie über die Grundierung, über den ersten Akt
hinausgekommen ist.
Wozu auch in Superlativen sprechen, als wenn etwas, was schön ist,
noch übertroffen werden könnte.
Genug, diese Venus ist schön und ich liebe sie, so leidenschaftlich, so
krankhaft innig, so wahnsinnig, wie man nur ein Weib lieben kann, das
unsere Liebe mit einem ewig gleichen, ewig ruhigen, steinernen

Lächeln erwidert. Ja, ich bete sie förmlich an.
Oft liege ich, wenn die Sonne im Gehölze brütet, unter dem Laubdach
einer jungen Buche und lese, oft besuche ich meine kalte, grausame
Geliebte auch bei Nacht und liege dann vor ihr auf den Knien, das
Antlitz gegen die kalten Steine gepreßt, auf denen ihre Füße ruhen, und
bete zu ihr.
Es ist unbeschreiblich, wenn dann der Mond heraufsteigt -- er ist eben
im Zunehmen -- und zwischen den Bäumen schwimmt und die Wiese
in silbernen Glanz taucht, und die Göttin steht dann wie verklärt und
scheint sich in seinem weichen Lichte zu baden.
Einmal, wie ich von meiner Andacht zurückkehrte, durch eine der
Alleen, die zum Hause führen, sah ich plötzlich, nur durch die grüne
Galerie von mir getrennt, eine weibliche Gestalt, weiß wie Stein, vom
Mondlicht beglänzt; da war mir's, als hätte sich das schöne
Marmorweib meiner erbarmt und sei lebendig geworden und mir
gefolgt -- mich aber faßte eine namenlose Angst, das Herz drohte mir
zu springen, und statt -- Nun, ich bin ja ein Dilettant. Ich blieb, wie
immer, beim zweiten Verse stecken, nein, im Gegenteil, ich blieb nicht
stecken, ich lief, so rasch ich laufen konnte.

Leopold von Sacher-Masoch: Venus im Pelz / 3
Welcher Zufall! ein Jude, der mit Photographien handelt, spielt mir das
Bild meines Ideals in die Hände; es ist ein kleines Blatt, die
»Venus mit dem Spiegel« von Titian, welch ein Weib! Ich will ein
Gedicht machen. Nein! Ich nehme das Blatt und schreibe darauf:
»Venus im Pelz«.
Du frierst, während du selbst Flammen erregst. Hülle dich nur in
deinen Despotenpelz, wem gebührt er, wenn nicht dir, grausame Göttin
der Schönheit und Liebe! -- Und nach einer Weile fügte ich einige
Verse von Goethe hinzu, die ich vor kurzem in seinen Paralipomena
zum Faust gefunden hatte.

An Amor!
»Erlogen ist das Flügelpaar,
Die Pfeile, die sind Krallen,
Die Hörnerchen verbirgt der Kranz,
Er ist ohn' allen Zweifel,
Wie alle Götter Griechenlands,
Auch ein verkappter Teufel.«
Dann stellte ich das Bild vor mich auf den Tisch, indem ich es mit
einem Buche stützte und betrachtete es.
Die kalte Koketterie, mit der das herrliche Weib seine Reize mit den
dunklen Zobelfellen drapiert, die Strenge, Härte, welche in dem
Marmorantlitz liegt, entzücken mich und flößen mir zugleich Grauen
ein.
Ich nehme noch einmal die Feder; da steht es nun:
»Lieben, geliebt werden, welch ein Glück! und doch wie verblaßt der
Glanz desselben gegen die qualvolle Seligkeit, ein Weib anzubeten, das
uns zu seinem Spielzeug macht, der Sklave einer schönen Tyrannin zu
sein, die uns umbarmherzig mit Füßen tritt. Auch Simson, der Held, der
Riese, gab sich Delila, die ihn verraten hatte, noch einmal in die Hand,
und sie verriet ihn noch einmal und die Philister banden ihn vor ihr und
stachen ihm die Augen aus, die er bis zum letzten Augenblicke von
Wut und Liebe trunken auf die schöne Verräterin heftete.«
Ich nahm das Frühstück in meiner Gaisblattlaube und las im Buche
Judith und beneidete den grimmen Heiden Holofernes um das
königliche Weib, das ihm den Kopf herunterhieb, und um sein blutig
schönes Ende.
»Gott hat ihn gestraft und hat ihn in eines Weibes Hände gegeben.« Der

Satz frappierte mich.
Wie ungalant diese Juden sind, dachte ich, und ihr Gott, er könnte auch
anständigere Ausdrücke wählen, wenn er von dem schönen
Geschlechte spricht.
»Gott hat ihn gestraft und hat ihn in eines Weibes Hände gegeben«,
wiederholte ich für mich. Nun, was soll ich etwa anstellen, damit er
mich straft? Um Gottes willen! da kommt unsere Hausfrau, sie ist über
Nacht wieder etwas kleiner geworden.
Und dort oben zwischen den grünen Ranken und Ketten wieder das
weiße Gewand. Ist es Venus oder die Witwe? Diesmal ist es die Witwe,
denn Madame Tartakowska knickst und ersucht mich in ihrem Namen
um Lektüre. Ich eile in mein Zimmer und raffe ein paar Bände
zusammen.
Zu spät erinnere ich mich, daß mein Venusbild in einem derselben liegt,
nun hat es die weiße Frau dort oben, samt meinen Ergüssen. Was wird
sie dazu sagen? Ich höre sie lachen.
Lacht sie über mich?
Vollmond! Da blickt er schon über die Wipfel der niederen Tannen,
welche den Park einsäumen, und silberner Duft erfüllt die Terrasse, die
Baumgruppen, die ganze Landschaft, so weit das Auge reicht, in
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