Venus im Pelz | Page 3

Leopold von Sacher-Masoch
das mir

aber gerade heute im roten Widerschein des Kaminfeuers einen
unbeschreiblichen Eindruck machte.
Es war ein großes Ölgemälde in der kräftigen farbensatten Manier der
belgischen Schule gemalt, sein Gegenstand seltsam genug.
Ein schönes Weib, ein sonniges Lachen auf dem feinen Antlitz, mit
reichem, in einen antiken Knoten geschlungenem Haare, auf dem der
weiße Puder wie leichter Reif lag, ruhte, auf den linken Arm gestützt,
nackt in einem dunkeln Pelz auf einer Ottomane; ihre rechte Hand
spielte mit einer Peitsche, während ihr bloßer Fuß sich nachlässig auf
den Mann stützte, der vor ihr lag wie ein Sklave, wie ein Hund, und
dieser Mann, mit den scharfen, aber wohlgebildeten Zügen, auf denen
brütende Schwermut und hingebende Leidenschaft lag, welcher mit
dem schwärmerischen brennenden Auge eines Märtyrers zu ihr
emporsah, dieser Mann, der den Schemel ihrer Füße bildete, war
Severin, aber ohne Bart, wie es schien um zehn Jahre jünger.
»Venus im Pelz!« rief ich, auf das Bild deutend, »so habe ich sie im
Traume gesehen.« -- »Ich auch«, sagte Severin, »nur habe ich meinen
Traum mit offenen Augen geträumt.«
»Wie?«
»Ach! das ist eine dumme Geschichte.
»Dein Bild hat offenbar Anlaß zu meinem Traum gegeben«, fuhr ich
fort, »aber sage mir endlich einmal, was damit ist, daß es eine Rolle
gespielt hat in deinem Leben, und vielleicht eine sehr entscheidende,
kann ich mir denken, aber das weitere erwarte ich von dir.«
»Sieh dir einmal das Gegenstück an«, entgegnete mein seltsamer
Freund, ohne auf meine Frage einzugehen.
Das Gegenstück bildete eine treffliche Kopie der bekannten »Venus mit
dem Spiegel«
von Titian in der Dresdener Galerie.

»Nun, was willst du damit?«
Severin stand auf und wies mit dem Finger auf den Pelz, mit dem
Titian seine Liebesgöttin bekleidet hat.
»Auch hier ?Venus im Pelz?« sprach er fein lächelnd, »ich glaube nicht,
daß der alte Venetianer damit eine Absicht verbunden hat. Er hat
einfach das Porträt irgendeiner vornehmen Messaline gemacht und die
Artigkeit gehabt, ihr den Spiegel, in welchem sie ihre majestätischen
Reize mit kaltem Behagen prüft, durch Amor halten zu lassen, dem die
Arbeit sauer genug zu werden scheint. Das Bild ist eine gemalte
Schmeichelei.
Später hat irgendein ?Kenner? der Rokokozeit die Dame auf den
Namen Venus getauft, und der Pelz der Despotin, in den sich Titians
schönes Modell wohl mehr aus Furcht vor dem Schnupfen als
Keuschheit gehüllt hat, ist zu einem Symbol der Tyrannei und
Grausamkeit geworden, welche im Weibe und seiner Schönheit liegt.
Aber genug, so wie das Bild jetzt ist, erscheint es uns als die pikanteste
Satire auf unsere Liebe.
Venus, die im abstrakten Norden, in der eisigen christlichen Welt in
einen großen schweren Pelz schlüpfen muß, um sich nicht zu erkälten.
--«
Severin lachte und zündete eine neue Zigarette an.
Eben ging die Türe auf und eine hübsche volle Blondine mit klugen
freundlichen Augen, in einer schwarzen Seidenrobe, kam herein und
brachte uns kaltes Fleisch und Eier zum Tee. Severin nahm eines der
letzteren und schlug es mit dem Messer auf. » Habe ich dir nicht gesagt,
daß ich sie weich gekocht haben will?« rief er mit einer Heftigkeit,
welche die junge Frau zittern machte.
»Aber lieber Sewtschu --« sprach sie ängstlich.
»Was Sewtschu«, schrie er, »gehorchen sollst du, gehorchen, verstehst

du«, und er riß den Kantschuk, welcher neben seinen Waffen hing, vom
Nagel.
Die hübsche Frau floh wie ein Reh rasch und furchtsam aus dem
Gemache.
»Warte nur, ich erwische dich noch«, rief er ihr nach.
»Aber Severin«, sagte ich, meine Hand auf seinen Arm legend, »Wie
kannst du die hübsche kleine Frau so traktieren!«
»Sieh dir das Weib nur an«, erwiderte er, indem er humoristisch mit
den Augen zwinkerte,
»hätte ich ihr geschmeichelt, so hätte sie mir die Schlinge um den Hals
geworfen, so aber, weil ich sie mit dem Kantschuk erziehe, betet sie
mich an.«
»Geh' mir!«
»Geh' du mir, so muß man die Weiber dressieren.«
»Leb' meinetwegen wie ein Pascha in deinem Harem, aber stelle mir
nicht Theorien auf --«
»Warum nicht«, rief er lebhaft, »nirgends paßt Goethes ?Du mußt
Hammer oder Amboß sein? so vortrefflich hin wie auf das Verhältnis
von Mann und Weib, das hat dir beiläufig Frau Venus im Traume auch
eingeräumt. In der Leidenschaft des Mannes ruht die Macht des Weibes,
und es versteht sie zu benützen, wenn der Mann sich nicht vorsieht. Er
hat nur die Wahl, der Tyrann oder der Sklave des Weibes zu sein. Wie
er sich hingibt, hat er auch schon den Kopf im Joche und wird die
Peitsche fühlen.«
»Seltsame Maximen!«
»Keine Maximen, sondern Erfahrungen«, entgegnete er mit dem Kopfe
nickend, ich bin im Ernste gepeitscht worden, ich bin kuriert, willst du
lesen wie?«

Er erhob sich und holte aus seinem massiven Schreibtisch eine kleine
Handschrift, welche er vor mir auf den Tisch legte.
»Du hast früher nach jenem Bilde gefragt. Ich bin dir schon lange eine
Erklärung schuldig.
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