Venus im Pelz | Page 2

Leopold von Sacher-Masoch
ich -- wer dann nicht zu unterjochen versteht, wird nur zu rasch den
Fuß des anderen auf seinem Nacken fühlen --«
»Und zwar in der Regel der Mann den Fuß des Weibes«, rief Frau
Venus mit übermütigem Hohne, »was Sie wieder besser wissen als
ich.«
»Gewiß, und eben deshalb mache ich mir keine Illusionen.«
»Das heißt, Sie sind jetzt mein Sklave ohne Illusionen, und ich werde
Sie dafür auch ohne Erbarmen treten.«
»Madame!«
»Kennen Sie mich noch nicht, ja, ich bin grausam -- weil Sie denn
schon an dem Worte so viel Vergnügen finden -- und habe ich nicht
recht, es zu sein? Der Mann ist der Begehrende, das Weib das Begehrte,
dies ist des Weibes ganzer, aber entscheidender Vorteil, die Natur hat
ihm den Mann durch seine Leidenschaft preisgegeben, und das Weib,
das aus ihm nicht seinen Untertan, seinen Sklaven, ja sein Spielzeug zu
machen und ihn zuletzt lachend zu verraten versteht, ist nicht klug.«
»Ihre Grundsätze, meine Gnädige«, warf ich entrüstet ein.
»Beruhen auf tausendjähriger Erfahrung«, entgegnete Madame
spöttisch, während ihre weißen Finger in dem dunkeln Pelz spielten,
»je hingebender das Weib sich zeigt, um so schneller wird der Mann
nüchtern und herrisch werden; je grausamer und treuloser es aber ist, je
mehr es ihn mißhandelt, je frevelhafter es mit ihm spielt, je weniger
Erbarmen es zeigt, um so mehr wird es die Wollust des Mannes erregen,
von ihm geliebt, angebetet werden. So war es zu allen Zeiten, seit
Helena und Delila, bis zur zweiten Katharina und Lola Montez herauf.«

»Ich kann es nicht leugnen«, sagte ich, »es gibt für den Mann nichts,
das ihn mehr reizen könnte, als das Bild einer schönen, wollüstigen und
grausamen Despotin, welche ihre Günstlinge übermütig und
rücksichtslos nach Laune wechselt --«
»Und noch dazu einen Pelz trägt«, rief die Göttin.
»Wie kommen Sie darauf?«
»Ich kenne ja Ihre Vorliebe.«
»Aber wissen Sie«, fiel ich ein, »daß Sie, seitdem wir uns nicht
gesehen haben, sehr kokett geworden sind.«
»Inwiefern, wenn ich bitten darf?«
»Insofern es keine herrlichere Folie für Ihren weißen Leib geben
könnte, als diese dunklen Felle und es Ihnen --«
Die Göttin lachte.
»Sie träumen«, rief sie, »wachen Sie auf!« und sie faßte mich mit ihrer
Marmorhand beim Arme, »wachen Sie doch auf!« dröhnte ihre Stimme
nochmals im tiefsten Brustton. Ich schlug mühsam die Augen auf.
Ich sah die Hand, die mich rüttelte, aber diese Hand war auf einmal
braun wie Bronze, und die Stimme war die schwere Schnapsstimme
meines Kosaken, der in seiner vollen Größe von nahe sechs Fuß vor
mir stand.
»Stehen Sie doch auf«, fuhr der Wackere fort, »es ist eine wahrhafte
Schande.«
»Und weshalb eine Schande?«
»Eine Schande in Kleidern einzuschlafen und noch dazu bei einem
Buche«, er putzte die heruntergebrannten Kerzen und hob den Band auf,
der meiner Hand entsunken war, »bei einem Buche von -- er schlug den
Deckel auf, von Hegel -- dabei ist es die höchste Zeit zu Herrn Severin

zu fahren, der uns zum Tee erwartet.«

Leopold von Sacher-Masoch: Venus im Pelz / 2
»Ein seltsamer Traum«, sprach Severin, als ich zu Ende war, stützte die
Arme auf die Knie, das Gesicht in die feinen zartgeäderten Hände und
versank in Nachdenken.
Ich wußte, daß er sich nun lange Zeit nicht regen, ja kaum atmen würde,
und so war es in der Tat, für mich hatte indes sein Benehmen nichts
Auffallendes, denn ich verkehrte seit beinahe drei Jahren in guter
Freundschaft mit ihm und hatte mich an alle seine Sonderbarkeiten
gewöhnt. Denn sonderbar war er, das ließ sich nicht leugnen, wenn
auch lange nicht der gefährliche Narr, für den ihn nicht allein seine
Nachbarschaft, sondern der ganze Kreis von Kolomea hielt. Mir war
sein Wesen nicht bloß interessant, sondern -- und deshalb passierte ich
auch bei vielen als ein wenig vernarrt -- in hohem Grade sympathisch.
Er zeigte für einen galizischen Edelmann und Gutsbesitzer wie für sein
Alter -- er war kaum über dreißig -- eine auffallende Nüchternheit des
Wesens, einen gewissen Ernst, ja sogar Pedanterie. Er lebte nach einem
minutiös ausgeführten, halb philosophischen, halb praktischen Systeme,
gleichsam nach der Uhr, und nicht das allein, zu gleicher Zeit nach dem
Thermometer, Barometer, Aerometer, Hydrometer, Hippokrates,
Hufeland, Plato, Kant, Knigge und Lord Chesterfield; dabei bekam er
aber zu Zeiten heftige Anfälle von Leidenschaftlichkeit, wo er Miene
machte, mit dem Kopfe durch die Wand zu gehen, und ihm ein jeder
gerne aus dem Wege ging.
Während er also stumm blieb, sang dafür das Feuer im Kamin, sang der
große ehrwürdige Samowar, und der Ahnherrnstuhl, in dem ich, mich
schaukelnd, meine Zigarre rauchte, und das Heimchen im alten
Gemäuer sang auch, und ich ließ meinen Blick über das absonderliche
Geräte, die Tiergerippe, ausgestopften Vögel, Globen, Gipsabgüsse
schweifen, welche in seinem Zimmer angehäuft waren, bis er zufällig
auf einem Bilde haften blieb, das ich oft genug gesehen hatte,
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