Venetianische Epigramme | Page 7

Johann Wolfgang von Goethe

seyn Die das alberne Zeug lesen und glauben an ihn.

W e i s e n denckt er zu schreiben, die Weisen mag ich nicht kennen:
Ist das Weisheit, bey Gott, bin ich mit Freuden ein Thor.
CXI.
Dich betrügt der Staatsmann, der Pfaffe, der Lehrer der Sitten, Und
dieß Kleeblatt wie tief betest du Pöbel es an.
Leider läßt sich noch
kaum was rechtes denken und sagen
Das nicht grimmig den Staat,
Götter und Sitten verlezt.
CXII.
Was auch Helden gethan, was Kluge gelehrt, es verachtet's

Wähnender christlicher Stolz neben den Wundern des Herrn.
Und
doch schmückt er sich selbst und seinen nackten Erlöser Mit dem
besten heraus was uns der Heide verlies.
So versammelt der Pfaffe
die edlen leuchtenden Kerzen
Um das gestempelte Brod das er zum
Gott sich geweiht.
CXIII.

Viele folgten dir gläubig und haben des irdischen Lebens
Rechte
Wege verfehlt, wie es dir selber erging.
Folgen mag ich dir nicht; ich
möchte dem Ende der Tage
Als ein vernünftiger Mann, als ein
vergnügter mich nahn.
Heute gehorch ich dir doch und wähle den
Pfad ins Gebirge,
Dießmal schwärmst du wohl nicht, König der
Juden leb wohl.
CXIV.
Offen steht das Grab! Welch herrlich Wunder!
Auferstanden! - Wer's
glaubt! Schelmen, ihr trugt ihn ja weg.
CXV.
Was vom Kristenthum gilt, gilt von den Stoikern, freyen
Menschen
geziemet es nicht Krist oder Stoiker seyn.
CXVI.
Juden und Heiden hinaus! so duldet der christliche Schwärmer. Christ
und Heide verflucht! murmelt ein jüdischer Bart.
Mit den Christen an
Spies und mit den Juden ins Feuer!
Singet ein türckisches Kind
Christen und Juden zum Spott.
Welcher ist der klügste? Entscheide!
Aber sind diese
Narren in deinem Palast, Gottheit, so geh ich vorbey.
CXVII.
Höllengespenster seyd ihr und keine Christen ihr Schreyer
Die ihr
den lieblichen Schlaf mir von den Augen verscheucht. Warum macht
der Pfaffe soviele tausend Gebärden
Und verscheuchet euch nicht
wieder zur Hölle zurück?
CXVIII.
Wenn ein verständiger Koch ein artig Gastmal bereitet,
Mischt er
unter die Kost vieles und vieles zugleich.
So genießet auch ihr dieß

Büchlein und kaum unterscheidet
Alles ihr was ihr genießt. Nun es
bekomm euch nur wohl.
CXIX.
Sagt, wem geb' ich dieß Büchlein? Der Fürstin die mirs gegeben, Die
uns Italien noch jetzt in Germanien schafft.
CXX.
"Wagst du Deutsch zu schreiben unziemliche Sachen!" - Mein Guter
Deutsch dem kleinen Bezirk leider ist griechisch der Welt.
CXXI.
Aus zu eklem Geschmack verbrannte Nauger Martialen.
Wirfst du
das Silber hinweg, weil es nicht Gold ist? Pedant!
CXXII.
Mehr hat Horaz nicht gewollt, er fand es, weniger wollen
Kann man
mit größerm Verdienst und man erhält auch nicht das.
CXXIII.
Wie der Mensch das Pfuschen so liebt! Fast glaub ich dem Mythus, Der
mir erzählet ich sey selbst ein verpfuschtes Geschöpf.
CXXIV.
Das gemeine lockt jeden: siehst du in Kürze von vielen
Etwas
geschehen, sogleich dencke nur: dieß ist gemein.
CXXV.
Wären der Welt die Augen zu öffnen! - Das könnte geschehen! Besser
du suchest dir selbst und du erfindest dein Theil.
CXXVI.

Helden herrlich zu seyn beschädigen tausende. Tadelt
Nicht den
Dichter der auch wie ein Eroberer denkt.
CXXVII.
Wenn du schelten willst, so wolle kein Heiliger scheinen,
Denn ein
rechtlicher Mann schweigt und verzeihet uns gern.
CXXVIII.
Unglückselige Frösche die ihr Venedig bewohnet!
Springt ihr zum
Wasser heraus, springt ihr auf hartes Gestein.
CXXIX.
Einen zierlichen Käfig erblickt ich, hinter dem Gitter
Regten sich
emsig und rasch Mädchen des süßen Gesangs.
Mädchen wissen sonst
nur uns zu ermüden, Venedig
Heil dir daß du sie auch uns zu
erquicken ernährst.
CXXX.
Alle Weiber sind Waare, mehr oder weniger kostet
Sie den
begierigen Mann der sich zum Handel entschließt.
Glücklich ist die
Beständige die den Beständigen findet,
Einmal nur sich verkauft und
auch nur einmal gekauft wird.
CXXXI.
Hat dich Hymen geflohn? Hast du ihn gemieden? - Was sag ich?
Hymen! köstlich ist er, aber zu ernsthaft für mich.
Aus dem Ehbett
darf man nicht schwätzen und Dichter sind schwatzhaft. Freye Liebe
sie läßt frey uns die Zunge, den Muth.
CXXXII.
Jungfer! ruf ich das Mädchen, ist, Jungfer, der Herr nicht zu Hause?

Aber sie hört nicht, der Ruf schlägt ihr am Ohr nicht an.
CXXXIII.
Vier gefällige Kinder hast du zum Glauben erzogen
Alter Gauckler
und schickst nun sie zum Sammlen umher.
Meine Güter trag ich bey
mir! so sagte der Weise,
Meine Güter, sagst du, hab ich mir selber
gemacht.
CXXXIV.
Amerikanerinn nennst du das Töchterchen alter Phantaste,

Glücklicher! hast du sie nicht hier in Europa gemacht?
CXXXV.
Ich empfehle mich euch! Seyd wacker, sagst du und reichest
Mir das
Tellerchen dar, lächelst und dankest gar schön.
Ach empfohlen bist
du genug und wärst du nur älter,
Wacker wollten wir seyn, wach biß
zum Krähen des Hahns.
CXXXVI.
Zürnet nicht ihr Frauen daß wir das Mädchen bewundern:
Ihr
genießet des Nachts was sie am Abend erregt.
CXXXVII.
Was ich am meisten besorge: Bettina wird immer geschickter, Immer
beweglicher wird jegliches Gliedchen an ihr;
Endlich bringt sie das
Züngelchen noch in zierliche Spielt mit dem artigen Selbst,
achtet die Männer nicht viel.
CXXXVIII.
Auszuspannen befiehlt der Vater die zierlichen
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