aufzuschreiben.
Bald darauf sollte Ottilie zu ihren Eltern auf einige Monate verreisen.
Die jungen Leute betrübten sich äußerst, da sie scheiden sollten, und
ein Umstand machte ihre Trennung noch bedeutender. Ottilie erfuhr
durch einen Zufall, daß die Geschenke von Ferdinanden kamen; sie
setzte ihn darüber zu Rede, und als er es gestand, schien sie sehr
verdrießlich zu werden. Sie bestand darauf, daß er sie zurücknehmen
sollte, und diese Zumutung machte ihm die bittersten Schmerzen. Er
erklärte ihr, daß er ohne sie nicht leben könne noch wolle; er bat sie,
ihm ihre Neigung zu erhalten, und beschwor sie, ihm ihre Hand nicht
zu versagen, sobald er versorgt und häuslich eingerichtet sein würde.
Sie liebte ihn, sie war gerührt, sie sagte ihm zu, was er wünschte, und
in diesem glücklichen Augenblicke versiegelten sie ihr Versprechen
mit den lebhaftesten Umarmungen und mit tausend herzlichen Küssen.
Nach ihrer Abreise schien Ferdinand sich sehr allein. Die
Gesellschaften, in welchen er sie zu sehen pflegte, reizten ihn nicht
mehr, indem sie fehlte. Er besuchte nur noch aus Gewohnheit sowohl
Freunde als Lustörter, und nur mit Widerwillen griff er noch einigemal
in die Kasse des Vaters, um Ausgaben zu bestreiten, zu denen ihn keine
Leidenschaft nötigte. Er war oft allein, und die gute Seele schien die
Oberhand zu gewinnen. Er erstaunte über sich selbst bei ruhigem
Nachdenken, wie er jene Sophistereien über Recht und Besitz, über
Ansprüche an fremdes Gut, und wie die Rubriken alle heißen mochten,
bei sich auf eine so kalte und schiefe Weise habe durchführen und
dadurch eine unerlaubte Handlung beschönigen können. Es ward ihm
nach und nach deutlich, daß nur Treue und Glauben die Menschen
schätzenswert mache, daß der Gute eigentlich leben müsse, um alle
Gesetze zu beschämen, indem ein anderer sie entweder umgehen oder
zu seinem Vorteil gebrauchen mag.
Inzwischen, ehe diese wahren und guten Begriffe bei ihm ganz klar
wurden und zu herrschenden Entschlüssen führten, unterlag er doch
noch einigemal der Versuchung, aus der verbotenen Quelle in
dringenden Fällen zu schöpfen. Niemals tat er es aber ohne
Widerwillen, und nur wie von einem bösen Geiste an den Haaren
hingezogen.
Endlich ermannte er sich und faßte den Entschluß, vor allen Dingen die
Handlung sich unmöglich zu machen und seinen Vater von dem
Zustande des Schlosses zu unterrichten. Er fing es klug an und trug den
Kasten mit den nunmehr geordneten Briefen in Gegenwart seines
Vaters durch das Zimmer, beging mit Vorsatz die Ungeschicklichkeit,
mit dem Kasten wider den Schreibtisch zu stoßen, und wie erstaunte
der Vater, als er den Deckel auffahren sah! Sie untersuchten beide das
Schloß und fanden, daß die Schließhaken durch die Zeit abgenutzt und
die Bänder wandelbar waren. Sogleich ward alles repariert, und
Ferdinand hatte seit langer Zeit keinen vergnügtern Augenblick, als da
er das Geld in so guter Verwahrung sah.
Aber dies war ihm nicht genug. Er nahm sich sogleich vor, die Summe,
die er seinem Vater entwendet hatte und die er noch wohl wußte,
wieder zu sammeln und sie ihm auf eine oder die andere Weise
zuzustellen. Er fing nun an, aufs genaueste zu leben und von seinem
Taschengelde, was nur möglich war, zu sparen. Freilich war das nur
wenig, was er hier zurückhalten konnte, gegen das, was er sonst
verschwendet hatte; indessen schien die Summe schon groß, da sie ein
Anfang war, sein Unrecht wiedergutzumachen. Und gewiß ist ein
ungeheurer Unterschied zwischen dem letzten Taler, den man borgt,
und zwischen dem ersten, den man abbezahlt.
Nicht lange war er auf diesem guten Wege, als der Vater sich entschloß,
ihn in Handelsgeschäften zu verschicken. Er sollte sich mit einer
entfernten Fabrikanstalt bekannt machen. Man hatte die Absicht, in
einer Gegend, wo die ersten Bedürfnisse und die Handarbeit sehr
wohlfeil waren, selbst ein Comptoir zu errichten, einen Kompagnon
dorthin zu setzen, den Vorteil, den man gegenwärtig andern gönnen
mußte, selbst zu gewinnen und durch Geld und Kredit die Anstalt ins
Große zu treiben. Ferdinand sollte die Sache in der Nähe untersuchen
und davon einen umständlichen Bericht abstatten. Der Vater hatte ihm
ein Reisegeld ausgesetzt und ihm vorgeschrieben, damit auszukommen;
es war reichlich, und er hatte sich nicht darüber zu beklagen.
Auch auf seiner Reise lebte Ferdinand sehr sparsam, rechnete und
überrechnete und fand, daß er den dritten Teil seines Reisegeldes
ersparen könnte, wenn er auf jede Weise sich einzuschränken fortfahre.
Er hoffte nun auch auf Gelegenheit, zu dem übrigen nach und nach zu
gelangen, und er fand sie. Denn die Gelegenheit ist eine gleichgültige
Göttin, sie begünstigt das Gute wie das Böse.
In der Gegend, die er besuchen sollte, fand er alles weit vorteilhafter,
als man geglaubt hatte. Jedermann ging in dem alten Schlendrian
handwerksmäßig fort. Von neuentdeckten Vorteilen hatte man keine
Kenntnis, oder man hatte keinen Gebrauch davon gemacht. Man
wendete nur mäßige Summen Geldes auf und war mit einem mäßigen
Profit zufrieden, und er sah bald ein, daß
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