zu Platon ??berhaupt in Frage kommen k??nnte, so gut wie ausschlie??lich auf eine Anzahl Lehrs?¤tze und Gedanken der ersten sechs Kapitel beschr?¤nken! Sodann ist zu bemerken, da?? Platon sich zwar mehr oder minder ausf??hrlich ??ber Zweck, Wirkung, Charakter und Ursprung der Dichtung ausgesprochen hat, da?? aber von (S. XXI) einer Technik der Dichtkunst--und das ist doch wohl unsere Poetik--sich schlechterdings nichts findet, was dem Aristoteles als Grundlage oder Quelle der Erkenntnis h?¤tte dienen k??nnen. Selbst die platonische Auffassung der nachahmenden T?¤tigkeit des K??nstlers (Mimesis) weicht durch ihre Verkn??pfung mit der Ideenlehre von der des Aristoteles sehr erheblich ab. Und dasselbe gilt von einer gro??en Anzahl gelegentlicher ??u??erungen, wie ??ber die furcht- und mitleiderregende Wirkung der Trag??die, ??ber den Unterschied zwischen dem Drama und dem Epos, ??ber die der Dichtung zugrundeliegenden Ursachen und ??ber den Dithyrambus als nicht mimetische Darstellung. Und selbst bei diesen Fragen ergibt oft die Art der Betrachtung, da?? Platon sie nicht zuerst aufgeworfen, sondern zu anderweitig bereits er??rterten literarischen Problemen seinerseits, sei es zustimmend, sei es ablehnend, Stellung nimmt. Mit welchen Gewaltmitteln die Abh?¤ngigkeit des Aristoteles von Platon glaubhaft gemacht werden soll, daf??r sei wenigstens ein besonders krasses Beispiel angef??hrt. Mit der dem Aristoteles eigenen analytischen Sch?¤rfe werden die Unterschiede In der nachahmenden Darstellung aller musischen K??nste festgestellt, n?¤mlich in den Mitteln, den Gegenst?¤nden und der Art und Weise (c. 1), eine Einteilung, die sich auch f??r die sechs Teile einer kunstgerechten Trag??die bew?¤hrt (c. 6). Diese tief durchdachte Unterscheidung soll nun nicht nur sachlich, sondern sogar im Wortlaut dem Platon entnommen sein. In der Rep. III 392^c schlie??t n?¤mlich Sokrates eine l?¤ngere Er??rterung dar??ber, da?? in seinem Idealstaate nur Spezialisten als Lehrer Zula?? haben sollten, mit folgenden Worten: "Wir sind nun, was die musische Bildung anbelangt, v??llig zu Ende gekommen und haben angegeben, was ausgesprochen werden soll und wie." Inhaltlich haben, wie (S. XXII) man sieht, diese Worte, wie auch der ganze Zusammenhang mit der aristotelischen Betrachtung auch nicht das mindeste gemein und auch abgesehen davon, fehlt noch fatalerweise das dritte Glied--die Mittel! Aber durch solche Kleinigkeiten l?¤??t sich Finsler seine Kreise nicht st??ren. Aristoteles wird wiederholt beschuldigt auch die einfachsten Redewendungen, wo der Gedanke sich griechisch kaum anders h?¤tte ausdr??cken lassen, dem Platon entlehnt zu haben. So z.B. da?? die Dichter Handelnde nachahmen (Rep. 10, 603?°), obwohl gerade dieser Gedanke gar nicht einmal platonischen Ursprungs sein d??rfte, denn Aristoteles sagt ausdr??cklich, da?? bei der Ableitung des Wortes "Drama", von der bei Platon nirgends die Rede ist, "einige" auf eben jene Tatsache sich berufen h?¤tten.
Die Behauptung einer durchg?¤ngigen, fast sklavischen Abh?¤ngigkeit des Aristoteles von Platon h?¤lt demnach vor einer unbefangenen und vorurteilslosen Pr??fung nicht Stand. Ein Einflu?? des Lehrers auf seinen Sch??ler in dem oben angedeuteten Sinne soll darum keineswegs in Abrede gestellt werden, aber soweit die uns vorliegenden Lehren der Poetik in Betracht kommen, h?¤tte ihr Verfasser keinerlei Veranlassung gehabt, einem "Pereant qui ante nos nostra dixerunt" Ausdruck zu geben.
W?¤hrend uns Platons Werke vollst?¤ndig zum Vergleich vorliegen, sind die sonstigen Vorg?¤nger des Aristoteles g?¤nzlich verschollen und selbst Schriften wie die eines Demokrites "??ber die Dichtung" und "??ber Rhythmen und Harmonie" oder des Sophisten Hippias "??ber Musik" und "??ber Rhythmen und Harmonien", die auf ?¤hnliche Er??rterungen allenfalls schlie??en lie??en, sind f??r uns nur leere Titel. Da?? aber eine reiche fachm?¤nnische Literatur, die, wie gesagt (S. XXIII) haupts?¤chlich aus sophistischen Kreisen stammte, dem Aristoteles zur Verf??gung stand, beweisen allein die Fr??sche des Aristophanes (405), die bereits eine staunenswerte, allgemeine Kenntnis ??ber die Technik des Dramas von Seiten des athenischen Theaterpublikums zur notwendigen Voraussetzung haben.
Gl??cklicherweise gibt unsere Poetik selbst uns noch wertvolle Andeutungen ??ber fr??here Schriftsteller auf diesem Gebiete, denn an nicht weniger als 12 bezw. 13 Stellen beruft sich Aristoteles ausdr??cklich auf Vorg?¤nger und zwar f??nfmal mit Namennennung (Protagoras, Hippias von Thasos, Eukleides, Glaukon und _Ariphrades_). Bei vier von diesen handelt es sich meist um Einzelheiten in betreff des Versbaues und des Sprachgebrauchs, bei Glaukon dagegen um eine von ihm unter Zustimmung des Verfassers gegei??elte falsche Methode zahlreicher, literarischer Kritiker, die f??r uns zwar namenlos sind, deren Existenz aber eben durch jenen Ausfall erwiesen wird. Wichtiger f??r die Quellenfrage sind die ??brigen Stellen, aus denen man seltsamerweise bisher nicht die Konsequenzen gezogen hat, sondern sich damit begn??gte, sie als gleichsam isolierte ??u??erungen zu betrachten, die Aristoteles nur erw?¤hnt, um sie abzuweisen. Mit dem Motiv mag es seine Richtigkeit haben, entspricht es doch durchaus der antiken Zitiermethode, auf einen Vorg?¤nger nur dann anzuspielen, und zwar meist unter dem Deckmantel des Plurals ("einige behaupten, man sagt" u.?¤.), wenn man ihn bek?¤mpfen oder widerlegen will. Sobald wir uns aber die Umgebung, in der die betreffenden Stellen[7] stehen, genauer ansehen, ergibt sich sofort da?? es sich unm??glich nur um gelegentliche Urteile handelte, sondern da?? diese nur in ausf??hrlichen Untersuchungen ??ber alle in unmittelbarem Zusammenhang (S. XXIV) stehenden Fragen abgegeben sein konnten.
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