Uber die Dichtkunst | Page 4

Aristotle
bis 1198), denn die orientalischen ??bersetzer standen (S. XIV) dem Inhalt der Poetik mit der denkbar tiefsten Verst?¤ndnislosigkeit gegen??ber. Eine genaue Untersuchung hat aber den unwiderleglichen Beweis erbracht, da?? jene alte, griechische Hs einen weit vorz??glicheren Text darbot als die ?¤lteste uns erhaltene Hs, der Parisinus 1741 aus dem 10. Jahrh. und da?? die bisher fast allgemein geltende Ansicht, dieser sei der Stammvater aller sp?¤teren, ??brigens sehr zahlreichen Hss, den Tatsachen nicht entspricht.
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4. Die Poetik in der Neuzeit.
Es ist ein seltsames Zusammentreffen, da?? gerade um die Zeit, da die Hegemonie des Philosophen Aristoteles, der die Gedankenwelt des Mittelalters beherrscht hatte, sich ihrem Ende zuneigte, seine Poetik aus langer Vergessenheit im Abendlande wieder auftauchte und er nun alsbald als literarischer Diktator, gleichsam als Ersatz f??r das verlorene Reich, einen erneuten Siegeslauf antrat. Die Poetik erschien zuerst in einer w??rtlichen lateinischen ??bersetzung des Georgius Valla (1498), die editio princeps des Originals zehn Jahre sp?¤ter in einer Aldina. Den ersten Kommentar lieferte F. Robortelli (Florenz l548), dem innerhalb zwei Dezennien drei weitere gelehrte und umfangreiche Kommentare folgten: Madius (Venedig 1550), _P. Victorius_ (Florenz 1560) und Castelvetro (Wien 1570). Bis etwa zur Wende des 18. Jahrh. waren bereits mehr als 100 Ausgaben und ??bersetzungen erschienen--die Poetik wurde ??fter als irgendein anderes Werk griechischer Prosa herausgegeben,--doch ist im wesentlichen, weder in der Textkritik noch in der Erkl?¤rung, ein nennenswerter Fortschritt ??ber die genannten Leistungen zu verzeichnen. Ein solcher trat erst mit den Arbeiten (S. XV) zweier Engl?¤nder, Twining (1789) und Tyrwhitt (1794) ein, w?¤hrend Lessing etwas fr??her in der Hamburgischen Dramaturgie (1767/8) das Studium der Poetik in Deutschland zu neuem Leben erweckte. Die erste deutsche ??bersetzung von Curtius (1755) war n?¤mlich als solche sehr kl?¤glich ausgefallen und die ihr beigegebenen Abhandlungen waren ganz von Dacier (1692) abh?¤ngig und in Gottschedschem Geiste geschrieben Sie hat aber insofern ein gewisses historisches Interesse, weil sowohl Goethe wie Schiller die aristotelische Schrift aus ihr kennen lernte. Eine neue Epoche sowohl f??r die Textkritik wie f??r die Erkl?¤rung begann dann erst wieder mit Vahlen, der zuerst konsequent die Recensio auf die ?¤lteste Hs, den Parisinus 1741 (A^c), aufbaute und in seinen "Beitr?¤gen zu Aristoteles Poetik" ("Wien 1865/6), einer der hervorragendsten hermeneutischen Leistungen unserer Wissenschaft, das Verst?¤ndnis der Poetik m?¤chtig f??rderte. Mehr negativ von Bedeutung war sodann die gl?¤nzende Abhandlung von _J. Bernays_ (1857) ??ber die Katharsis da sie der Ausgangspunkt einer gewaltigen Kontroverse wurde, die bis auf den heutigen Tag noch nicht zur Ruhe gekommen ist.
Etwa gleichzeitig mit jenen vier gro??en italienischen Kommentatoren des 16. Jahrh. begann die literarische Kritik sich mit den Lehren der Schrift zu besch?¤ftigen, wobei der Einflu?? des Castelvetro besonders verh?¤ngnisvoll werden sollte, denn das ber??hmte Gesetz der "Drei Einheiten," der Handlung, der Zeit und des Ortes, von denen Aristoteles einzig und allein die erste kennt und fordert, beruht auf einem Mi??verst?¤ndnis des Castelvetro. Sogenannte "Poetiken" sprangen vom 16. Jahrh. wie Pilze aus dein Boden. Samt und sonders nehmen sie zu den wirklichen, leider zu oft auch zu den vermeintlichen Lehren des Aristoteles (S. XVI) Stellung und gar bald versuchten epische und dramatische Dichter, zuerst in Italien, dann in Frankreich jene Lehren praktisch zu verwerten. Unter den Kritikern und Verfassern von Lehrb??chern der Dichtkunst des 16. Jahrh. seien hier nur die einflussreichsten genannt, was aber keineswegs immer besondere Originalit?¤t oder Selbst?¤ndigkeit voraussetzt: Minturno, De poeta (1559), _J.C. Scaliger_, Poetices libri VII (1561),[3] Sir Philip Sidney, Defense of Poesy (c. 1583, gedruckt 1595), Patrizzi, Della Poetica (1586), ein fanatischer Gegner des Aristoteles und seiner Poetik. Von Dichtern, die unter dem Einflu?? des Aristoteles standen und in eigenen Abhandlungen oder auch in Einleitungen zu ihren Werken sich mit ihm auseinandersetzten, seien erw?¤hnt: Trissino, dessen "Sophonisba" als die erste italienische Trag??die gilt (1555), Fracastoro, Naugerius sive de Poetica dialogus (1555), _T. Tasso_, Discorsi dell' Arte Poetica (1586), Jean de la Taille, Pr??face zu Saul (1572). Dieser und die fr??heren franz??sischen Kritiker ??berhaupt wie Jodelle, der Verfasser der ersten franz??sischen Trag??die, Cleop?¢tre (1552), Vauquelin de la Fresnaye, Art poetique (begonnen 1574, gedruckt 1605), Ronsard und die anderen Mitglieder der Pl??iade, sie alle besch?¤ftigten sich mehr oder weniger eingehend mit den aristotelischen Lehrs?¤tzen, aber sie verdankten deren Kenntnis, wie es scheint, meist nicht dem Original, sondern den Arbeiten ihrer italienischen Vorg?¤nger. Dies ?¤nderte sich erst im 17. Jahrh., als der heftige Streit um die "Regeln" in den Mittelpunkt des literarischen Interesses trat. Mairet, der die erste "regelrechte" Trag??die, "Sophonisbe", (1629) verfa??te, kannte die (S. XVII) Poetik aus erster Hand, wie er selbst in der Vorrede zu "Silvanire" (1626) bezeugt, und dies gilt nat??rlich auch von den F??hrern in der Cid-Kontroverse (1636--1640), wie Chapelain und _Hedelin d'Aubignac_. Corneille selbst aber scheint sie erst am Ende seiner dramatischen Laufbahn aus erster Hand kennen gelernt zu haben, obwohl er in einigen fr??heren Vorreden zu seinen Dramen wiederholt auf Aristoteles Bezug
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