Todsünden | Page 8

Hermann Heiberg
sie sprach. Und doch, um seine Entt?uschung, die er nicht zu verbergen vermochte, zu mildern, knüpfte sie rasch an den Schlu? seiner vorherigen Rede an und fügte hinzu:
"Du sprachst von Mitteln, deren Du bedürftest. Auch ohne diesen Hinweis h?tte ich Dich noch vor Deinem Fortgang gebeten, eine Summe, über die ich verfügen kann, von mir anzunehmen. Sonst ist in dem Testament meines Vaters alles so festgestellt, da? ich nur über die Zinsen zu disponieren habe."
Tankred horchte auf. Was er vernahm, klang seinem Ohr nur zum Teil angenehm. Wenn sie die Wahrheit sprach,--und er vertraute ihr, obschon er als Gewohnheitslügner selten annahm, da? andere redlich verfuhren,--so konnte ihm nur aus einer Heirat mit Theonie ein Nutzen erwachsen, wie er ihn im Auge hatte, und da? an eine solche nicht zu denken, war ihm eben klar geworden.
Es kam nun darauf an, zu erfahren, über welche Summe Theonie testamentarisch verfügte, und wie viel sie ihm davon zuzuwenden geneigt sei. Sicher würde die Gabe um so geringer ausfallen, als er die wenige Sympathie, die sie für ihn empfand, noch weiter verscherzte. Wollte er ihrem guten Willen alles anheim geben, so mu?te er die Krallen auch ferner einziehen und sie geschickt umschmeicheln. Freilich, vielleicht erlangte er mehr durch Drohung, durch Gewalt--? Das mu?te abgewartet werden. Vor keinem Mittel schreckte er zurück, zun?chst aber wollte er es im guten versuchen. Je nach dem Umfange der Schenkung, die sie ihm anbieten würde, wollte er sein Verfahren einrichten.
"Du bist sehr freundlich, Theonie, und ich danke Dir nochmals von ganzem Herzen," hub Tankred an. "Jede Unterstützung ist natürlich für mich von Wert, da ich nichts besitze.--Hoffentlich fandest Du durch das Testament alle Deine Wünsche erfüllt?"
Die letzten Worte sprach der Mann mehr, um glatte Reden zu machen, als da? er sich etwas dabei gedacht h?tte. Theonie aber nahm sie auf und sagte:
"Du meinst? Ich verstehe nicht--"
"Nun, ich wollte sagen, Du erhieltest dadurch die Unabh?ngigkeit, nach der Du verlangst."
Sie schüttelte den Kopf, und scheinbar arglos, aber diesmal mit leiser Berechnung, stie? sie heraus:
"Alles bleibt, wie es war. Kunth, der P?chter, zahlt wie früher die Pacht an unsern Advokaten, und ich habe die Verfügung über die Zinsen, wie zuletzt meine Mutter. Was mein Vater an barem Gelde erspart hat, das hei?t, das, was er nicht dazu verwandte, um Falsterhof schuldenfrei zu machen, ist mein Eigentum, und ich kann darüber nach meinem Gutdünken verfügen. Ich wollte Dir davon die H?lfte zuwenden, die andere den armen Verwandten meines verstorbenen Mannes überweisen. Ich kann ja das Geld entbehren, da ich mich mit den Zinsen reichlich einzurichten vermag."
"Wie hoch sch?tzt man eigentlich den Wert von Falsterhof?" fragte lauernd Tankred, nachdem er ihre Rede mit leichtem, seinen Dank ausdrückenden Kopfneigen best?tigt hatte, in einem ?u?erlich uninteressierten Ton.
"Ich wei? es nicht. Ich verstehe von dergleichen wenig und habe mich nie darum bekümmert. Ich freue mich nur, da? ich so viel habe, da? ich sorgenfrei leben und anderen Gutes erweisen kann. Darin wird in Zukunft ein Teil meiner Lebensaufgabe bestehen. Denn was sonst vor mir liegt, ist einsam und recht freudlos."
Tankred hatte die Frage nach dem Wert von Falsterhof nur aufgeworfen, um seiner Kousine Sinn für Verm?gensverh?ltnisse zu prüfen und danach wieder die Wahrhaftigkeit ihrer übrigen Angaben zu bemessen. Er wu?te, da? für das Gut schon vor langen Jahren über viermalhunderttausend Thaler geboten waren, und ihn ?rgerte nur, da? sein verstorbener Onkel, der pedantische Philister, die Hypotheken abgel?st hatte, statt Geld anzusammeln.
Er brannte vor Neugierde, zu erfahren, wie gro? die Summe sei, die Theonie zugefallen war. Aber da sie, trotz ihrer Offenheit in allem übrigen, damit nicht hervortrat, mu?te er sich gedulden. Er sah keine M?glichkeit, ohne sich durch eine direkte Frage blo?zustellen, dem, was ihn besch?ftigte, gespr?chsweise auf die Spur zu kommen. Aber sein Entschlu? verst?rkte sich: Wenn die Abfindung, die Theonie ihm bieten würde, bedeutend war, wollte er Falsterhof verlassen, war's aber ein Bettel in seinen Augen, so blieb er, um mit List oder Gewalt seine geheimen Pl?ne zu verfolgen.
* * * * *
Als Tankred sich nach Tisch in des Onkels niederlie? und bei der angesteckten Pfeife die gegenw?rtigen und kommenden Dinge nochmals überlegte, dr?ngte sich ihm auch die Sorge für das N?chstliegende auf. Seine Tante hatte seit Beginn ihrer Krankheit nicht wieder gefragt, ob er Geld bedürfe, und sein Barvorrat war ihm schon seit acht Tagen fast ganz ausgegangen. Die Kosten für seine letzte Reise hatte Frege bestritten, den er mit Hinweis auf die alte Dame um Geld angegangen war. Abgesehen von dieser Schuld, die ihn an sich zwar durchaus nicht drückte, denn er hatte die Mittel zur Befriedigung seiner Gelüste bisher in der Welt stets genommen, wo er sie gefunden, die ihm aber wegen seiner Stellung im Hause peinlich war, fehlten ihm die Mittel für das Notwendigste. Er konnte nicht einmal ins Dorf in den Krug gehen, und der Vorrat an Tabak und Zigarren aus
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