Mann traten in ihr Ged?chtnis, und abermals kam's über sie wie Gewitterschwüle. Angst und Grauen bem?chtigten sich ihrer Seele und lie?en sie nicht.
Der sie sonst anheimelnde, eigene Duft der R?ume, der Geruch von verwelktem Reseda und Rosen legte sich ihr schwer und atembeklemmend auf die Brust, und als nun die Thürglocke anschlug, und der Hund, der immer bellte, wenn Tankred ins Haus trat, sich laut rührte, als sie wu?te, da? er eben den Flur beschritten, raffte sie, als habe sie ein Verbrechen begangen, das Testament an sich, versteckte es mit hastiger Bewegung unter ihrem Mieder und schlo? rasch das Pult.
Dann setzte sie sich aufrecht und horchte gespannt.--Nichts--Tankred schien sich in den Garten begeben, seine Gem?cher nicht betreten zu haben.
Nachdem sie noch eine Weile zaudernd dagesessen, gingen ihre Blicke bald auf die Thür, bald auf das nach dem Park sich ?ffnende Fenster. Und als sie nun eben zum zweitenmal dorthin schaute, mehr unwillkürlich als bewu?t, schrie sie auf, denn sie sah den scharfknochigen Kopf ihres Vetters mit luchsartig gespannten Augen ins Zimmer sp?hen und sie beobachten. Freilich verschwand sein Gesicht mit Zauberschnelle, als ihre Blicke sich mit allen Zeichen des Schreckens auf ihn richteten; doch als sie, entschlossen aufspringend, hinausschaute, um sich zu vergewissern, ob es Wirklichkeit oder nur ein Bild ihrer Phantasie gewesen, lagen der kleine Rasenfleck und der Graben mit den hohen Brennnesseln wie immer einsam und menschenleer vor ihr. Nun schlo? sie die Thür des Kabinets auf, eilte die Treppe zu ihren Gem?chern empor und machte sich, nachdem sie einigerma?en ihre Ruhe zurückgewonnen, an die Durchsicht des Testaments.--
Theonie war gro? und schlank, fast ein wenig zart gebaut, besa? sehr sch?ne, regelm??ige Züge, wei?e H?nde und schmale Fü?e und jenes Zurückhaltende in der Erscheinung und im Wesen, das die M?nner reizt, in das Innere einer Frau einzudringen, und sie zu Versuchen anstachelt, ihre Aufmerksamkeit zu erregen. Sie hatte jenes Unpers?nliche in ihrem Blick und in ihrer Art, das leicht zu dem Schlu? gelangen l??t, der damit Behaftete sei nur mit sich besch?ftigt, interesselos und hochmütig oder so sehr durch anderes abgelenkt, da? vorliegende Dinge ihn nicht fesseln. Aber oft ruht grade unter solcher Oberfl?che Feuer und Leidenschaft; diese Gleichgültigkeit ist dann der Schleier, den man vorlegt, um unter ihm besser beobachten zu k?nnen; vielfach ist's auch ein Produkt der Erziehung, welche Zurückhaltung als ein Gebot der Schicklichkeit hinstellt, oder ein angeborener Mangel an Gefallsucht. Das letztere war bei Theonie der Fall.
Sie besa? eine durchaus reine Seele, aber sie war nicht eben biegsam, und ihre eigentliche Natur hatte sich nach der kr?ftigeren, selbstbewu?teren Seite hin bisher nur einmal beth?tigen k?nnen, und zwar nach dem Tode ihres Mannes.
Bis dahin war ihr Leben so ruhig, aber auch so ernst verlaufen, wie sie selbst erschien. Ihr Vater hatte an der Scholle gehangen, in seinem Willen und Wünschen ging ihre verstorbene Mutter auf; gleichm??ig dahinflie?endes, von Aufregung freies und kaum durch Zerstreuungen unterbrochenes Dasein war aus eigener Neigung beider Eltern Teil gewesen, und was sie selbst nicht empfunden und gesch?tzt, dafür hatten sie auch bei Theonie keine Neigung vorausgesetzt.
Den Tod ihres Schwiegersohns hatten sie wohl ehrlich beklagt, aber die Freude, ihre Tochter dadurch wieder gewonnen zu haben, überwog bald den Schmerz und machte sie weniger empfindlich für die Trauer, die Theonie um so mehr durchdrang, als sie mit dem Verlust ihres Gatten auch die Aussicht und Hoffnung auf ein abwechslungreicheres, fr?hlicheres und der Welt mehr zugewandtes Leben begrub.
Da? sie fernerhin wieder auf Falsterhof leben und hier sterben werde, stand für sie au?er Frage. Das Glück, das ihr kurze Zeit gel?chelt, hatte sie schnell wieder verlassen, denn da? sie noch einmal einen Mann lieben k?nnte, hielt sie für undenkbar.--
Als die Mittagsglocke nach alter Weise ert?nte, war Theonie eben mit dem Durchsehen des Testaments fertig und ging nun hinab, nun hinab, um im Gartenzimmer mit Tankred das Diner einzunehmen.
Als sie in die Thür trat, schritt ihr Vetter mit dem Ausdruck tiefer Teilname auf sie zu und drückte wortlos einen Ku? auf ihre Hand. Sie litt es nur halb; bei seiner Berührung war's ihr, als ob ein b?ses Tier sich ihr gen?hert habe, und nur mit Aufbietung ihres ganzen Willens vermochte sie, ihm unbefangen zu begegnen.
"Ich fuhr nicht mit Dir zusammen vom Kirchhof zurück, Theonie," hub Tankred, nachdem er sich niedergelassen, an, "weil Pastor H?ppner noch den Wunsch hatte, mich zu sprechen. Als ich an den Wagen eilen wollte, um Dir dies mitzuteilen, warst Du schon fort. Aber vielleicht wünschtest Du auch allein zu fahren?"
Die letzten Worte sprach Tankred mit Berechnung, und in sein Auge trat trotz seiner gefügigen Mienen ein lauernder Ausdruck. Er wu?te seit seinem ersten Eintritt ins Haus, wie Theonie zu ihm stand; nur der Wunsch, da? es anders sein m?ge, verwischte bisweilen sein klares Urteil. So war es auch heute.
"Ja," erwiderte Theonie mit denselben fast unbeweglichen Ernst, mit dem sie ihm begegnet war
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