Timon von Athen | Page 6

William Shakespeare
seyn, die in Futteralen aufgehangen sind, und ihre
Töne für sich selbst behalten. Mein Vertrauen zu euch geht so weit, daß
ich mich oft ärmer gewünscht habe, damit ich euch näher kommen
möchte; wir sind dazu gebohren, Gutes zu thun. Und was können wir
gewisser und eigentlicher unser eigen nennen, als die Reichthümer
unsrer Freunde? O! was für ein unschäzbarer Trost ist das, so viele zu
haben, die, wie Brüder, einer über des andern Glük und Vermögen
schalten können! O Freude, die schon eine Freude ist, eh sie gebohren
werden kan! Meine Augen können nicht Wasser halten, däucht mich;
ihren Fehler zu verbessern, trink ich euch zu!
Apemanthus. Du weinst nur, um zu machen, daß sie dich trinken.

Lucullus. Das Vergnügen ward auf die nemliche Art in unsern Augen
empfangen, und kam in demselben Augenblik wie ein neugebohrnes
Kind hervor.
Apemanthus. Ho, ho! ich muß lachen, wenn ich denke, daß dieses Kind
ein Bastard ist.
Ein andrer von den Gästen. Ich versichre euch, ihr habt mich
ausserordentlich gerührt.
Apemanthus. Ausserordentlich!
(Man hört einen Trompeten-Stoß.)
Timon. Was will diese Trompete? was giebt's? (Ein Bedienter kommt
herein.)
Bedienter. Gnädiger Herr, es sind etliche Frauenzimmer draussen,
welche gerne vorgelassen werden möchten.
Timon. Frauenzimmer? Was wollen sie?
Bedienter. Sie bringen einen Vorredner mit, der das Amt trägt, ihr
Gewerb anzubringen.
Timon. Ich bitte, laßt sie hereinkommen. * Diese Scytische Art zu
reden, ist nicht im Character eines Atheniensers, noch des Alcibiades.
Der Alcibiades unsere Autors in diesem Stük gleicht dem Alcibiades,
den Plutarch schildert, wie ein Affe einem Menschen; er ist ein Held in
Ostadens Geschmak gemahlt, oder wie--(Dieu le Pere dans sa gloire
éternelle, peint galamment dans le gout de Wateau.)

Sechste Scene. (Cupido mit etlichen Weibspersonen, die als Amazonen
gekleidet sind, und ein Balletformiren.)
Cupido. Heil dir, würdiger Timon, und euch allen, die seine
Gütigkeiten schmeken! Die fünf vorzüglichsten Sinnen erkennen dich

für ihren Gutthäter, und kommen, deiner überfliessenden Großmuth
Dank zu erstatten. Das Ohr, der Geschmak, der Geruch und das Gefühl
stehen befriedigt von deiner Tafel auf, diese hier kommen nun, deinen
Augen einen Schmaus zu geben.
Timon. Sie sind alle willkommen; laßt ihnen freundlich begegnet
werden; laßt Musik ihren Willkomm machen.
Lucius. Ihr sehet, Milord, wie ausserordentlich ihr geliebt werdet.
Apemanthus. Heyda! Was für ein Geschweif von Eitelkeit zieht daher!
Sie tanzen, sie sind dem Tollhaus entloffen, glaub' ich.*
{ed.-* Apemanthus fährt hier im Original in etlichen Zeilen fort, über
die Weltfreuden und die Schmeichler loszuziehen; es ist aber,
ungeachtet der Bemühung des Hrn. Warbürton, so wenig
Zusammenhang in dieser corrupten Rede, daß man sie lieber gar
weggelassen; da es ohnehin weiter nichts als eine ganz alltägliche
Capucinade ist, an der man wenig verliehrt.}
(Nach geendigtem Tanz stehen die Gäste von der Tafel auf, und
machen dem Timon eine Menge feyrlicher Ehrenbezeugungen: Ein
jeder ließt sich sodann eine Amazonin aus, und so tanzen sie paarweise
einen oder Zween muntre Tänze, und hören auf.)
Timon. Meine schönen Damen, ihr habt unserer Lustbarkeit einen Reiz
gegeben, ohne den sie nicht halb so schön und anmuthig war. Eure
Gegenwart hat ihr erst einen Werth und lebhaften Glanz gegeben, und
das Vergnügen vollkommen gemacht, das ich meinen Gästen zu
verschaffen gewünscht habe. Ich bin euch sehr dafür verbunden.
Lucius. Milord, ihr nehmt sie uns gerade wie es am besten gegangen
wäre.
Timon. Mesdames, es ist hier in dem Nebenzimmer eine kleine Tafel
für euch gedekt. Nehmet einige Erfrischungen, wenn es euch beliebt.
Alle Frauenzimmer. Mit vielem Dank, Milord.

(Sie gehen ab.)
Timon. Flavius--
Flavius. Gnädiger Herr--
Timon. Bringt mir das kleine Kästchen her.
Flavius. Ja, Gnädiger Herr.
(Bey Seite.)
Noch mehr Juweelen? Man darf ihm nicht einreden, wenn er in einer
Laune ist, sonst sollt ich ihm sagen--Gut!--In der That ich sollte; wenn
es zu späte seyn wird, wird er selbst wünschen, daß man ihm eingeredet
hätte. Es ist zu bedauren, daß die Freygebigkeit hinten am Kopf keine
Augen hat, damit ein ehrlicher Mann nicht durch ein allzu gutes Herz
unglüklich werden könnte.
Lucullus. Wo sind unsre Leute?
Bedienter. Hier, Gnädiger Herr.
Lucullus. Unsre Pferde!
Timon. O meine guten Freunde!
(zu Lucullus.)
Ich hab' euch nur ein Wort zu sagen: Sehet hier Mylord; ich bitte euch,
erweißt mir die Ehre, dieses Kleinod anzunehmen und zu tragen, mein
gütiger Lord!
Lucullus. Ich bin schon so sehr euer Schuldner--
Alle. Das sind wir alle.
(Lucius, Lucullus, und die übrigen gehen ab.)

Siebende Scene. (Ein Bedienter zu Timon.)
Bedienter. Gnädiger Herr, etliche Edelleute, die kürzlich in den Senat
befördert worden, wollen euch ihren Besuch machen.
Timon. Sie sind höchstens willkommen. (Flavius kommt wieder
zurük.)
Flavius. Ich bitte Euer Gnaden, erlaubet mir ein Wort; es geht euch sehr
nah an.
Timon. Mich? Nun, so will ich dich ein andermal anhören. Ich bitte,
sorge davor, daß wir ihnen mit etwas aufwarten können.
Flavius (vor sich.) Ich weiß kaum womit. (Ein andrer Bedienter.)
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