Timon von Athen | Page 5

William Shakespeare
Freundschaft: Ich gab sie mit willigem Herzen hin;
und wer kan mit Wahrheit sagen, daß er gebe, wenn er wieder
empfängt? Wenn höhere als wir sind es thun, so steht es doch uns nicht
an.
Apemanthus. Ahme ihnen kühnlich nach; nüzliche Laster sind schön.
Ventidius. Welch eine edle Denkungsart!
Timon,

(indem er sieht, daß seine Gäste viele Complimente und Umstände
machen, eh sie sich sezen.)
Ceremonien sind nur erfunden worden, um falschen Thaten, holen
Bewillkommungen, und erzwungner Gutthätigkeit eine Glasur zu
geben; aber, wo wahre Freundschaft ist, bedarf es nichts dergleichen.
Ich bitte euch, nehmet Plaz; ihr seyd mir willkommner zu meinem
Wohlstand, als er mir selbst ist.
(Sie sezen sich.)
Lucius. Wir sind immer davon überzeugt gewesen.
Apemanthus. Ho, ho, überzeugt gewesen? Daß ihr gehangen wär't!
Timon. Ha, Apemanthus! Ihr seyd willkommen.
Apemanthus. Ich will es aber nicht seyn; ich komme nur, daß du mich
zur Thüre hinausstossest.
Timon. Pfui, wie grob du bist! Ihr habt da einen Humor angenommen,
der einem Mann nicht gut läßt; es ist gar nicht hübsch. Man sagt sonst,
meine Herren, (ira furor brevis est), aber dieser Mann dort ist immer
entrüstet.
Apemanthus. Laß mich auf deine Gefahr da bleiben, Timon; ich
komme, Beobachtungen zu machen, ich will dich gewarnt haben.
Timon. Und ich gebe dir keine Acht; du bist ein Athenienser, und also
willkommen; ich möchte für mich selbst kein Vermögen haben--Ich
bitte dich, laß meine Schüsseln dich zum Stillschweigen bringen.
Apemanthus. Ich verschmähe deine Schüsseln; ich wollt' eher dran
erworgen, eh ich dir jemals schmeicheln wollte. O ihr Götter, wieviel
Leute essen den Timon, und er sieht sie nicht! Es schmerzt mich, ihrer
so viele zu sehen, die ihren Bissen in eines einzigen Mannes Blut
tauchen; und das unsinnigste ist, daß er sie noch dazu aufmuntert. Mich
wundert nur, daß es Menschen giebt, die sich bey andern Menschen

sicher halten. Sie sollten einander ohne Messer einladen, es wäre gut
für ihre Schüsseln, und sichrer für ihr Leben. An Beyspielen fehlt es
nicht; der Bursche, zum Exempel, der hier zu nächst an ihm sizt, das
Brodt mit ihm theilt, und thut als ob er auch den Athem mit ihm theilen
wollte, ist alle Augenblike bereitwillig, ihm einen Dolch in das Herz zu
stossen. Es sind Beweise davon da. Wär' ich ein grosser Herr, ich hätte
das Herz nicht zu trinken, aus Furcht, sie möchten ausspähen, wo sie
meiner Luftröhre am besten beykommen könnten; grosse Herren
sollten nicht anders trinken, als mit einem Harnisch um ihre Gurgel.
Timon (indem er dem Lucullus zutrinkt.) Milord, von Herzen; laßt die
Gesundheit herumgehen.
Lucullus. Laßt sie diesen Weg gehen, mein werthester Lord.
Apemanthus. Diesen Weg gehen--Ein braver Kerl; er weiß die Zeit wol
in Acht zu nehmen; diese Gesundheiten werden noch machen, daß du
und dein Vermögen die Schwindsucht kriegen werden, Timon.
(Er langt ein Stük Brodt und einen Krug mit Wasser aus seiner Tasche.)
Hier ist etwas, das zu schwach ist, ein Sünder zu seyn, ehrliches Wasser,
das noch niemand in den Schuld-Thurm gebracht hat. Mein Essen
schikt sich zu meinem Trank--
(Er stellt sich hin, das Tisch-Gebett zu sprechen.)
Gastmähler sind zu stolz, den Göttern Dank zu sagen.
Apemanthus (betet:) (Ihr Götter, ich spreche euch um keine
Reichthümer an, denn ich achte sie für Quark; ich bitte für niemand, als
mich selbst. Verleihet, daß ich niemals so ein guter Narr werde, einem
Mann auf seinen Eyd zu trauen, oder einer Hure auf ihre Thränen, oder
einem Hund, der zu schlafen scheint, oder meinen Freunden, wenn ich
ihrer nöthig habe; Amen, Amen.) Izt zugegriffen! Reiche Leute
sündigen, und ich esse Wurzeln.
Timon. General Alcibiades, mich däucht, euer Herz ist diesen

Augenblik im Felde.
Alcibiades. Mein Herz ist allenthalben zu euern Diensten, Milord.
Timon. Ihr wäret lieber bey einem Frühstük von Feinden, als bey einem
Mittag-Essen von Freunden gewesen.
Alcibiades. Wenn sie so frisch bluten, so ist kein besseres Gericht als
sie; ich wollte meinen Freund zu einem solchen Schmaus wünschen.*
Apemanthus. Ich wollte also, daß alle diese Schmarozer deine Feinde
wären, damit du sie umbrächtest, und mich darauf zu Gaste bätest.
Lucullus. Möchten wir nur das Glük haben, Milord, daß ihr uns einmal
durch etwas auf die Probe sezen wolltet, wobey wir euch unsre
Ergebenheit in etwas zeigen könnten; es würde uns nichts mehr zu
wünschen übrig bleiben.
Timon. O, meine guten Freunde, ich zweifle keinen Augenblik, daß die
Götter für Gelegenheiten gesorgt haben, wo ich eben so viel Hülfe von
euch erhalten werde; wie wäret ihr sonst meine Freunde gewesen?
Warum trüget ihr diesen herzrührenden Namen, vor tausenden, wenn
ihr mein Herz nicht näher angienget? Ich habe über diesen Punct mehr
von euch zu mir selbst gesagt, als ihr mit Bescheidenheit zu euerm
eignen Behuf sagen könntet. Ihr Götter, denke ich, wozu brauchten wir
Freunde zu haben, wenn wir sie niemals nöthig hätten; sie würden wie
liebliche Instrumente
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