Timon von Athen | Page 4

William Shakespeare
er nur ein schlechtes Stük Arbeit.
Mahler. Ihr seyd ein Hund.
Apemanthus. Deine Mutter ist von meinem Stamme; was war sie, wenn
ich ein Hund bin?
Timon. Apemanthus, willt du mit mir zu mittagessen?
Apemanthus. Nein, ich esse keine grosse Herren.
Timon. Wenn du es thätest, würden die Damen über dich böse werden.
Apemanthus. O! die verschlingen gar die grossen Herren, und kriegen
dike Bäuche davon.
Timon. Das ist ein unzüchtiger Einfall.
Apemanthus. So nimmst du ihn auf; nimm ihn für deine Mühe.
Timon. Wie gefällt dir dieses Juweel, Apemanthus?
Apemanthus. Nicht so wol wie Aufrichtigkeit, die doch einen keinen
Heller kostet.
Timon. Wie viel meynst du, daß es werth sey?
Apemanthus. Nicht werth daß ich darauf denke. Wie steht's, Poet?

Poet. Wie steht's Philosoph?
Apemanthus. Du lügst.
Poet. Bist du keiner.
Apemanthus. Ja.
Poet. So lüg' ich nicht.
Apemanthus. Bist du nicht ein Poet?
Poet. Ja.
Apemanthus. So lügst du also: schau in dein leztes Werk; worinn du
dichtest, daß er ein würdiger Mann sey.
Poet. Das ist nicht gedichtet, er ist es.
Apemanthus. Ja, er ist deiner würdig, und würdig dich für deine Arbeit
zu bezahlen. Wer sich gerne schmeicheln läßt, ist seines Schmeichlers
würdig. Götter! möcht' ich nur ein grosser Herr seyn!
Timon. Was wolltest du denn thun, Apemanthus?
Apemanthus. Eben das was Apemanthus izt thut, einen grossen Herrn
hassen.
Timon. Wie, dich selbst?
Apemanthus. Ja.
Timon. Warum denn?
Apemanthus. Das ich nicht mehr Verstand hätte, als ein grosser Herr zu
seyn-- Bist du nicht ein Kauffmann?
Kauffmann. Ja, Apemanthus.

Apemanthus. Die Handelschaft verderbe dich, wenn es die Götter nicht
thun wollen!
Kauffmann. Wenn es die Handelschaft thut, so thun es die Götter.
Apemanthus. Die Handelschaft ist dein Gott, und dein Gott verderbe
dich! (Man hört Trompeten. Ein Bote tritt auf.)
Timon. Was für Trompeten sind das?
Bote. Es ist Alcibiades mit etlichen zwanzig Reitern, die ihn begleiten.
Timon. Ich bitte euch, geht ihnen entgegen, ladet sie zu mir ein--ihr
müßt schlechterdings mit mir zu mittagessen--Geht nicht von hier bis
ich euch gedankt habe, und nach dem Essen, zeigt mir dieses Stük; ich
erfreue mich euch zu sehen. (Alcibiades und seine Begleiter treten auf.)
Sehr willkommen, mein Herr.
(Sie büken sich, und umarmen einander.)
Apemanthus. So, so! daß euch die Gicht lähme und ausdörre, ihr
biegsamen Gelenke! Warum sollten auch diese artigen süssen
Schelmen einander nicht lieb haben! Wahrhaftig das menschliche
Geschlecht wird zu lauter Affen und Meerkazen.
Alcibiades. Ich sehnte mich so sehr euch zu sehen, daß ich es nicht satt
werden kan.
Timon. Sehr willkommen, mein Herr; ehe wir scheiden, wollen wir
einige Tage mit allerhand Lustbarkeiten zubringen. Ich bitte euch, laßt
uns hinein gehen.
(Sie gehen ab.)

Vierte Scene. (Apemanthus bleibt; zu ihm Lucius und Lucullus.)
Lucius. Wie viel ist die Zeit, Apemanthus?

Apemanthus. Zeit ehrlich zu seyn.
Lucius. Diese Zeit ist immer.
Apemanthus. Ein desto schlimmerer Bube bist du, daß du sie immer
vorbeylässest.
Lucullus. Gehst du zu des Lord Timons Gastmahl?
Apemanthus. Ja, um zu sehen, wie Speisen Schelme fällen, und Wein
Narren erhizt.
Lucius. Lebe wohl, lebe wohl.
Apemanthus. Du bist ein Narr, daß du mir zweymal lebe wohl sagst.
Lucullus. Warum, Apemanthus?
Apemanthus. Du hättest eines für dich selbst behalten sollen, denn von
mir kriegst du keines.
Lucius. Häng' dich auf!
Apemanthus. Nein, ich will nichts thun, das du mir sagst; mache deine
Fordrungen an deinen Freund.
Lucius. Hinweg du unverträglicher Hund, oder--ich stosse dich mit den
Füssen hinaus.
Apemanthus. Ich will fliehen, wie ein Hund vor den Hinterfüssen eines
Esels.
Lucius. Er ist ein Antipode der Menschlichkeit. Kommt, wollen wir
hineingehen, und an Lord Timons Freygebigkeit Antheil nehmen? In
der That er übertrift die Güte selbst.
Lucullus. Das thut er. Plutus, der Gott des Reichthums ist nur sein
Haus- Hofmeister: Das kleinste Verdienst, das sich jemand um ihn
macht, bezahlt er siebenfältig über seinen Werth; und das kleinste

Geschenk das er annimmt, zieht dem Geber eine Erstattung zu, die alle
gewöhnliche Erkenntlichkeit übertrift.
Lucius. Er hat das edelste Gemüth, das jemals einen Mann regiert hat.
Lucullus. Mög' er lang' in diesem glüklichen Stande leben, wollen wir
hinein?
Lucius. Ich will euch Gesellschaft leisten.
(Sie gehen ab.)

Fünfte Scene. (Ein grosser Saal in Timons Hause.) (Eine Musik mit
Hautbois; Es wird ein grosses Banquet aufgetragen; Timon, Lucius,
Lucullus, Sempronius und andre Atheniensische Senatoren, treten mit
Ventidius auf. Wenn alle herein gekommen sind, schlendert auch
Apemanthus, mit mißvergnügtem Gesicht, hinter ihnen drein.)
Ventidius. Höchstgeehrter Timon! es hat den Göttern gefallen, meinen
alten Vater in seine Ruhe eingehen zu lassen. Er ist glüklich vom
Schauplaz gegangen, und hat mich reich hinterlassen. Ich gebe euch
also, wie die Dankbarkeit gegen euer großmüthiges Herz mich
verpflichtet, diese Talente, durch deren Hülf ich meine Freyheit wieder
erlangt, mit verdoppeltem Dank und Erbietung meiner Gegendienste
zurük.
Timon. O, das kan nicht seyn, mein rechtschaffner Ventidius; ihr
mißkennet meine
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