Timon von Athen | Page 3

William Shakespeare
Dieser Bursche hier, Lord Timon, dieser dein Diener
besucht des Nachts mein Haus. Ich bin ein Mann, der von der Jugend
an sich Müh gegeben hat, etwas zu erwerben, und mein Vermögen
erheischt einen gewichtigern Erben, als einen der auf einem hölzernen
Teller ißt.
Timon. Gut; was weiter?
Alter Athenienser. Ich hab' eine einzige Tochter, und sonst keinen
Anverwandten, dem ich vermachen könnte was ich erworben habe. Das
Mädchen ist hübsch, so jung als eine Braut seyn kan, und ich habe
keine Kosten gespart, sie zu den besten Eigenschaften zu erziehen.
Dieser dein Diener bewirbt sich um ihre Liebe; ich bitte dich, edler
Lord, vereinige dich mit mir, ihm ihren Umgang zu untersagen; ich
selbst hab' es fruchtlos gethan.
Timon. Der Mann ist ein ehrlicher Mann.
Alter Athenienser. So wird er's auch hierinn seyn, Timon. Seine
Ehrlichkeit belohnt ihn durch sich selbst, sie soll ihm nicht meine
Tochter kuppeln.
Timon. Liebt sie ihn?

Alter Athenienser. Sie ist jung und mannbar; unsre eigene ehmalige
Leidenschaften lehren uns, wie leichtsinnig die Jugend ist.
Timon (zu Lucilius.) Liebt ihr das Mädchen?
Lucilius. Ja, mein Gnädiger Herr, und sie ist es zufrieden.
Alter Athenienser. Wenn sie einander ohne meine Einwilligung
heurathen, so rufe ich die Götter zu Zeugen, daß ich meinen Erben aus
den Bettlern auf der Strasse wählen, und ihnen alles entziehen will.
Timon. Wieviel soll sie zum Brautschaz haben, wenn sie einen Mann
heurathete, der ihr an Vermögen gleich wäre?
Alter Athenienser. Drey Talente fürs Gegenwärtige, und künftig alles.
Timon. Dieser wakere Mann hat mir lange gedient; um sein Glük zu
machen, will ich mich ein wenig angreiffen; es ist eine Pflicht der
Menschlichkeit. Gieb ihm deine Tochter; so viel du ihr giebst, will ich
ihm auch geben, um zu machen, daß er so viel wägen soll als sie.
Alter Athenienser. Sehr edler Lord, verspreche mir das auf euer
Ehrenwort, so soll er sie haben.
Timon. Hier hast du meine Hand, mein Ehrenwort ist mein
Versprechen.
Lucilius. Ich danke Euer Gnaden demüthigst; nimmer möge mir das
Glük gedeyhen, welches ich nicht eurer Güte schuldig zu seyn erkenne.
(Lucilius und der Alte Athenienser gehen ab.)

Poet. Nehmet diese Arbeit so gütig auf, als die Wünsche, die ich für
Euer Gnaden langes Leben thue.
Timon. Ich danke euch, ihr sollt gleich mehr von mir hören; geht nicht
weg-- Was habt ihr hier, mein Freund?

Mahler. Ein Gemählde, welches ich Euer Gnaden bitte anzunehmen.
Timon. Mahlerey ist mir allezeit willkommen. Seitdem die Falschheit
mit der Natur des Menschen ein Gewerbe treibt, ist ein gemahlter
Mensch soviel als ein natürlicher; gemahlte Figuren sind gerade das,
wofür sie sich geben. Euer Werk gefällt mir, und ihr sollt finden, daß es
mir gefällt; wartet, bis ihr wieder von mir hört.
Mahler. Die Götter erhalten euch!
Timon. Lebt wol, mein Herr; gebt mir eure Hand, wir müssen heute mit
einander zu mittagessen. Mein Herr, euer Juweel hat von allzugrossem
Lob gelitten.
Juweelen-Händler. Wie, Milord? Ist es mißfällig?
Timon. Es ist mir bis zum Ekel angepriesen worden. Wenn ich es
bezahlen sollte, wie es geschäzt wird, so müßte ich mich zu Grunde
richten.
Juweelen-Händler. Gnädiger Herr, es ist so geschäzt wie diejenige, die
es verkauffen, es gerne gäben; ihr wißt aber wol, daß Dinge von
gleichem Werth, wenn sie ungleiche Eigenthümer haben, nach ihren
Besizern geschäzt werden; glaubt mir, Gnädiger Herr, das Juweel
würde einen noch grössern Werth erhalten, wenn ihr es trüget.
Timon. Ihr scherzet mit mir, mein guter Mann.
Kauffmann. Nein, Gnädiger Herr, er redt nur die gemeine Sprache, die
alle Leute mit ihm reden.
Timon. Seht, wer hier kommt--Wollt ihr ausgescholten seyn?

Dritte Scene. (Apemanthus)* (zu den Vorigen.)
{ed.-* Sehet diesen Character eines Cynikers, sehr fein vom Lucian in
seinem Ausruf der Philosophen gezeichnet, und wie gut Shakespear ihn

copirt hat. Warbürton.}
Juweelen-Händler. Wir wollen's mit Euer Gnaden theilen.
Kauffmann. Er wird keinen verschonen.
Timon. Guten Morgen, mein angenehmster Apemanthus.
Apemanthus. Warte du auf einen Gegengruß, bis ich angenehm werde.
Poet. Wenn werden wir das Glük haben, das zu erleben?
Apemanthus. Wenn du Timons Hund seyn wirst, und diese Schelmen
ehrlich.
Timon. Warum nennst du sie Schelme? Du kennst sie nicht.
Apemanthus. Sind sie nicht Athenienser?
Timon. Ja.
Apemanthus. So nehm' ich mein Wort nicht zurük.
Juweelen-Händler. Ihr kennt mich, Apemanthus.
Apemanthus. Du weißst daß ich dich kenne, ich nannte dich bey
deinem Namen.
Timon. Du bist stolz, Apemanthus.
Apemanthus. Auf nichts so sehr, als das ich dem Timon nicht ähnlich
bin.
Timon. Wo willt du hin?
Apemanthus. Einem ehrlichen Athenienser das Hirn ausschlagen.
Timon. Das wär' eine That, wofür du sterben müßtest.

Apemanthus. Richtig, wenn das Gesez eine Todesstrafe auf nichts thun
sezt.
Timon. Wie gefällt dir dieses Gemählde, Apemanthus?
Apemanthus. Am besten, weil es nichts böses thut.
Timon. Arbeitete der nicht gut, der es mahlte?
Apemanthus. Der arbeitete noch besser, der den Mahler machte; und
doch ist
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