Tahiti. Erster Band. | Page 4

Friedrich Gerstäcker
gewärtigen haben, während ihnen der
Capitain eine Masse Sachen geben kann, die für sie und ihr einfaches
Leben förmliche Schätze sind.«
»Ich habe Geld bei mir« sagte René rasch -- »~Peste~, ich brauche des
alten Schuftes Blutgeld nicht, mir meine Bahn auch im schlimmsten
Fall zu erkaufen, wenn es denn nicht anders sein kann.«
»Das ist schon ein sehr sehr großer Vortheil« lächelte Adolph, »und es
werden wenig Matrosen von Wallfischfängern weglaufen, die wirklich
einen Franc in der Tasche haben, aber der Capitain bleibt immer im
Vortheil. -- Aexte, Beile, Kattune und Schmuck und besonders
Spirituosen sind ihnen weit lieber als Geld, und über derlei Sachen hast
Du immer nicht zu verfügen.«
»Vernünftiger Weise magst Du Recht haben, Adolph«, lächelte aber
der junge Mann, auf alle diese Argumente -- »und ich glaube selbst daß

es eine Art verzweifelter Schritte ist, auf einer so kleinen Insel, wie
diese zu sein scheint, zu entlaufen -- die Möglichkeit ist immer eher da,
daß man eingefangen wird.« --
»Sag' lieber die Wahrscheinlichkeit« unterbrach ihn Adolph.
»Und meinethalben auch die Wahrscheinlichkeit« murmelte René
zwischen den zusammengebissenen Zähnen durch, »ich habe mir aber
noch nie etwas so fest vorgenommen gehabt, ohne es durchzuführen,
und den Versuch will ich machen, oder darüber zu Grunde gehen!«
»~Eh bien~« lachte Adolph, »sobald Du einmal so weit gekommen, ist
es nicht nöthig mehr darüber zu sprechen. Meine Wünsche für Dein
Wohl hast Du übrigens, und ich wollte nur, daß ich Dir in irgend etwas
dabei nützlich sein könnte; ich sehe nur noch nicht wie.«
»Wer weiß wie sich das noch Alles machen kann« sagte René -- »aber
auf dem Quarterdeck werfen sie schon wieder die Falle los -- in der
Mitternachtswache möcht' ich Dir noch etwas sagen.«
»~Ship about~« unterbrach ihn hier der eintönige Ruf; die Leute traten
sämmtlich an ihre Posten und das Schiff wurde über den anderen Bug
gelegt, jetzt wieder vom Lande abhaltend.
Mit der nächsten Morgendämmerung hatten sie die Küste, und zwar
eine kleine Art Bai, die von zwei auslaufenden Corallenriffen gebildet
wurde, gerade vor sich, und der Ruf des ersten Harpuniers sammelte
die Leute in sein Boot; mehre dort schon aufgeschichtete Sachen,
Handels- und Tauschartikel für die Eingebornen, wurden hineingelegt
-- das Boot schwang frei und auf das Wasser nieder, und die
Mannschaft legte sich in die Ruder.
»Was sind das für Pakete da vorn?« sagte der Harpunier, als sie eben
von Bord abgestoßen waren, »wer hat die eingeworfen?«
»Ein paar Hemden und andere Kleinigkeiten, Mr. Rowsy« erwiederte
Einer der Leute -- »wir wollten uns auch was von Früchten
eintauschen!«

»Und das andere daneben?«
»Dasselbe« erwiederte René, den die Frage anging. Der Harpunier
sagte nichts weiter und René warf noch einen verstohlenen Blick nach
Bord zurück, wo Adolph stand und ihm zunickte. Er war ihm
behülflich gewesen die Sachen rasch, und ohne daß sie an Bord selber
etwas davon zu sehen bekamen, in's Boot zu schaffen, der Capitain
hätte es sonst unter keiner Bedingung zugelassen, obgleich dies etwas
ziemlich gewöhnliches an Bord von Wallfischfängern ist.
In Canoes kamen übrigens keine Indianer ab und ihnen entgegen,
obgleich sie mehrere Canoes in der Bai liegen sahen, und nur erst als
sie die Corallen-Bank berührten, erschienen oben zwischen den
Büschen eine Anzahl Männer und Frauen mit Körben aus
Cocosblättern geflochten, in denen sie Früchte und Muscheln trugen,
und erst ein Zeichen der Fremden abzuwarten schienen, ehe sie sich
ihnen näherten.
Der Harpunier, der sich seit seiner Jugend fast in diesen Meeren
herumgetrieben, sprach ihre Sprache ziemlich geläufig, und ein paar
freundliche Worte in dieser hatten fast eine zauberhafte Wirkung auf
die Schaar. Die, die im Anfang die furchtsamsten gewesen waren,
riefen sich erstaunt unter einander zu daß die Fremden Freunde seien,
und dieselbe Sprache mit ihnen hätten, und aus allen Büschen und
Dickichten brachen sie jetzt heraus, und mischten sich so sorglos und
vertrauend wie Kinder zwischen die Leute, befühlten das Zeug ihrer
Kleider, lachten über ihre Bärte und Schuhe, und sprangen und sangen,
als ob sie schon Jahre lang mit ihnen bekannt gewesen wären.
Der Tauschhandel ging indessen rüstig vor sich; gegen Messer und
Tabak, Kattune und Glasperlen brachten sie Massen der herrlichsten
Früchte, besonders vortreffliche Orangen und Brodfrucht und während
der Harpunier unter einem stattlichen Pandanus saß, die ihm gebrachten
Waaren musterte, und bestimmte was er dafür geben wolle, mischten
sich die Leute, nur Einen derselben bei dem Boot lassend, ebenfalls
unter die Eingebornen, die wenigen Kleinigkeiten die sie mitgebracht,
gegen Früchte und Muscheln, hauptsächlich aber die ersten, zu
vertauschen.

Diesen Zeitpunkt benutzte René, schnallte sein kleines Bündel, daß er
im Anfang vor den Eingeborenen ausgebreitet gehabt, wieder
zusammen, und verlor sich damit, ohne daß irgend Jemand auf ihn acht
hatte, im Dickicht. Von den Eingeborenen sahen ihn vielleicht Einige,
achteten aber nicht auf ihn, und die Leute vom Schiff waren viel zu
sehr mit sich selber und ihrer
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